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QM-Systeme reagieren auf Risiken

Revision der EN 9100
QM-Systeme reagieren auf Risiken

QM-Systeme reagieren auf Risiken
In der Luftfahrtbranche werden die weltweiten Lieferketten und Produktionsbedingungen verzweigter und engmaschiger Bild: Airbus
Die enormen Fertigungsraten der Luftfahrtindustrie lassen die Anforderungen an die Qualitätssicherung der Lieferkette steigen. Ende 2016 ist die Neuauflage der Qualitätsmanagement-Norm EN 9100 geplant. Diese bringt unter anderem wichtige Änderungen im Risikomanagement.

Um die große Nachfrage abzuarbeiten, stellt die Luftfahrtindustrie von Einzel- auf Serienfertigung um. Dadurch werden die weltweiten Lieferketten und Produktionsbedingungen verzweigter und engmaschiger. Zulieferer qualitätsgesichert zu steuern und Lieferengpässe zu vermeiden, wird zum Schlüssel für eine reibungslose Produktion in der Luftfahrt. Vor diesem Hintergrund ist die für Ende 2016 geplante Neuauflage der QM-Norm EN 9100 zu sehen. Alle zertifizierten QM-Systeme in der Luftfahrt-, Raumfahrt und Verteidigungsindustrie müssen nach ihr aufgestellt sein.

Die grundlegende Neuerung der Norm ist eine übergeordnete Struktur (High Level Structure) in zehn Abschnitten, abgeleitet aus der ebenfalls revidierten Mutter aller QM-Systeme — der ISO 9001:2015. Demnach sind alle ISO-Standards einheitlich aufgebaut, um die Kompatibilität mit anderen Managementsystemen zu vereinfachen. Die Folgen sind unter anderem Anpassungen im Wissens- und Risikomanagement sowie ein globalerer Blick auf die involvierten Parteien.
Ein intensiveres Augenmerk der neuen Norm liegt auf Fremdkörpern, die Schäden an Flugzeugen verursachen können, so genannte Foreign Object Damage (FOD). Zum Beispiel bergen immer leistungsfähigere Triebwerke die Gefahr, dass durch die enormen Luftmengen selbst kleinste Fremdkörper in die Triebwerke eingesaugt werden und dort Schäden verursachen können. Um dies zu vermeiden, verlangt die Norm Präventionsmaßnahmen in allen Produktions- und Reparaturbereichen. Beschäftigte müssen das Bewusstsein für eine hohe Arbeitsdisziplin entwickeln, um Gefahren durch Fremdkörper zu erkennen und zu beseitigen.
Organisations- und operative Risiken
Weitere Neuerungen der QM-Norm resultieren aus den Kriterien „Risikobasiertes Denken“ (Actions to adress risk an opportunity) und „Vermeidung gefälschter Bauteile“ (Control of externally provided processes, products & services). Während der Aspekt Risikomanagement in der ISO 9001 relativ neu ist, enthält ihn die EN 9100 schon länger. Allerdings verlangt die überarbeite EN 9100, dass Risiken noch umfassender zu identifizieren sind. Gemeint sind sowohl die Organisationsrisiken, die mit neuen Kunden, dem Eintritt in neue Märkte oder mit Kooperationen verbunden sind, als auch die operationellen Risiken. Sie sind künftig umfassender als bisher zu bewerten — etwa bei der Einführung neuer Technologien oder bei der Lieferantenauswahl. Hierzu gehört auch der Aspekt Exportkontrolle und die damit verbundene Bewertung, ob möglicherweise ein doppelter – ziviler und militärischer – Verwendungszweck besteht (Duale Use Verordnung EU 428/2009).
Zwar wird der Faktor Mensch in der Luftfahrt schon seit längerem stark thematisiert, doch hatte dieser Aspekt bisher in der EN 9100-Reihe keinen Eingang gefunden. Das wird sich mit der Revision ändern. Ein Grund ist, dass bei Fehleranalysen oft voreilig der Mensch identifiziert wurde, ohne umfassend zu hinterfragen, wie das Zusammenwirken von Mensch, Maschine und anderen Faktoren zu verbessern ist. Beispiel ist die Werkerselbstprüfung. Diese umgeht das Vier-Augenprinzip, wodurch sich oftmals dieselben Fehler wiederholen.
Abwehr gefälschter Bauteile
Ebenfalls neu in der revidierten Fassung der EN 9100 sind detaillierte Anforderungen zur Abwehr gefälschter Bauteile. Zwar wird der Großteil der im Umlauf befindlichen gefälschten Bauteile auf der Ebene der OEMs und der Zulieferebene 1 (Module, Systeme) infolge der behördlichen Überwachung aufgedeckt. Doch die meisten gefälschten Bauteile stammen aus den tieferliegenden Zulieferebenen und dem Komponentenhandel. Diese Ebenen werden nicht behördlich überwacht. Daher ist seitens des Qualitätsmanagements eine hohe Sensibilität gefragt, worauf die EN 9100 reagiert.
Gefordert werden einzelne Prozesse, die speziell darauf ausgerichtet sind, das Beschaffungsrisiko in seinen vielschichtigen Wechselwirkungen zu erkennen und geeignete Maßnahmen zur Überwachung einzurichten. Hierzu zählt auch eine Reporting-Struktur, die sicherstellt, dass ein Vorfall umgehend an die relevanten Behörden und geeigneten Brancheninformationsdienste gemeldet wird.
Die neue Struktur wird künftig für alle ISO-Standards gelten. Damit entsteht eine hohe Kompatibilität mit anderen QM-Systemen – bis hin zu der Möglichkeit, ein einziges, integriertes Qualitätsmanagement zu implementieren. Darüber hinaus erstrecken sich die Risikoanalysen künftig über die gesamte Organisation und ihre Interaktion mit dem Markt. So lassen sich mögliche Schwachstellen in der Lieferkette schneller erkennen. ■

Der Autor

40250277

Michael Rotzsche
Auditor für QM-Systeme im Bereich Luftfahrt
Dekra Certification

Über die Norm
Die Normenreihe EN 9100 ist spezifiziert für die Bereiche Entwicklung, Produktion, Montage und Wartung (EN 9100), Wartungsorganisationen (EN 9110) sowie Händler und Lagerhalter (EN 9120 . Außerdem ist die EN 9100 Standard für die Aufnahme in die Lieferanten-Datenbank OASIS (Online Aerospace Supplier Information System).
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