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QM im Doppelpack

Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit messen
QM im Doppelpack

Im Qualitätsmanagement hat sich die seriöse und professionelle Durchführung von Mitarbeiter- und Kundenbefragungen in den vergangenen Jahren immer stärker etabliert. Während die Mitarbeiterbefragung als Analyse-Instrument zuvor insbesondere von den Personalabteilungen initiiert wurde und die Kundenbefragung das Aktionsfeld von Marketing und Vertrieb war, erleben viele Unternehmen derzeit eine Verschiebung der Verantwortlichkeiten: Mitarbeiter- und Kundenbefragungen wandern immer häufiger komplett in die QM-Abteilungen.

Dr. Christian Ernst, Institut für Personalforschung, Bonn

Dies ist mit einer großen Chance verbunden, meint Dr. Christian Ernst vom Institut für Personalforschung. Er hat mit seinem Bonner Institut eine Methodik entwickelt, die zu einer Integration der Kunden- und Mitarbeiterbefragung führt.
„Wir sprechen von Zwillingsbefragung, wenn wir eine parallele Mitarbeiter- und Kundenbefragung durchführen. Der Vorteil dieser dualen Analyse liegt nach Dr. Ernst darin, dass die frühere getrennte Wahrnehmung von Mitarbeiter- und Kundenwünschen durch eine ganzheitliche Betrachtung der Unternehmenssituation ersetzt wird. Und dabei seien die bedeutsamsten Zielgruppen jedes Unternehmens, die Kunden und Mitarbeiter, gleichermaßen involviert,“ betont Ernst. Ziel der kombinierten Mitarbeiter- und Kundenbefragung ist es, Unternehmens- und Personalentscheidungen nicht „aus dem Bauch“ heraus zu fällen, sondern ein analytisches Instrument bereit zu stellen, das eine sachliche Basis für die Entscheidungsfindung der Unternehmensleitung sicherstellt. Dabei werden durch die Zwillingsbefragung zwei QM-Prozesse synchronisiert, die sonst häufig parallel in verschiedenen Abteilungen geplant und gesteuert werden. Die Qualitätsbeauftragten der Unternehmen haben im Rahmen der Zwillingsbefragung die Chance, einen ganzheitlichen Verbesserungs- und Qualitätsprozess zu gestalten, Mitarbeiter- und Kundensicht miteinander in Beziehung zu setzen und dabei auch noch Projektkosten einzusparen. Dies ermöglicht ein differenzierteres Bild der Möglichkeiten von Qualitätssteigerungen. Im Rahmen der Zielsetzung des Qualitätsmanagements nach DIN ISO, EFQM, TQM etc., eine nachweisbare Kunden- und Mitarbeiterorientierung zu gewährleisten, entsteht ein Frühwarnsystem, wenn beide Analyse-Instrumente parallel geschaltet werden. Durch die gleichzeitige Bestandsaufnahme der Kundenzufriedenheit sowie der Stimmungen und Vorgänge im Betrieb erhält die Unternehmensentwicklung gezielte Impulse. Interessant ist dabei auch der durch die Zwillingsbefragungen mögliche Längsschnittvergleich über die Jahre, weil der Erfolg von Maßnahmen konkret abgelesen werden kann. So wird durch das Projekt zugleich ein hoher Mobilisierungs- und Motivationseffekt bei Kunden und Mitarbeitern erreicht. Trotz der Vorteile einer parallelen Kunden- und Personalbefragung lassen sich gewichtige Unterschiede in der Zielsetzung und Gestaltung der Analysen erkennen:
Verschiedenartige Anforderungen
Die Kundenbefragung muss im Projektdesign nach teilweise anderen Gesichtspunkten als die Personalbefragung gestaltet werden. Während die Analyse der Mitarbeiterzufriedenheit häufig standardisiert wird, um u.a. Benchmarking-Möglichkeiten wahrnehmen zu können, ist die Kundenbefragung im Regelfall stärker zu individualisieren. Die Kundenanalyse wird dabei exakt auf die jeweiligen (Branchen-) Kundenstruktur ausgerichtet. Der Kunde muss erkennen, dass er mit seiner individuellen Bedürfnislage und seinen eigenen Erwartungen im Rahmen der Befragung ernst genommen wird. Die Demonstration von Kundenorientierung und die Analyse der Kundenstruktur und -zufriedenheit sind zwei Zielaspekte der Kundenbefragung.
Sensible Zielgruppe
Die Zielgruppe der Kunden ist dabei noch sensibler anzusprechen als die Belegschaft eines Unternehmens. Die Kunden sind stärker außerhalb des direkten Zugriffs. Während Mitarbeiter sich schnell an eine routinemäßige jährliche Durchführung einer Befragung gewöhnen, führt ein zu kurzer Befragungsrhythmus bei Kunden schnell zu Demotivation ob der „lästigen Fragen“ des Lieferanten bzw. Dienstleisters. Und während bei der Mitarbeiterbefragung die Anonymität der Daten häufig oberste Priorität genießen muss, liegt der Fall bei der Kundenanalyse anders: Hier steht meist eine klare Identifizierung der Zufriedenheit und Unzufriedenheit jedes einzelnen Kunden im Fokus der Betrachtung. Dies gilt umso mehr, wenn geplant ist, die Daten in eine Kundendatenbank oder ein Customer Relationship System zu übernehmen. Dafür bietet die Kundenbefragung eine hervorragende Ausgangsbasis, weil sie eine Datenfülle liefert, die sonst durch Vertrieb und Marketing erst mühsam aufgebaut werden muss. Zudem fehlen heute in vielen Kundendatenbanken Zufriedenheitswerte, weil die Datenbanken sich lediglich auf Kunden- und Strukturdaten stützen.
Anreize schaffen
Der Kunde hat meist kein besonderes Eigeninteresse, sich zu seiner Zufriedenheit mit den Produkt- und Serviceangeboten des Unternehmens zu äußern. Deshalb muss bei der Kundenbefragung Wert auf ein gutes Marketing und das Ausloben von Incentives gelegt werden. Die Mallorca-Reise, ein Computer der neuesten Generation oder eine modische Uhr sind beispielsweise Sachpreise, die für die (besonders schnelle) Rücksendung des Fragebogens geboten werden.
Die richtigen Fragen stellen
Das gesamte Projekt lebt von der richtigen Fragestellung. Versäumnisse in der Konstruktion des Fragebogens bzw. Interviewleitfadens können später nicht wieder wettgemacht werden. Was nicht gefragt wird, kann nicht ausgewertet werden. Zudem ist es wichtig, die Fragen verständlich zu formulieren und sie sauber gegeneinander abzugrenzen. Antwortvorgaben und Skalierung müssen der spezifischen Fragestellung entsprechen. Da für die Durchführung der Befragungen statistische Kenntnisse erforderlich sind, wird allgemein empfohlen, auf erfahrene Experten zurückzugreifen, um die Professionalität der Analyse sicherzustellen. Ein weiterer Unterschied zwischen Personal- und Kundenbefragung liegt in der methodischen Gestaltung. Die Mitarbeiterbefragung findet meist als schriftliche Befragung (oder mittlerweile auch zunehmend als Online-Befragung) statt, während die Kundenbefragung deutlich stärker interviewbasiert erfolgt. Häufig werden auch Mischformen angewendet: z.B. eine grundlegende schriftliche Befragung mit anschließender telefonischer „Nachfass-Aktion“. Nicht selten finden Kundenbefragungen jedoch komplett als Telefon- oder Gesprächsinterview statt. Dabei ist eine geschickte Gesprächsführung besonders wichtig, so dass die Schulung der Interviewer höchste Beachtung genießen sollte. Auch im Umfang der Befragung sind deutliche Unterschiede auszumachen. Eine Mitarbeiterbefragung kann im Regelfall gegenüber der Kundenbefragung ungefähr das doppelte Volumen umfassen. Eine schriftliche Befragung sollte drei Seiten, wenn sie sich an die Kunden richtet, und sechs Seiten, wenn sie die Zufriedenheit der Mitarbeiter analysiert, nicht überschreiten. Auch der Zeitrahmen differiert: Während die Befragung der Belegschaft im Idealfall nur wenige Tage andauert, weil die Mitarbeiter systematisch im Unternehmen befragt werden („classroom approach“), nimmt die Befragung der Kunden aufgrund der meist räumlichen Distanz – unabhängig von der Methodik – deutlich mehr Zeit in Anspruch. Manche Unternehmen sammeln über Monate das Feedback der Kunden, bis eine Auswertung der Fragebögen durchgeführt werden kann. Trotz verschiedenartigen Zielsetzungen und unterschiedlicher Methoden überwiegen die Vorteile einer parallelen Analyse von Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit. Denn durch die „Zwillingsbefragung“ und die damit ermöglichte zweidimensionale Sicht entsteht ein besonders guter Nährboden für eine erfolgreiche Qualitätssteigerung. Das Maßnahmenbündel erstreckt sich von Veränderungen der Aufbau- und Ablauforganisation, Produkt- und Dienstleistungsveränderungen, einer modifizierten Kundenkommunikation bis hin zu identifizierten Führungsdefiziten. Die Chance der Zwillingsbefragung besteht aber auch da-rin, dass durch die parallele Durchführung Projektkosten deutlich reduziert, Projektprozesse vereinfacht und vielschichtigere Erkenntnisse gewonnen werden. Kostengünstiger und effizienter ist die Analyse also deshalb, weil zwei bisher voneinander abgekoppelte Qualitätsprozesse (mit separater Maßnahmenplanung) nunmehr integriert werden. Und dies ist besonders dadurch möglich, dass die Analysen von den Fachabteilungen (Personal, Marketing, Vertrieb) in die Hände des Qualitätsmanagers gelegt werden, der als übergeordnete Unternehmensfunktion eine ganzheitliche Sichtweise ermöglicht. Bei Dr. Ernst vom Institut für Personalforschung klingt das so: „Wer glaubt denn nicht, dass die Mitarbeiter und Kunden gemeinsam am besten wissen, worauf es ankommt?!“
10 Prozessschritte der Personal- und Kundenbefragung
  • 1. Projektziel definieren: Was will ich erreichen? (Ggf. Gründung einer Arbeitsgruppe zur Projektsteuerung). Was ist dafür die richtige Methodik?
  • 2. Erarbeitung des Fragebogens bzw. Interviewleitfadens: Inhalt, Umfang, Fragenkonstruktion
  • 3. Organisatorische Vorbereitung: z.B. Adressdatei vorbereiten, Incentives planen, Druck der Fragebögen, Einbindung des Betriebsrates, Vorinformation der Mitarbeiter und Kunden etc.
  • 4. Durchführung der Befragungen und Rücklaufkontrolle (ggf. Nachfassaktion)
  • 5. Datenerfassung in EDV (statistische Software, z.B. SPSS)
  • 6. Datenauswertung (Häufigkeitsverteilung, Validitätstest, Korrelationsanalyse)
  • 7. Differenzierung der Ergebnisse nach relevanten Kriterien (Unternehmensbereiche, Abteilungen, Kundensegmente etc.)
  • 8. Erstellung der Ergebnisgutachten, mit übersichtlichen graphischen Darstellungen
  • 9. Ergebnisinterpretation („Was steckt hinter den Zahlen? Wie sind die Ergebnisse begündet?“)
  • 10. Maßnahmenplanung und -realisierung
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