Das (alte) Kaufrecht wird digitaler. Durch die Warenkauf-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/771) wird unter anderem die bisherige Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie (Richtlinie 1999/44/EG) ersetzt, die eine wesentliche Grundlage unseres derzeit geltenden deutschen Kaufrechts darstellt. Der deutsche Gesetzgeber muss die Regelungen der Richtlinie bis zum 01.07.2021 in nationales Recht umsetzen und ab dem 01.01.2022 anwenden. In Folge wird unter anderem der Begriff des Sachmangels im Bürgerlichen Gesetzbuch – kurz BGB – umfangreicher definiert. Nach § 434 BGB-E soll die Ware künftig nur dann frei von Sachmängeln sein, wenn sie den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen entspricht. Die Vorschrift regelt zudem ausführlich, wann diese Anforderungen vorliegen sollen.
Eine solche umfangreiche gesetzliche Definition des Mangelbegriffs war dem bisherigen Kaufrecht fremd. Vieles wurde insoweit Rechtsprechung und Literatur überlassen.
Zu den „subjektiven Anforderungen“ zählen insbesondere die vereinbarte Beschaffenheit, die Eignung für die nach Vertrag vorausgesetzte Verwendung und das vereinbarte Zubehör. Ob objektiv ein Mangel vorliegt, hängt davon ab, ob die Sache (1.) sich für die gewöhnliche Verwendung eignet, (2.) eine Beschaffenheit aufweist, die bei Produkten derselben Art üblich ist und die der Käufer unter Berücksichtigung der Art der Sache und der öffentlichen Äußerungen des Verkäufers oder Händlers zum Produkt, zum Beispiel in der Werbung oder auf dem Etikett, abgegeben wurden, erwarten kann, (3.) einer vom Verkäufer vor Vertragsschluss zur Verfügung gestellten Probe oder einem Muster entspricht und (4.) verpackt und mit Zubehör, der Montage- oder Installationsanleitung und Bedienungsanleitung übergeben wird, die für die Nutzung des Produkts erforderlich sind.
Künftig kann eine Sache also auch objektiv mangelhaft sein, obwohl sie die vereinbarte Beschaffenheit hat und damit den subjektiven Anforderungen entspricht. Dies kann vertraglich durch eine Beschaffenheitsvereinbarung anders geregelt werden, in der beispielsweise festgehalten wird, über welche (objektiv zu erwartenden) Eigenschaften die Sache nicht verfügt. Aber es bedarf eben einer solchen Vereinbarung.
Die Mangeldefinition und das sich daran anschließende Gewährleistungsrecht sind insbesondere für die fertigende und Handel treibende Industrie relevant – auch und insbesondere für die Qualitätsabteilungen. Dort laufen im Zweifel die Fäden von Reklamationen und Regressen zusammen. Insofern empfiehlt es sich, in diesem Thema up-to-date zu bleiben. Tut man das und verinnerlicht man sich zum Beispiel die neue Definition des Sachmangels, so wird klar, dass die schon mehrfach an dieser Stelle erwähnte Relevanz „ordentlicher“ Dokumentation – etwa in Form von Verträgen, Spezifikationen und Datenblättern – noch stärker in den Fokus rückt.
Die „subjektiven“ Anforderungen sind individuell pro Fall bedingt, hängen also von den jeweiligen Verträgen und Vorgaben ab. Sind diese nicht „ordentlich“ dokumentiert, droht erhebliches Ungemach. Diese Änderungen der gesetzlichen Struktur erfordern demnach detaillierte Vereinbarungen mit den Kunden über die Anforderungen an das Produkt, damit die Verantwortung für die Verwendung des spezifizierten Produkts durch den Kunden nicht unversehens beim Zulieferer landet. Dazu müssen eventuell auch die technischen Spezifikationen der Produkte geprüft und gegebenenfalls angepasst werden, um eine klare Zuordnung der Verantwortung für Produkt und Verwendung zwischen Zulieferer und Kunde sicherzustellen.
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Daniel Wuhrmann
von Reusch Rechtsanwälte
liefert regelmäßige Beiträge zu rechtlichen Themen.