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Optische Technik erobert Fertigung und neue Einsatzgebiete

Trends in der Optischen Mess- und Prüftechnik
Optische Technik erobert Fertigung und neue Einsatzgebiete

Optische Technologien sind auf dem Vormarsch. Anbieter entwickeln Systeme, die in der Fertigung und mit herausfordernden Oberflächen oder Geometrien zurechtkommen. Und Künstliche Intelligenz sorgt dafür, dass sich die Lösungen auch von Nicht-Experten einsetzen lassen.

» Markus Strehlitz

Die optische Mess- und Prüftechnik entwickle sich von der Nischen- zur Mainstream-Technologie, sagte Michael Sackewitz, Koordinator der Fraunhofer-Allianz Vision, auf dem digitalen Quality Day von Quality Engineering. Dabei würden optische sowie Bildverarbeitungstechnologien zunehmend die Fertigung erobern.

„Es gibt schon seit vielen Jahren den Trend, dass dort, wo die Entscheidungen getroffen werden müssen, auch die Qualitätsdaten erfasst werden“, so Sackewitz. Somit sei man auch auf Systeme angewiesen, die für den Einsatz in der Produktion geeignet sind. „Damit ist man dann bei der optischen Mess- und Prüftechnik, die oft flächenbasiert sowie in Echtzeit arbeitet und die gerade bei kleinen Strukturgrößen ihre Überlegenheit gegenüber taktilen Methoden zeigt.“

Die Technikanbieter setzen auf diesen Trend und entwickeln Systeme, die auf diesen speziellen Einsatz zugeschnitten sind. So hat zum Beispiel Creaform mit dem Metrascan Black einen 3D-Scanner für den Fertigungsbereich im Programm. Dafür verfügt das Messgerät über eine patentierte dynamische Referenzierung, die Instabilitäten in der Umgebung ausgleicht. Laut Hersteller ist es vielseitig einsetzbar und kommt auch mit komplexen, glänzenden sowie detailreichen Teile zurecht. In Kombination mit dem hauseigenen portablen taktilen 3D-Messsystem Handyprobe erlaube es komplette, optimierte Prüfprozesse, heißt es bei Creaform.

Vielseitig verwendbar

Vielseitige Einsatzbarkeit ist grundsätzlich eine Eigenschaft, die für die optischen Technologien zunehmend wichtiger wird. „Mess- und Prüfsysteme von morgen werden nicht mehr auf feste Aufgaben ausgelegt sein, sondern sich an unterschiedlichste Randbedingungen wie Fehlerklassen oder Gestalt der Prüfobjekte anpassen lassen“, sagt Sackewitz. „Im besten Fall haben sie die dafür notwendige Intelligenz bereits implementiert.“

Damit weist er auf einen Trend hin, der sich neben vielen anderen Bereichen auch in der optischen Messtechnik und Bildverarbeitung bemerkbar macht. Es geht um den zunehmenden Einsatz von künstlicher Intelligenz – oder genauer: von maschinellem Lernen.

Zahlreiche Anbieter rüsten ihre Lösungen mit entsprechenden Technologien aus. Dazu zählt etwa Mahr, dessen neue Produktfamilie von Weißlichtinterferometrie-Geräten mit der ICA-Technologie (Intelligent Correlation Algorithm) arbeitet. Diese sorgt laut Hersteller für ein höchststabiles Signal bei einem extrem niedrigen Rauschmaß.

Vor allem erleichtern Systeme auf Basis von Machine Learning dem Anwender die Arbeit. Sie können sich selbst konfigurieren und arbeiten autonom sowie selbstlernend. Beispiel dafür ist die intelligente Software von Dr. Heinrich Schneider Messtechnik. Diese erkennt ein Werkstück, das auf eine Glasplatte unter eine Kamera gelegt wird, und sucht selbstständig nach dem passenden Messprogramm. „Der Software ist es dabei egal, um welches Werkstück es sich handelt und wie dieses auf der Platte liegt“, erklärt Jörg Schröder, Bereichsleiter Vertrieb bei Schneider Messtechnik. „Der Bediener kann gar keinen Fehler machen.“

Usability wichtiger als Tempo

Sackewitz glaubt, dass Machine Learning eine neue Ära einleiten wird. Und die damit verbundene leichtere Handhabung der Systeme wird ein entscheidender Vorteil sein. Denn eine einfache Bedienbarkeit sei den Anwendern oft wichtiger als eine hohe Geschwindigkeit der Technik. „Die Kunst besteht also darin, künftige Systeme so einfach zu gestalten, dass auch Nicht-Messtechniker sie intuitiv bedienen können“, so der Experte.

Dieses Ziel verfolgt zum Beispiel Bruker Alicona mit seiner Software Metmax. Diese kommt beim optischen Mikrokoordinatenmesssystem μCMM zum Einsatz. Sie sorgt dafür, dass Algorithmen die Konfiguration der Messstrategie übernehmen. Damit ist die Bedienung des Geräts laut Anbieter darauf ausgelegt, dass der Benutzer über kein spezielles Messtechnik- oder Anwenderwissen verfügen muss, um das Gerät zu nutzen. Die Messung wird per Mausklick gestartet und erfolgt dann automatisch. Nachdem das Bauteil in 3D gemessen wurde, werden die Daten ebenfalls automatisch ausgewertet.

Auch das Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik (IOF) setzt bei seiner Lösung für eine robotergeführte 3D-Prüfung auf maschinelles Lernen. Um große und komplex geformte Werkstücke wie etwa Karosserieteile automatisiert zu scannen, werden in Prüfprozessen Sensoren an Roboterarmen installiert. Jeder automatisierte Messablauf muss dabei spezifisch für jedes Werkstück geplant werden. Dieses Einlernen ist jedoch aufwendig und kann daher nur für wenige Werkstücke durchgeführt werden.

Daher hat das Fraunhofer IOF ein robotergeführtes Sensorsystem entwickelt, das sich durch einfache Gesten des Bedieners steuern lässt. Die Gesten werden von einem 3D-Interaktionssensor erkannt und automatisch in Befehle für das kollaborative Robotersystem übersetzt. Ohne über Spezialkenntnisse zu verfügen, kann der Bediener somit in Echtzeit Messaufgaben anweisen.

Komplette Probe scharf zu sehen

Die optische Messtechnik lässt sich aber nicht nur einfacher einsetzen. Sie weitet ihre Möglichkeiten auch kontinuierlich aus. So hat Zeiss mit dem Visioner 1 ein Digitalmikroskop entwickelt, das eine erweiterte Tiefenschärfe bietet und damit erstmals einen All-in-one-Fokus in Echtzeit erlaubt. Das bedeutet: Nutzer können bei der Qualitätssicherung in der Fertigung die Probe vollständig scharf sehen, ohne aus einer Reihe von Bildern unterschiedliche Fokusebenen kombinieren oder diese nachbearbeiten zu müssen. Das beschleunigt die Inspektionsprozesse.

Schlüssel hierfür ist die Mals-Technologie (Micro-mirror Array Lens). Dabei handelt es sich um ein System aus kleinen Spiegeln mit einer Größe von 100 x 100 μm. Diese können individuell eingestellt werden, um quasi virtuelle Linsen mit verschiedenen Krümmungen und damit Fokussierebenen zu generieren. So kann das Digitalmikroskop jeden Punkt der Probe scharf abbilden. „Das wirklich Revolutionäre daran ist, dass wir die Einstellung der Mikro-Spiegel so schnell vornehmen können, dass die Bilddarstellung für den Nutzer in Echtzeit abläuft“, erklärt Robert Zarnetta, Leiter für den Bereich Industrielle Mikroskopie-Lösungen bei Zeiss.

Weiterentwicklungen in der Technik sorgen auch dafür, dass Systeme besser mit schwierigen optischen Eigenschaften von Bauteilen zurechtkommen. So bereiten etwa glänzende, ölige oder tiefschwarze Oberflächen häufig Probleme. Das Fraunhofer IOF hat daher einen optischen 3D-Sensor entwickelt, der einen Spektralbereich außerhalb des sichtbaren Lichts nutzt, in dem die Oberflächeneigenschaften optisch kooperativer sind. Der SWIR-3D-Sensor arbeitet bei einer Wellenlänge von 1,45 μm und erfasst pro Aufnahme bis zu 80.000 3D-Messpunkte. Mit dieser Technologie lassen sich somit auch bisher herausfordernde Materialien prüfen.

Auch 90-Grad-Neigungen in 3D

Doch nicht nur Oberflächen, sondern auch bestimmte Geometrien können manchmal Schwierigkeiten machen. Für das seitliche Antasten von Bauteilen mit vertikalen Flächen wurden bisher taktile Systeme oder Sonderlösungen eingesetzt. Das Spektrum messbarer Neigungen umfasst bisher 0° bis 85°. Mit Vertical Focus Probing bietet Bruker Alicona nun eine Technologie, die auch Oberflächen mit einer Neigung von mehr als 90° optisch antasten und flächenhaft in 3D messen kann.

So erobert die optische Messtechnik also immer neue Einsatzgebiete. Aber die Entwicklung ist noch nicht zu Ende. Denn es gibt noch einiges zu tun, für die Anbieter der Technologien – zum Beispiel wenn es darum geht, schnell und sicher zu messen. Auch in der Künstlichen Intelligenz gibt es noch Luft nach oben. Neuronale Netze etwa seien noch leicht täuschbar, berichtet Sackewitz. Doch das wird erst mal nichts am Erfolgskurs der optischen Technologien in Richtung Mainstream ändern.


im Vorteil

Optische Messtechnik zeigt gerade bei kleinen Strukturgrößen ihre Überlegenheit gegenüber taktilen Methoden


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Optische Messtechnik war auch eines der Schwerpunktthemen der Quality Days von Quality Engineering, die im März digital stattgefunden haben.

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