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Nockenerkennung

Teileprüfung mit digitaler Bildverarbeitung
Nockenerkennung

Der Automobilbau spielt aufgrund der Sicherheitsanforderungen, denen seine Erzeugnisse gerecht werden müssen, seit jeher eine Vorreiterrolle im Bereich der Qualitätskontrolle. Dies gilt auch für den Einsatz der digitalen Bildverarbeitung, die sich heute als Standardwerkzeug für die 100%-Kontrolle von Erzeugnissen etabliert hat. Dies gilt natürlich gleichermaßen für die vielfältige Zulieferindustrie, die in zunehmendem Maße vollständige, komplexe Baugruppen bereitzustellen hat, deren Einzelteile ebenso auf einwandfreie Qualität und korrekte Montage geprüft werden müssen.

In den letzten Jahren sind die Kosten für Bildverarbeitungsanlagen bei gleichzeitig steigender Leistungsfähigkeit und Benutzerfreundlichkeit deutlich gesunken. Dadurch hat sich der Einsatzbereich der optischen Qualitätskontrolle wesentlich erweitert. Die hier vorgestellte Prüfanlage ist ein Beispiel für diese Entwicklung. Sie wurde von der STIWA GmbH aus Attnang-Puchheim, Österreich, in Zusammenarbeit mit der DS GmbH, Remseck, Deutschland, entworfen und von Mitarbeitern der STIWA GmbH vor Ort in Betrieb genommen.

Prüfaufgabe
Bei den Prüfteilen handelt es sich um Nocken, die bei der Krupp Gerlach Company, Danville, Illinois, USA, gefertigt und montiert werden. Zur Sicherstellung der korrekten Montage werden die Nocken mit einem herstellerspezifischen Code gekennzeichnet. Die Aufbringung dieses Codes erfolgt durch Einprägen von Vertiefungen an einer oder mehreren vorgegebenen Positionen. Abbildung 1 zeigt zwei derartige Nocken und macht bereits eine der Hauptschwierigkeiten der Prüfanwendung deutlich: die Vertiefungen im breiten Teil der oberen Randfläche haben nur eine geringe Prägetiefe und einen weichen Kantenverlauf. Es ist daher sehr schwierig, sie in einem Kamerabild mit gleichbleibend gutem Kontrast abzubilden, so dass sie stabil detektierbar sind.
Neben der Schwierigkeit, die Codierung überhaupt sichtbar zu machen, wurde die Realisierung des Prüfsystems vor allem von folgenden Faktoren beeinflusst:
– Umfangreiches Typenspektrum, wobei mit häufigen Fertigungsumstellungen und Erweiterungen des Typenspektrums gerechnet werden musste;
– Einfache Bedienung: die geographischen Gegebenheiten (Lieferung der Fertigungs- und Prüfanlage von Österreich in die USA) lassen keinen ständigen Vor-Ort-Service zu, daher müssen alle Routine-Einrichtarbeiten und kleinere Optimierungen von Anlagenbedienern ausgeführt werden, von denen keine Spezialkenntnisse in industrieller Bildverarbeitung erwartet werden können.
– Fernwartung: um in komplizierteren Fällen, also etwa bei der Einrichtung neuer Typen, teure Service-Einsätze vermeiden zu können, war es erforderlich, die Anlage in erheblichem Umfang fernwarten zu können.
– Vielseitigkeit: in der Fertigung eines Automobilzulieferers gibt es eine Vielzahl möglicher Sichtprüfaufgaben. Es lag daher im Interesse des Endkunden, ein System zum Einsatz zu bringen, das sich für eine große Bandbreite von Aufgaben eignet, damit sich Erfahrungen und erworbene Systemkenntnisse leicht auf neue Prüfanlagen übertragen lassen.
Seitens STIWA wurde entschieden, die Prüfanlage auf der Basis des Bildverarbeitungssystems NeuroCheck aufzubauen, das neben der Vielseitigkeit und einfachen Bedienung eine Fernwartung des gesamten Systems ermöglicht. Da es voll in Windows 9x/NT integriert ist, können alle Fähigkeiten dieser Betriebssysteme einschließlich der Kommunikationsfunktionalität genutzt werden.
NeuroCheck ist in deutscher und englischer Sprache verfügbar und konnte so Applikationsingenieuren und Endanwendern als gemeinsame Verständigungsbasis dienen.
Aufbau
Ein entscheidendes Element für die erfolgreiche Realisierung der Prüfung war aufgrund der schwierigen Beschaffenheit der Prüfteile natürlich der Beleuchtungsaufbau. In Zusammenarbeit von DS und STIWA durchgeführte Vorversuche hatten gezeigt, dass nur eine allseitige Dunkelfeld-Beleuchtung die erforderlichen Kontrastverhältnisse stabil gewährleisten konnte. Ein dicht über der Oberfläche der Prüfteile montiertes Ringlicht erwies sich als ideale Beleuchtungslösung. Das Ringlicht mußte dabei hinreichend groß sein, um das gesamte Prüfteil beleuchten zu können, ohne den Blickwinkel der Kamera einzuschränken. Zugleich durfte eine bestimmte Bauhöhe nicht überschritten werden. Zur Vereinfachung der Ersatzteilversorgung wurde ein Ringlicht eines amerikanischen Herstellers ausgewählt.
Die Bildaufnahme erfolgt an jeder Linie mit einer Standard-EIA-Kamera im Schutzgehäuse. Da die Anlage – unter anderem bedingt durch die erforderlichen Handshakes mit der SPS – mit einer Taktzeit von 0,3 s recht langsam läuft, konnte auf eine Triggerung der Kameras verzichtet werden. Abbildung 2 zeigt die Einbausituation von Kamera und Beleuchtung an einer der Linien.
Die gesamte Auswertung ebenso wie die Kommunikation mit der SPS über digitale Ein- und Ausgänge geschieht mit NeuroCheck auf je einem Industrie-PC pro Linie. Die PCs sind mit ISDN-Karten für die Fernwartung ausgerüstet, d. h. die Applikationsingenieure können sich von Österreich aus direkt in jeden der Rechner einwählen und – nach entsprechender Passwortabfrage – den Rechner vollständig bedienen.
Lösungsstrategie
Bei der Entwicklung der Lösungsstrategie war die Vielseitigkeit der eingesetzten Software NeuroCheck von großem Vorteil. Die in den Vorversuchen entwickelte Lösungsstrategie mußte vor Ort bei der Inbetriebnahme der Anlagen wegen geänderter Einbau- und Produktionsbedingungen zweimal vollständig verändert werden. Dabei war es sehr hilfreich, daß man durch die Integration von Entwicklungsumgebung und Laufzeitsystem jederzeit zwischen Editier- und Betriebsmodus ohne Verzögerung umschalten kann.
Wie Abbildung 3 zeigt, konnte nach Abschluß dieses Entwicklungs- und Optimierungsprozesses schließlich eine Lösung mit einer sehr einfachen Struktur verwendet werden, die aber aufgrund der umfassenden Parametrierbarkeit der einzelnen Funktionsbausteine und der Kommunikationsfähigkeiten des Programmrahmens keine Einschränkung der Flexibilität zur Folge hat.
Die Lösung besteht aus zwei getrennten Abschnitten.
Der erste, die sogenannten „Start-aktionen“, ist nur für die Kommunikation mit der SPS erforderlich. Dort werden verschiedene Handshake-Signale gesetzt bzw. abgefragt, die für diese Prüfanlage zusätzlich zu den automatisch vom Programmrahmen verwalteten Bereitschafts-, Start- und Ergebnissignalen erforderlich sind. Die einzelnen Funktionen wurden zur besseren Übersicht für die Anlagenbediener mit benutzerdefinierten Namen versehen.
Der zweite Abschnitt umfasst die eigentliche Bildverarbeitungsfunktionalität. Die Identifikation geschieht in folgenden Schritten:
Delay Execution (Ausführung verzögern)
Das System wartet hier für etwas mehr als einen Videotakt, damit die Teile vollständig zur Ruhe kommen können. Dadurch kann trotz des Verzichts auf Triggerschaltungen keine Bewegungsunschärfe entstehen.
Capture Image / Transfer Image (Bild aufnehmen / Bild in Speicher übertragen)
Das System nimmt dann ein Kamerabild auf und überträgt den erforderlichen Bildausschnitt zur weiteren Verarbeitung.
Define Regions of Interest (Arbeitsbereiche definieren)
Für jede der möglichen Codierungspositionen wird ein eigener Arbeitsbereich für die weitere Verarbeitung definiert.
Im Verlaufe der Inbetriebnahme zeigte sich, dass die Positionierung der Teile ausreichend präzise war. Daher konnte auf eine zusätzliche Positionskorrektur anhand der globalen Lage des jeweiligen Prüfteils verzichtet werden.
Abbildung 4 zeigt die definierten Bereiche in einem Kamerabildausschnitt. Die Bereiche sind verschiedenfarbig gekennzeichnet, um anzudeuten, dass jeder Bereich im weiteren Verlauf der Verarbeitung individuell behandelt wird.
Template Matching (Mustervergleich)
In jedem dieser Bereiche wird dann mittels Korrelation nach dem charakteristischen Helligkeitsverlauf einer Vertiefung gesucht. Da sich deren Erscheinungsbild je nach Prägequalität unterscheidet, werden mehrere Suchmuster verwendet, die in NeuroCheck jederzeit interaktiv ergänzt oder bearbeitet werden können. Abbildung 5 zeigt die hier verwendeten Suchmuster. Man sieht deutlich den Effekt leicht unterschiedlicher Prägewinkel und -tiefen auf die Reflexionseigenschaften der Ränder. Durch die automatische Optimierung der Muster anhand signifikanter Bereiche kann dennoch eine sichere Detektierung mit Korrelationskoeffizienten deutlich über 0,9 gewährleistet werden.
Evaluate Classes (Klassen auswerten)
In dieser Funktion wird überprüft, ob nicht möglicherweise ein unzulässiges oder qualitativ sehr schlechtes Muster detektiert wurde. Auf diese Weise lassen sich Fehlerkennungen aufgrund von Prägefehlern vermeiden. Die Funktion bietet außerdem die Möglichkeit, die Suchergebnisse mit lückenlos zu protokollieren. Besonders in der Entwicklungsphase ist dies sehr hilfreich, da so eine vollständige Auswertung der Erkennungsleistung und der Qualität der einzelnen Suchmuster ermöglicht wird. Auch im laufenden Betrieb ist die Protokollierung nützlich, um beispielsweise nachlassende Prägequalität – die sich in sinkenden Korrelationen äußern würde – frühzeitig zu erkennen.
Count Regions of Interest (Arbeitsbereiche zählen)
Zum Abschluss wird für jeden der eingangs definierten Bereiche geprüft, ob er eine Vertiefung enthält. Jeder Nockentyp ist dabei durch eine andere Kombination von Sollvorgaben gekennzeichnet. Abbildung 6 zeigt eine Prüfung für einen Nockentyp, der – von oben nach unten – durch die Abfolge 10010 gekennzeichnet ist, wobei eine 1 für das Vorhandensein einer Vertiefung steht, eine 0 für ihre Abwesenheit. Man sieht, dass die Nocke im linken Bild dieser Vorgabe entspricht, während die rechte Nocke den Code 10001 trägt.
Die Vorgabe der Sollwerte erfolgt bei der derzeitigen Installation dadurch, dass die SPS, die den Solltyp der nächsten Nocke kennt, die Nummer des entsprechenden Prüfprogramms an den digitalen Eingängen des Bildverarbeitungssystems anlegt. In diesem Falle wurde die Codekonfiguration 10010 (= 18) direkt als Nummer des Prüfprogramms verwendet. Wenn also die Bitfolge 10010 an den entsprechenden Eingängen anliegt, lädt NeuroCheck automatisch das Prüfprogramm mit der Identifikationsnummer 18 und prüft die entsprechenden Sollwerte ab. Dadurch beschränkt sich das Nachrüsten neuer Typen darauf, das Prüfprogramm unter einem neuen Namen zu speichern und die Identifikationsnummer und die Sollwerte der Funktion „Anzahl überprüfen“ und die Identifikationsnummer zu ändern.
Ergebnisse
Bereits während der Zeit der Inbetriebnahme erreichte das Bildverarbeitungssystem eine um einen Faktor 5 bessere Erkennungsleistung als die zuvor verwendete mechanische Abtastung der Vertiefungen. Nach mehrmonatigem Betrieb liegt durch kleinere über Fernwartung vorgenommene Optimierung die Verbesserung bereits bei mehr als einem Faktor 20. Als entscheidende Faktoren für diesen Erfolg nannte Dipl.-Ing. W. Simunek von STIWA:
– Die Dunkelfeldbeleuchtung, die noch während der Inbetriebnahmephase in Zusammenarbeit mit DS optimiert werden konnte;
– Die Flexibilität von NeuroCheck bei Umkonfigurationen, sowohl bei der Entwicklung der grundlegenden Prüfstrategie als auch bei der Anpassung an das große und ständig wachsende Typenspektrum.
– Die Möglichkeit, jede Veränderung an Prüfstrategie, Beleuchtung und Bildaufnahme durch in das Prüfprogramm integrierte Referenzbilder, Ausgabe von Messwerten und vor allem die Speicherung von Fehlerbildern im laufenden Automatikbetrieb zu dokumentieren.
Diese Fehlerbilder spielten auch eine entscheidende Rolle bei der oben erwähnten Optimierung der Beleuchtung: sie wurden per Email an den TechSupport der DS übermittelt, der sich so jederzeit schnell ein Bild von der derzeitigen Situation machen und Verbesserungsvorschläge entwickeln konnte. So darf man einen weiteren wichtigen Faktor nicht außer acht lassen: den Nutzen moderner Kommunikationsmittel in heutigen Standardbetriebssystemen und Softwarepaketen. Insgesamt konnte STIWA eine sehr positive Bilanz aus diesem Einsatz industrieller Bildverarbeitung auf PC-Basis ziehen. Eine mechanische Prüfanlage konnte in sehr kurzer Zeit durch eine wesentlich flexiblere und zuverlässigere automatische Sichtprüfung ersetzt werden, die sich im Einsatz ausgezeichnet bewährt hat. Das System hat aufgrund seiner Flexibilität, Leistungsfähigkeit und Bedienerfreundlichkeit hervorragende Akzeptanz beim Endkunden gefunden, so dass Schritt für Schritt weitere Anlagen mit automatischen Sichtprüfsystemen auf dieser Basis ausgerüstet werden sollen.
Weitere Informationen A QE 419
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