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Präzision in extremer Umgebung

Teilevermessung im sehr schnellen Takt
Präzision in extremer Umgebung

Die völlig andere Produktion dünnwandiger Glasflaschen und von Stecker- bzw. Kontaktleisten haben Gemeinsamkeiten. In beiden Fällen geht es um sehr große Stückzahlen und hohe qualitative Anforderungen. Vernetzte Bildverarbeitung als Bestandteil des Qualitätsmanagements und der Produktionssteuerung erweist sich als bedeutender Wettbewerbsvorteil.

Dipl.-Ing. Kamillo Weiß, Fachjournalist, Leinfelden-Echterdingen

Der sehr harte Konkurrenzkampf der Glashütten erfordert einerseits eine immer höhere Produktivität und andererseits eine dokumentierbare 100%ige Qualität der Glaswaren. In der Produktion von Glasflaschen für pharmazeutische, medizinische, kosmetische, oder auch für Zwecke in der Lebensmittelindustrie handelt es sich um fünf- bis sechsstellige Auftragschargen. Zur Problematik der Qualitätskontrolle und des Qualitätsmanagements bemerkte Herr Dipl.-Ing. Rolf Büttner, Leiter der Qualitätssicherung Forschung u. Entwicklung, der Tettauer Glashüttenwerke AG in Friedrichsdorf im Taunus:
„Wir hatten in der Vergangenheit negative Erfahrungen mit den Versprechungen in der Bildverarbeitung gemacht. Mit dem System der Otto GmbH aus Jena sind wir aber einen entscheidenden Schritt vorangekommen. Jede einzelne Flasche wird einer berührungslosen umfangreichen Maßkontrolle mit einer reproduzierbaren Genauigkeit von bis zu 3/100 mm und einer Prüfung der fehlerfreien Materialbeschaffenheit unterzogen. Wichtige Eigenschaft ist für uns insbesondere auch die offene Netzwerksphilosophie des Visionsystems und seiner bereits vorgegebenen Strukturierung für ein übergeordnetes Qualitätsmanagement sowie der Integration in die Produktionsteuerung.“
Heiße Bildverarbeitung
Die Tettauer Glashüttenwerke sind führend in der Fertigung dünnwandiger Glasflaschen. Die Umweltbedingungen des Visionsystems sind dabei denkbar ungünstig, denn es herrschen hohe Umgebungstemperaturen, Strahlungshitze und Beschichtungsdämpfe. Des weiteren werden die heißen Flaschen am laufenden Band transportiert, das mit Erschütterungen und Vibrationen verbunden ist. Die Prüfung der Flasche auf Maßhaltigkeit von Flaschenkörper, Hals mit Mündung, fehlerfreie Materialbeschaffenheit usw. bedingt viele in Echtzeit gleichzeitig zu kontrollierende Parameter. Ein Gaslunker beeinflußt die Spannung und Festigkeit der Flasche. Der selten auftretende gefürchtete Produktionsfehler, das Ziehen eines Glasfadens in der Flasche, könnte nach der Befüllung als Bruchstück gesundheitliche Konsequenzen der verschiedensten Art haben. Aber auch das Gewinde eines Flaschenhalses muß einwandfrei ausgeprägt sein um die Funktion zu gewährleisten. Da die Herstellung vom flüssigen Glas zur Flasche nur in einer ununterbrochenen 24h-Fertigung erfolgen kann, muß auch das Visionsystem eine dementsprechend hohe Zuverlässigkeit aufweisen.
Exakte Fehlerzuordnung
Die Temperatur im Produktionsbereich der Glasflaschen kommt einer Sauna recht nahe. In der Nähe des Produktionsbandes mit den rotglühend abgesetzten Glasflaschen ist die Strahlungshitze sehr groß. Im unmittelbaren Anschluß der Produktionsstraße mit den Formnestern befindet sich die Bildverarbeitungsstation. Je nach Formnestentfernung von der Visionstation kommen die Flaschen in unterschiedlicher Temperatur – von sehr heiß bis rot glühend – in die Meßstation. Gegenwärtig arbeiten drei Visionstationen CVS-G mit Durchlicht und Auflicht im Heißbereich dieses Glaswerkes und eine weitere wird im Reinraumbereich installiert. Mit bis zu 9 CCD-Kameras in einer Station erfolgt aus unterschiedlichen Richtungen die gleichzeitige exakte Vermessung der einzelnen etwa 500° C heißen Glasflaschen auf dem laufenden Band. Die Bandgeschwindigkeit liegt bei maximal 1 m/Sekunde. Bei 10 Flaschen/Sekunde und 9 Kameras muß das Visionsystem gleichzeitig 90 Bilder/Sekunde bewältigen. Je nach Größe der Flasche liegt die Meßgenauigkeit bei 3/100 bis 7/100 mm. Da die Unschärfe kleiner als die Meßungenauigkeit sein muß, ist eine absolute Momentaufnahme der zu prüfenden Flasche von allen Kameras zum gleichen Zeitpunkt erforderlich. Die Sicherheit der Meßtechnik wird dabei durch den Einsatz der schnellen Progressive Scan Kameras von Pulnix gewährleistet, die unabhängig von Bewegungen und Vibrationen der Glasflasche immer eine scharfe Momentaufnahme des ganzen Bildes liefern. Videokameras nach Fernsehnorm können diese Aufgabe nicht bewältigen. Die in sich abgekapselte und klimatisierte Prüfstation ist in die übergeordnete SPS eingebunden.
Jeder festgestellte Fehler kann dem jeweiligen Formnest exakt zugeordnet werden. Eine sehr wichtige Eigenschaft, um im laufenden Prozeß lokale Korrekturen gezielt vornehmen zu können.
Die Hauptprüfung im Heißbereich wird ergänzt durch eine weitere Prüfstation mit 100%iger Kontrolle im Kaltbereich.
Aufgabenstellung und Prüfmerkmale sind:
V Vermaßung: Die Flaschenhöhe, Teilhöhe, Durchmesser, lokale Durchmesserschwankungen im Körperbereich (Welligkeit), Kern- und Außendurchmesser des Gewindes, Ovalitäten, Flügel (unerwünschte Ausformungen an der Nahtstelle des Werkzeuges), Winkel der Mündung zur Flaschenhauptachse.
V Flaschenmündung: Ausprägung, Vollständigkeit, Kreisförmigkeit, Gewinde, Materialfehler.
V Glasfehler: Einschlüsse, Pegelzieher, Gasblasen, Affenschaukel (Glasfaden).
Die Prüfstation ist mechanisch so konstruiert, daß eine Umrüstung auf andere Flaschengrößen und Formen in sehr kurzer Zeit erledigt wird.
Einfache Bedienung
Die geometrieorientierte Visionsoftware ‘Metrik’ ermöglicht eine einfache und schnelle Programmierung neuer Flaschenformen und durch Parametrierung ist eine sehr schnelle meßtechnische Anpassung bestehender Flaschenformen aus der Bibliothek an neue Maße gewährleistet. Die Editierung kann direkt aus der Datenbank erfolgen. Nach einem Tag Schulung waren die Mitarbeiter der Glashütte in der Lage, das Visionsystem selbständig zu betreiben. Die Fähigkeit des Systems CVS-G, jede Flasche dem jeweiligen Formwerkzeug zuzuordnen, bietet die Voraussetzung einer gezielten Fehlerminimierung in der Produktion. Das Bedienpersonal in der Produktion arbeitet nun bezüglich der Qualität mit mehr Eigenverantwortung. Bei einer Taktrate von bis zu 10 Flaschen/Sekunde ergibt dies in 24 Stunden eine maximal mögliche Tagesproduktion von 864.000 Flaschen auf einer Linie. Durch die Fehlerminimierung wird neben verschiedenen anderen positiven Aspekten eine höhere Produktivität erzielt.
Zufriedenere Kunden
Zur betrieblichen Praxis bemerkt Herr Rolf Büttner: „Ein Visionsystem sollte strukturell ohne ‘Schnittstellenklimmzüge’ direkt in ein modernes und effizientes betriebliches Qualitätsmanagement integrierbar sein, oder besser bereits von sich aus bieten. Die moderne Bildverarbeitung der OTTO GmbH zeigt nicht nur die meßtechnische Lösung an den einzelnen Kontrollstationen, sondern bietet die Ausbaufähigkeit und Integration in ein modernes gesamtbetriebliches Qualitätsmanagement.“
Die Kunden der Tettauer Glashüttenwerke haben inzwischen die wesentlich höhere und gleichbleibende Qualität der angelieferten Ware schätzen gelernt, und neue Kunde konnten durch die garantierten Qualitätsmerkmale hinzu gewonnen werden.
CVS-G ist integriert in die gesamte Produktionssteuerung. Der Vision-Leitrechner ist gleichzeitig Steuerungsrechner. Die Zuverlässigkeit des Q-Systems beruht auf 4 Meßrechnern plus einem Steuerungsrechner sowie einem Supervisor-Rechner. Die Fehlererkennung und statistische Aufbereitung erfolgt für jede einzelne Produktionslinie, und sie kann direkt an der Linie eingesehen werden. Alle Linien werden über den Supervisior gemeinsam statistisch erfaßt. Daraus ergeben sich die Rückschlüsse für die Vermeidung von Fehlern in der gesamten Produktion. Außerdem ist man bezüglich der zunehmenden Qualitäts-Dokumentationspflicht einen entscheidenden Schritt vorangekommen.
Qualtitätsmerkmal Null ppm
Im Fertigungswerk Biberach bei Heilbronn produziert das Unternehmen MOLEX – weltweit zweitgrößter Hersteller von Steckverbindern – die Kontaktstifte am laufenden Band. Im dreischichtigen Betrieb einschließlich von mannlosen Schichten über die Wochenenden laufen die Stanzen ununterbrochen mit einer Produktionsgeschwindigkeit von 900 bis maximal 1200 Hüben pro Minute. Das ergibt für 24 Stunden rund 1.700.000 Hübe. Dennoch gilt es, jeden einzelnen Kontaktstift auf eine Reihe von Maßhaltigkeiten zu kontrollieren und die Qualität statistisch zu erfassen. Dementsprechend kann man nicht mehr nur von einer 100%igen Qualitätskontrolle sprechen, sondern vom Qualitätsmerkmal Null ppm – ‘parts per million’.
Für das hierbei eingesetzte Bildverarbeitungssystem bedeutet diese Produktionsgeschwindigkeit ein Leistungsmerkmal von 20 Stück/Sekunde, die mit höchster Zuverlässigkeit zu kontrollieren sind. Das eingesetzte Visionsystem der OTTO GmbH hat aber auch schon nachgewiesen, daß es die dreifache Geschwindigkeit bewältigen kann. Die gegenwärtige Entwicklung soll demnächst auch 120 Vollbilder/Sekunde bewältigen. Integriert ist das Bildverarbeitungssystem in eine Anlage, welche durch seine Bauweise eine sehr schnelle Umrüstung für die unterschiedlichen Bandbreiten der verschiedenen Kontaktstifte gewährleistet. Auf dieser mit dem Visionsystem steuerungstechnisch verknüpften mobilen Anlage werden die gestanzten Bänder vollautomatisch aufgewickelt. Die Spulen werden automatisch gewechselt. Das erschließt die Möglichkeit von mannlosen Schichten. Diese Anlage wurde von der Firma PAS GmbH (Prozess – Automatisierungs – Systeme) in Partnerschaft mit der Otto GmbH konstruiert und hergestellt. Bei Molex laufen inzwischen drei dieser speziell für die Stanzindustrie entwickelten Prüfanlagen im 24h-Betrieb, und bereits zwei weitere werden Anfang 1999 installiert.
Dazu bemerkt Herr Keller von der Firma PAS: „Die Entscheidung für dieses Visionsystem liegt nicht zuletzt an der geometrieorientierten Visionsoftware ‘Metrik’, seiner außerordentlichen Kompaktheit, seiner Stabilität und Flexibilität, einfachen Bedienbarkeit und Lernfähigkeit. Die Software mit den gründlich ausgewählten Hardwarekomponenten garantiert eine sehr hohe Zuverlässigkeit des Systems. Einzigartig in der Stanzwelt ist die Struktur und direkte Vernetzung mehrerer Bildverarbeitungssysteme durch den SUPERVISIOR (SV). Die SV können in einem weiteren Ausbauschritt im übergeordneten DIREKTOR zusammengefaßt werden, wobei letzterer direkt mit der jeweils hauseigenen PPS zusammenarbeitet.“
Vernetzte Bildverarbeitung
Die sehr genaue Dokumentation der Jobs geht weit über die übliche Bildverarbeitung hinaus und erschließt die frühzeitige Erkennung der Fehlerursachen. Durch ein klare Strukturierung und Ordnung wird verhindert, daß verschiedene Versionen eines Meßjobs entstehen können. Ähnlich wie bei der Konstruktion mit CAD erfolgt eine Versionskontrolle. Diese zukunftsweisende Strukturierung einer vernetzten Visionlösung für ein übergeordnetes Qualitätsmanagement regelt auch die Zugriffsrechte, Änderungsrechte und Dokumentation der zuletzt vorgenommenen Programmierung des Meßjobs. Ein weiteres herausragendes Merkmal des SV ist die Integration eines Ferndiagnosesystems FIS mit dem der Systemanbieter über ISDN direkt in den SV eingreifen kann. Die Fehlerbeseitigung, Prozeßoptimierung oder Meßjobgenerierung kann direkt vom Systemanbieter im laufenden Prozeß vorgenommen werden, was eine jederzeitige und kontinuierliche Wartung/Pflege bietet. Die Anlagen für die Qualitätskontrolle können direkt mit einer Prozeßoptimierung verknüpft werden. Verbunden mit einem Störgrunderfassungssystem, das ebenfalls von der PAS angeboten wird, bietet das Bildverarbeitungssystem ein optimales Werkzeug, um das bestmögliche Ausloten der Werkzeugstandzeit sowie Dokumentation der Werkzeugeigenschaften für eine vorbeugende Wartung zu nutzen.
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