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Prozesstransparenz

Qualitätssteigerung durch MES
Prozesstransparenz

Die Kunden werden immer anspruchsvoller. Deshalb gewinnt das Thema „Qualität“ in der Industrie mehr und mehr an Bedeutung. Eindrucksvoll belegen dies die vielfältigen Anstrengungen, die Unternehmen zur Qualitätssicherung unternehmen. Im Rahmen des Qualitätsmanagements kommen dabei in den Betrieben auch zunehmend Manufacturing Execution Systeme (MES) zum Einsatz.

Dipl.-Ing.Theo Drechsel, 4marcom + PR, Unterschleißheim

Die Qualitätssicherung ist in sehr vielen Unternehmen in den letzten Jahren wesentlich professioneller geworden. So werden beispielsweise in den Betrieben immer häufiger mobile Messsysteme wie Messarme oder Laser Tracker eingesetzt, die aufgrund ihrer Flexibilität Messungen erlauben, die noch vor einem Jahrzehnt unmöglich schienen. Parallel dazu wurde aber auch auf der Software-Seite „aufgerüstet“: So integrierten die Anbieter von Messsoftware immer ausgefeiltere Funktionalitäten in ihre Produkte. Aber auch gänzlich neue Systeme hielten Einzug in den Unternehmen, darunter auch Manufacturing Execution Systeme (MES), die ein „PPS-System im Kleinen“ für die Arbeitsgruppe darstellen. Sie bilden den „Missing Link“, der Ressourcen, Material und Fertigungsauftrag EDV-technisch verbindet.
Der Einsatz des MES erfolgt in der Werkstatt und dem abgegrenzten Produktions-, Montage- oder Prüfbereich, der traditionell in der Verantwortung eines Meisters oder Montageleiters liegt. Die Software unterstützt die Arbeitsgruppe als autonome Einheit und ermöglicht so, die Organisation verantwortungsgeführt zu gestalten. Das MES arbeitet nach eigenen Regeln, die vor Ort durch die Arbeitsgruppe mit der Arbeitsvorbereitung festgelegt werden. Solche Regeln geben zum Beispiel an, in welcher Reihenfolge die Arbeitsschritte durchzuführen und welche Arbeitsplätze dafür vorgesehen sind.
Das MES empfängt Daten vom PPS-System und liefert Ergebnisse an dieses zurück. So kommt nun der Fertigungsauftrag des PPS-Systems elektronisch zum Arbeitsplatz, während er bisher als papierene Arbeitsfolgekarte bekannt war. Das MES bestimmt automatisch, um welchen Produkttyp es sich handelt und führt den Mitarbeiter gezielt durch die an seinem Arbeitsplatz auszuführenden Arbeitsschritte. Vorgabewerte, Einstelltoleranzen und Messwertgrenzen werden ihm angezeigt. Am Ende eines Arbeitsschrittes erfasst der Mitarbeiter die im Arbeitsplan vordefinierten Merkmalswerte im MES. Dieses speichert die Ergebnisse zusammen mit dem Arbeitsauftrag in einer Datenbank. Die gesammelten Daten sind mit dem Fertigungsauftrag und gewöhnlich auch mit dem einzelnen Werkstück verknüpft.
Die Auswertungen der vom MES gespeicherten Daten geben Auskunft über das einzelne Produkt (Werkstück) und den Fertigungsprozess im Ganzen. Zu jedem Werkstück lässt sich unter anderem der aktuelle Fertigungszustand feststellen oder die komplette Fertigungshistorie mit allen Einstell- und Messwerten abrufen. Das Letztere ist vor allem für den Service – und im Einzelfall auch für den Kunden – interessant nach der Auslieferung des Werkstücks. Für den gesamten Prozess kann der Wertschöpfungszustand im Ganzen bestimmt oder Kennzahlen ermittelt werden, die über die Prozessqualität Auskunft geben. Die Managementinformationen können selbstverständlich auch in ein unternehmensweites Data Warehouse eingespeist werden.
Das MES kann in der Produktion/Montage von komplexen genauso wie von einfacheren Produkten eingesetzt werden. Der Einsatz des Systems ist vor allem dann sinnvoll, wenn es notwendig ist, eine größere Menge an Daten über das Produkt zu erfassen. Die sich durch den Einsatz eines MES ergebenden Vorteile für das integrierte Qualitätsmanagement sind vielfältig:
lDurch die Zusammenfassung aller Q-Daten eines Produktes in einer zentralen Datenbank bestehen mehr Präventionsmöglichkeiten und können Trends über die Qualitätslage (zum Beispiel: First Pass Yield) durchgeführt werden.
– Für den Prüfablauf werden sichere Vorgaben erstellt. Die Erfassung der Daten erfolgt automatisch.
– Online-Managementinformation über den Qualitätsstatus der laufenden Produktion/Montage mit Hilfe von komprimierten Kennzahlen, die aus der Produktdatenbank abgeleitet werden.
– Relevante Daten sind sofort systematisch strukturiert und mit einheitlicher Merkmalsbedeutung verfügbar: Dadurch ist der Anwender auskunftsfähig über die Herstellung und Daten des Produktes – wenn nötig auch über den ganzen Lebenszyklus.
– Kundenzufriedenheit/Produktrückruf: Wenn erkannt wird, dass eine zugelieferte Komponente des Produktes störanfällig ist, können mit geringstem Aufwand alle Produkte/Lose identifiziert werden, in denen diese Komponente verbaut wurde und entsprechende Rückrufaktionen gestartet werden. Fehler werden auf der Basis von Katalogen kommentiert.
– Verfolgung von „Individuen“, erhöhte Servicefähigkeit: Das MES stellt tiefergehende Produkt- und Prozessinformationen zur Verfügung – sowohl qualitativ als auch quantitativ. Die Datenbasis der Produktinfos erhöht die Servicefähigkeit des Unternehmens. Nachdem der Kunde die ID des Produktes genannt hat, stehen dem Serviceteam sofort alle Informationen über die Merkmale des Produktes, die Produktionsdaten und Ergebnisse der Messungen zur Verfügung. Dadurch wird ein effizienter Kundensupport ermöglicht.
– Steuerung des Arbeitsprozesses: Der Produktionsprozess wird gesteuert, strukturiert geplant und ist nachvollziehbar. Für die Fertigung der Produkte und Produktvarianten erfolgt in der Regel im Arbeitsplan eine Beschreibung, welche Arbeitsfolge für die Produktion/Montage eines Produktes einzuhalten ist. Hierbei gibt es Arbeitsschritte, die technisch zwingend aufeinanderfolgen müssen, andere hingegen können parallel abgearbeitet werden. Das MES bildet dies Schritt für Schritt ab.
Durch die aufgezählten Argumente ist das MES sicherlich für nahezu jedes Unternehmen interessant. Warum aber „schrecken“ immer noch Unternehmen vor der Einführung des MES zurück? In den meisten Fällen dürfte es wahrscheinlich an der Angst vor der Bewältigung der Daten-Komplexität liegen.
Die kaufmännische Erfassung der Fertigstellung eines Produktes ist vergleichsweise einfach. Welche Arbeitsschritte damit verbunden waren, welche Messungen durchgeführt wurden und welche Ergebnisse diese hatten, erfasst die kaufmännische IT (PPS-System) in der Regel allerdings nicht. Welche Daten sind einzugeben ins System bevor das MES „läuft“? Die entscheidenden Dateneingaben sind mit der Steuerung und dem Ablauf des Arbeitsprozesses verbunden. Die Planung des Arbeitsprozesses beinhaltet das Einrichten …
– … der Arbeitsplätze mit Verknüpfung der jeweiligen Arbeitsmethoden (Messen, Prüfen, Montieren, …)
– … der Produkte (Produktvarianten)
– … der Arbeitspläne für einzelne Produkte (welcher Arbeitsschritt wird am Produkt an welchem Arbeitsplatz vorgenommen)
– … der Arbeitsanweisungen.
Das MES muss den unterschiedlichen Informationsbedürfnissen von Unternehmensmanagement, Support und Werkstatt auf jeder Ebene gerecht werden. So möchte das Management jederzeit aktuell über den Status der Auftragsbearbeitung, den Materialverbrauch, Zeitaufwendungen und die Qualitätsergebnisse wie First Pass Yield informiert sein. Für den weltweiten Support und das Servicenetz hingegen stehen für jedes gefertigte Gerät die Produkthistorie mit Herstellungsdaten, Prüfergebnissen und Einzelteilen im Vordergrund. Und in der Montagewerkstatt müssen Arbeitsablauf, Qualitätssicherung und papierlose Dokumentation der Arbeitsergebnisse gesteuert werden.
Da sie keinen Einblick darüber geben, was konkret in der Fertigung passiert, werden die in vielen Unternehmen eingesetzten PPS-Systeme den Anforderungen von Management, Support und Werkstatt nicht gerecht. Das PPS-System sorgt für die Bereitstellung von Material und Ressourcen, der Fertigungsablauf ist jedoch nur grob beschrieben. Die eigentliche Fertigung – also die Herstellung der Produkte – verbleibt somit in der Verantwortung der Arbeitsgruppe oder des einzelnen Mitarbeiters mit Unterstützung durch das MES.
Aufgrund der Bedeutung, die das Thema „Qualität“ mittlerweile in der Industrie genießt, überrascht es umso mehr, dass die Rückmeldung über die Produktqualität zumeist nicht aus den Systemen kommt. Stattdessen erfolgt die Rückmeldung im besseren Fall durch die interne Qualitätssicherung, im schlechteren Fall durch Reklamationen von Kunden oder dem Verkauf. In beiden Fällen sind aber eine ganze Reihe von Fragen zu beantworten: Wo genau liegt der Fehler? Wann wurde das fehlerhafte Gerät produziert? Wer hat montiert? Wer hat die Komponenten geliefert? Welche Ergebnisse ergaben die Zwischenprüfungen? Wie sieht das Abnahmeprotokoll aus?
Alle diese Fragen kann das MES in der Regel umgehend beantworten. Durch die Erweiterung der Datenbasis bei Einsatz eines MES werden die Chancen zur Fehlerfindung erheblich erhöht und somit ein wichtiger Beitrag zur Qualitätssicherung geleistet. Deshalb fällt es auch nicht schwer vorherzusagen, dass Manufacturing Execution Systeme (MES) mittelfristig eine wichtige Rolle im Qualitätsmanagement vieler Unternehmen übernehmen werden.
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