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Qualität hören

Automatisierte Klangprüfung
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Die Klangprüfung eignet sich für zahlreiche Produkte als wirtschaftliche Qualitätskontrolle. Die eingesetzten Verfahren sind erprobt, die Klangprüfverfahren werden regelmäßig weiterentwickelt. Darunter fällt auch Anovis, eine industrieerprobte Systemplattform zur Klangprüfung. Durch den Einsatz innovativer Verfahren zur Signalanalyse und Ergebnisbewertung lässt sich die Klangprüfung einfach, schnell und dennoch zuverlässig an Produktvarianten anpassen. In verschiedenen Anwendungen kann die Klangprüfung als ein Modul in ein Gesamtprüfsystem eingebunden werden. Dort ergänzen sich Klangprüfung und zum Beispiel Oberflächen- und Farbprüfsysteme.

Dipl.-Ing., Dipl.-Kfm. Horst Jonuscheit, stellv. Geschäftsführer, Medav Digitale Signalverarbeitung GmbH

Die Klangprüfung ist in verschiedenen Branchen eingeführt. Über den Klang kann die Qualität vieler Produkte bewertet werden. Dies erfordert, dass Fehler „hörbar“ sind und demnach über das Schwingungsverhalten erfasst werden können. Feine Risse wie Haarrisse sind besonders gut hörbar. Aber auch abgebrochene Ecken und Kanten werden detektiert.
Als Prüfverfahren ist die Klangprüfung nicht neu. Sie hat sich in manchen Branchen über Jahrzehnte bewährt. Neben ihr etablierten sich aber auch konkurrierende Verfahren wie Wirbelstrom- und Bildverarbeitung. Die Vorteile der Klangprüfung sind jedoch überzeugend:
l kurze Prüfzyklen,
l einfaches Verständnis des Prüfverfahrens,
l 100% Test des Prüflings ohne aufwendi- ge Handhabungstechnik,
l reproduzierbare und objektive
Bewertung,
l preisgünstige Systemlösungen.
Häufig steht die Automatisierung des traditionellen manuellen Verfahrens im Mittelpunkt eines Investitionsvorhabens. Um nicht zuletzt auch die „alte“ Flexibilität des Sortierpersonals beizubehalten, stellen sich hohe Anforderungen an den Automaten. Wesentliche Kriterien sind:
l Zuverlässigkeit des Prüfverfahrens,
l hohe Anlagenverfügbarkeit,
l ausreichend Durchsatz,
l schnelle Anpassung an Produktvarianten und neue Produkte,
l einfaches Bedienkonzept,
l geringer Wartungsaufwand,
l Produktionsdokumentation,
l Erkennung von Serienfehlern.
Die Automatisierung des Prüfvorgangs darf zu keiner Behinderung in der Produktion führen. Dies gilt für die Betriebssicherheit ebenso wie für den Durchsatz, damit das Prüfsystem nicht zum Flaschenhals wird. Viele Unternehmen entgegnen dem hohen Wettbewerbsdruck mit kundenspezifischen Produktvarianten. Die Produktionsumstellung sollte möglichst schnell erfolgen. Bei verschiedenen Produkten sollte keine Umrüstung an der Sortierlinie nötig sein und das Prüfsystem sollte dem Produktionstakt folgend umgerüstet werden. Neue Produkte sollten möglichst mit dem gleichen Prüfsystem geprüft werden. Dies erfordert ein hohes Maß an Flexibilität und Adaptionsmöglichkeiten. Das Klangprüfsystem Anovis setzt dafür trainierbare Systeme auf Basis neuronaler Netze ein.
Nicht zuletzt hat das Bedieninterface Einfluss auf die Akzeptanz von Prüfsystemen. Es sind hierbei unterschiedliche Anwender zu unterscheiden. Während der Messtechnikexperte das System gegebenenfalls parametrieren kann und entsprechende Eingabeeinheiten unterstützt werden müssen, erfordert der Schichtführer eine möglichst einfache Bedieneinheit.
Ein wichtiger Aspekt besteht in der Wartung des Prüfsystems. Ein mechanische und elektronische Komponenten umfassendes Prüfsystem muss wartbar und zugleich wartungsarm sein. Die Wartung der mechanischen Komponenten umfasst insbesondere die Anklopfmechanik. Es ist regelmäßig zu überprüfen, ob Anschlagkraft und Anschlagort stabil sind. Die eingesetzte Sensorik erfordert ein Konzept zur Kalibrierung der gesamten Signalerfassungseinheit. Ein Mindestmaß an Wartung zur Sicherung der Systemzuverlässigkeit ist nötig.
Komponenten eines Klangprüfsystems
Bild 1 zeigt ein Klangprüfsystem mit Anschlagvorrichtung in schematischer Darstellung. Die gesamte Prüfung erfolgt während des Durchlaufs durch die Prüfzelle. Nach Einlaufen des Prüflings wird dieser akustisch erregt. Die Anschlagvorrichtung ist produktabhängig. Die eingesetzte Sensorik, im Bild ein Mikrofon, erfasst den Schall und leitet diesen zum Klangprüfrechner. Die Analyse des Schalls erfolgt online in Echtzeit. In Abhängigkeit des Prüfergebnisses wird der Prüfling nach Verlassen der Prüfzelle sortiert. Die gesamte Prüfzelle kann zur Lärmminderung in der Halle und zur Reduzierung von Fremdgeräuscheinwirkungen akustisch gekapselt sein.
Eine Variante zur Realisierung des Prüfsystems zeigt Bild 2. Schüttgut wird in einen Schneckenförderer eingebracht. Durch eine Vereinzelung innerhalb des Schneckenförderers wird der Prüfling über ein Band in das Prüffeld geführt, wo er aus einer Höhe von ca. 40 cm auf eine Platte fällt. Ein Mikrofon erfasst das entstehende Aufschlaggeräusch. Während der Auswertung des Geräusches rollt der Prüfling in eine Auffangschale. Von dort wird er je nach Prüfergebnis sortiert.
Trainierbare Systeme
Sortiersysteme müssen häufig flexibel einsetzbar sein. Die gegebene Produktvielfalt und der Wunsch, auch neue Produkte testen zu können, erfordern ein hohes Maß an Adaptionsfähigkeit. Kurze Umrüstzeiten sowie geringer (Software-) Engineeringaufwand sind daher gefordert.
Dieser Hersteller setzt deshalb auf trainierbare Systeme. Das Prüfsystem erlernt anhand von ausgewählten Mustern für die verschiedenen Qualitätsstufen (im einfachsten Falle nur Gut- und Schlecht-Muster) die Unterscheidung selbständig. Das für diese Anwendung wichtigste Verfahren auf Trainingsbasis sind neuronale Netze. Nachfolgend werden Grundlagen des Verfahrens vorgestellt und auf Probleme im Praxiseinsatz eingegangen:
Um die Komplexität realer Messaufgaben mathematisch (handlich) beschreiben zu können, trifft man üblicherweise vereinfachte Annahmen. Dies führt zu einer beliebig unrealistischen Betrachtungsweise des Systems.
Traditionelle Verfahren zur Systemmodellierung werden häufig dann unhandlich oder praktisch unlösbar, wenn das zugrunde liegende System nicht mehr ausreichend linear approximiert werden kann oder wenn viele Messgrößen gleichzeitig zu betrachten sind.
Automatische, trainierbare Klassifikatoren umgehen die Nachteile dieser traditionellen Verfahren, wie es etwa neuronale Netze sind. Bild 3 zeigt das Blockschaltbild zur Beschreibung des eingesetzten Verfahrens, dessen einzelne Blöcke nachfolgend beschrieben werden:
Sensor
Die Auswahl der Sensoren ist häufig schwierig und erfordert das Know-how von Prüfer und Messtechniker. Bei der Sensorauswahl sind zum Beispiel Aspekte zur Identifikation und Häufigkeit der Schäden und ihrer Bedeutung für die Klassifikation, der Zugänglichkeit (zum Beispiel berührungslose Messung) und Plazierung zu berücksichtigen.
Die technisch-wirtschaftliche Bewertung dieser Faktoren unter Beachtung der gegenseitigen Interdependenzen führt zur Auswahl eines konkreten Sensormodells.
Daneben benötigt man bei Messungen an Aggregaten verschiedene weitere Sensoren für die Erfassung von Betriebsdaten für Temperatur, Drehzahl, Leistung, usw. Auch diese Signale können für die Klassifikationsaufgabe von großer Bedeutung sein.
Signalvorverarbeitung
Im Block „Signalvorverarbeitung“ sind die erforderlichen Aufgaben zusammengefasst, die standardmäßig für die Konditionierung des Sensorsignals, der Abtastung und AD-Umsetzung anfallen. Hier erfolgt die zeitliche Segmentierung des Sensorsignals.
Weitere signalmanipulierende Verfahren zur Unterstützung anschließender Analysefunktionen wie Fenster- oder Filteroperationen können sich anschließen.
Merkmalsextraktion
Die Merkmalsextraktion bereitet die signifikanten Merkmale im Signal in bezug auf die nachfolgend im Klassifikator durchzuführende Unterscheidung verschiedener Systemzustände vor. Das Eingangssignal für den Block „Merkmalsextraktion“ repräsentiert das (manipulierte) digitale Zeitsignal. Den Ausgang dieser Stufe stellt der Merkmalsvektor dar.
Zur Merkmalsextraktion werden Signalanalyseverfahren aus dem Zeitbereich (z. B. Auto-/Kreuzkorrelation, Leistung, Spitzenwerte), dem Frequenzbereich (z. B. FFT, Wigner-Verteilung, wavelets, Ordnungsanalyse, Trackingfilter, Zyklostationarität), statistische Parameter (z. B. Erwartungswert, Varianz, Mittelwerte höherer Ordnung) eingesetzt.
Merkmalsvektoren beinhalten Signalanalyseergebnisse und Betriebsdaten, sofern diese aufgabenspezifisch benötigt werden. Hierfür eignen sich zweckmäßige Tools für die Untersuchung im Labor sehr.
Klassifikation
Die Klassifikation erfolgt mit neuronalen Netzen. Davon gibt es mehrere Typen, die für sich alle Vor- und Nachteile haben. Neuronale Netze dienen der statistischen Mustererkennung und sind sehr wesentlich für das vorgestellte System. Daher folgt eine kurze Erläuterung ihrer prinzipiellen Funktionsweise.
In einem Trainingsprozess werden dem Klassifikator Mustersignale vorgegeben, die der Anwender vorab einem Zustand zugeordnet (klassifiziert) hat. Der Klassifikator stellt dann in der Trainingsphase seine Gewichtskoeffizienten so ein, dass er die (bekannten) Klassifikationsergebnisse möglichst gut reproduzieren kann. Dies geschieht im allgemeinen so, dass er um Konzentrationen von Messpunkten geometrische Figuren, (z. B. n-dimensionale) Kugeln, legt. Im Falle von Kugeln werden dann die Durchmesser der einzelnen Kugeln so bestimmt, dass es keine Überschneidungen zwischen verschiedenen Kugeln gibt, die unterschiedliche Zustände repräsentieren.
Es gibt unterschiedliche neuronale Netz-Strukturen und verschiedene Strategien des Trainierens und Trainingsverfahren:
l Einlagiges Perceptron: Dieses Netz eignet sich relativ gut für einfache Aufgabenstellungen. Allerdings müssen die zu unterscheidenden Zustände durch Ebenen im Zustandsraum separierbar sein.
l Zweilagiges Perceptron: Theoretisch eignet sich dieses Verfahren zur Lösung aller Klassifikationsaufgaben. In der Praxis finden aufgrund der hohen EDV-Anforderungen häufig andere neuronale Netz-Strukturen Anwendung.
l Nearest Neighbour Network-Methoden: Diese Verfahren unterstützen die Clusterbildung der einzelnen Zustände gut. In der Praxis haben sich verschiedene Varianten bewährt. Die einzelnen Systemzustände werden durch Klassifikation der Merkmale identifiziert. Hervorzuheben ist, dass bereits am Ausgang des Klassifikators die Datenrate massiv reduziert ist. Werden zum Beispiel Audiosignale mit einer Abtastfrequenz von 48 kHz mit 16 bit Auflösung abgetastet und beträgt die Analysezeit eines Anschlages zwei Sekunden, fallen nach der AD-Umsetzung insgesamt 96 kWorte an Daten an. Das Ergebnis der Klassifikation ist üblicherweise ein Klassenindex, das Datenreduktionsverhältnis beträgt damit 96 000 zu 1.
Wissensbasierte Interpretation
Die einzelnen Systemzustände werden am Eingang der Stufe zur wissensbasierten Interpretation durch eine Klassenangabe repräsentiert, die auf verfügbarem Expertenwissen aufbaut. Dieses Expertenwissen wurde in der Trainingsphase dem System eingelernt. Die Verwendung sogenannter Rückweisungsklassen ermöglicht es, „unbekannte“ Systemzustände zu identifizieren.
Hohe Anforderungen sind an die Verwaltung der Messdaten, insbesondere der Trainingsdaten, zu stellen. Das Klassifikationssystem ist in seiner Güte durch die Wahl der repräsentativen Muster für den Trainingsprozess zu beeinflussen. Es ist daher zweckmäßig, diese Trainingsdaten ausreichend dokumentiert in einer Datenbank aufzubewahren.
Die Auswahl der Trainingsmuster ist für die Zuverlässigkeit des Klassifizierers wichtig. Die Muster müssen für die gesamte Fertigungsstreubreite repräsentativ sein. Für die Dachziegelprüfer bedeutet dies konkret die Auswahl der Trainingsmuster über ein bis zwei Verschleißperioden der Presseinsätze.
Treten „schleichende“ Veränderungen am Produkt auf, zum Beispiel durch Änderungen in der Rohstoffkomposition von Dachziegeln, so kann dies dazu führen, dass über einen Zeitraum von mehreren Wochen hinweg das Training mit neuen Ziegeln wiederholt werden muss. Um diesen Effekt zu vermeiden, arbeitet das Unternehmen an Projekten zur automatischen Adaption an den zuverlässigen Fertigungstrend.
Systemplattform Anovis
Die Systemplattform Anovis dient als Prüfrechner für den industriellen Einsatz. Der Systemaufbau umfasst eine abgesetzte Signalerfassungs- / Signalverarbeitungseinheit (Bild 4) und einen PC. Das Messsignal wird sensornah digitalisiert und ausgewertet. Deshalb können Signalstörungen erfolgreich vermieden werden. Der PC dient als Bedien- und Visualisierungseinheit. Die multimedialen Möglichkeiten wie Internet oder Intranet, die Vernetzung von Rechnern, wie sie heute mit einem PC verbunden sind, können genutzt werden. Zusätzlich stehen über die PC-Technik auch erhebliche Freiheitsgrade für Schnittstellen wie SPS oder spezielle BUS-Systeme zur Verfügung.
Anovis unterstützt in der Standardausführung eine zweikanalige Signalerfassung. Ein digitaler Signalprozessor übernimmt die Aufgaben zur Signalverarbeitung und Qualitätsbewertung. Die Ergebnisauswertung kann unmittelbar über die abgesetzte Signalverarbeitungseinheit erfolgen. Alternativ kann der PC eingesetzt werden.
Die typische Analysezeit des Prüfrechners für eine Prüfung liegt unter einer Sekunde. Damit können rund 60 Teile pro Minute geprüft werden. Anwendungsbedingt lassen sich auch höhere Taktgeschwindigkeiten unterstützen. Bild 5 zeigt das online-Ergebnispanel, bei dem neben der Signaldarstellung auch eine Produktionsstatistik dargestellt wird.
Anwendungsbeispiele
Die mit Klangprüfung prüfbaren Produkte und dazu passende Sytemrealisierungen, insbesondere im Hinblick auf die Handhabungstechnik, sind zahlreich. Häufig ist auch ein gewisses Maß an Ideen erforderlich, damit unter wirtschaftlichen Bedingungen eine Industrielösung aufgebaut werden kann. Die Bilder 3 und 7 zeigen beispielhaft drei Anwendungen, die sich im industriellen Einsatz bewährt haben.
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