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Qualitätssicherung bei Buderus Edelstahl

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Qualitätssicherung bei Buderus Edelstahl

Ohne Stahl hätten wir keine Olympiastadien, Windkraftanlagen, Brücken, Hochhäuser, Züge, Flugzeuge, Autos, Rasierklingen oder Messer für Medizin und Haushalt – zumindest nicht in der Qualität und Ausführung, wie wir sie heute kennen. Die Buderus Edelstahl GmbH in Wetzlar gehört weltweit zu den führenden Edelstahlproduzenten. Das firmeneigene akkreditierte Prüflabor gewährleistet dabei höchste Qualitätsstandards. Dabei setzt Buderus Edelstahl auch auf Mikroskope und Digitalkameras von Leica Microsystems. Der Beitrag erläutert die Anforderungen an die Qualitätssicherung und welche Rolle die Lichtmikroskopie sowie die Bilddokumentation dabei spielen.

Herr Wörner, sehen Sie potentielle Konkurrenten zum Werkstoff Stahl in absehbarer Zeit dessen Rolle übernehmen?

Ein ganz klares Nein. In einigen Spezialanwendungen, wo man Gewicht einsparen will, werden heute anstelle von Stahl beispielsweise keramische Werkstoffe oder Titanlegierungen eingesetzt. Im Gegenzug entwickeln die Stahlhersteller jedes Jahr unzählige neue Stahlsorten für spezielle Anforderungen. Einen Ersatz für Stahl wird es auf absehbare Zeit nicht geben.
Herr Wörner, viele Ihrer Produkte sind sicherheitsrelevante Bauteile. Was bedeutet dies für Ihre Qualitätssicherung?
Ohne Konformität zu höchsten Qualitätsstandards würden wir nicht zu den Spitzenunternehmen weltweit gehören. Als akkreditiertes Prüflabor unterliegen wir strengen Anforderungen und Auflagen und können so Zuverlässigkeit, Objektivität und Genauigkeit unserer Ergebnisse gewährleisten – unabhängig davon, ob wir unsere eigenen Produkte während der Herstellungsprozesse prüfen oder beispielsweise Schadenuntersuchungen und Gutachten im Auftrag des Kunden durchführen. Die Qualitätssicherung beginnt bereits bei der Erschmelzung des Stahls. Die chemische Zusammensetzung der Schmelze, der so genannten Charge, ist grundlegend für das Werkstoffverhalten in der gesamten weiteren Fertigung. Durch zerstörungsfreie Prüfung mit Ultraschall wird das Bauteilinnere auf Fehler untersucht und die Oberflächen werden mittels Magnetpulverprüfung oder Farbeindringverfahren auf feinste Risse geprüft. Die mechanische Erprobung sowie Reinheitsgraduntersuchungen und Gefügeanalysen unter dem Mikroskop an Proben aus definierten Prüfpositionen der Bauteile liefern weitere Daten über die Eigenschaften der Erzeugnisse. Art und Anzahl der Proben an den verschiedenen Prüfpositionen hängen natürlich vom Bauteil ab. Zur Gewinnung weiterer Erkenntnisse von Prozesseinflüssen lassen wir gezielt entnommene Proben auch am Rasterelektronenmikroskop analysieren. Zum Beispiel sind Generator- und Turbinenwellen mit bis zu 70 Tonnen Gewicht aufwändige Einzelstücke aus unserer Freiformschmiede. Sie werden während des langen Herstellungsprozesses intensiv geprüft. Wenn dort Fehler erst zum Schluss gefunden werden, ist neben dem finanziellen Schaden auch die Reputation bei den Kunden in Frage gestellt. Der Zeitaufwand der Qualitätsprüfung ist dabei nicht unerheblich. Eine Ultraschallprüfung an einer großen Generatorwelle dauert je nach Umfang der Prüfpositionen zwischen drei und fünf Tagen. Hierbei muss alles dokumentiert werden, selbst Gefügeeffekte, die unter einer kritischen Größe liegen müssen registriert werden. Für die mechanischen und mikroskopischen Prüfungen benötigen wir meist ein bis zwei Tage. Dabei fällt der größte Aufwand auf die Probenentnahme und die Präparation. Alle Prüfergebnisse zu den vom Kunden definierten Kriterien fließen am Ende in ein Zeugnis ein, das der Kunde zusammen mit seinem Bauteil erhält.
Welche Rolle spielen Lichtmikroskopie und Bildanalyse bei der Qualitätssicherung Ihrer Stahlprodukte?
Hochwertige Lichtmikroskope und Bildanalysesoftware kommen vor allem bei den Produkten – ob gewalzt oder geschmiedet – ins Spiel, bei denen der mikroskopische Reinheitsgrad entscheidend ist. Der Name Edelstahl bezieht sich ja auf die Reinheit, also auf mikroskopische Einschlüsse. Mikroskopische Gefügeuntersuchungen, die wir zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Fertigung durchführen, gehören ebenfalls zum Standard. Wir setzen dabei unter anderem Stereomikroskope und hochauflösende Mikroskope mit entsprechenden Digitalkameras von Leica Microsystems sein. Mit dem Unternehmen arbeiten wir seit Jahrzehnten zusammen – was nicht nur mit der räumlichen Nähe in Wetzlar zusammenhängt, sondern auch mit den guten Erfahrungen, die wir mit den Produkten gemacht haben, sowie den engen persönlichen Kontakt mit den Leica Experten für Material- und Stahlreinheitsgraduntersuchungen. Mit Hilfe der Gefügeuntersuchung können wir nicht nur Fehler feststellen, sondern auch Rückschlüsse auf die Ursachen innerhalb der Fertigungskette ziehen. Eine Abweichung in der Festigkeit oder Zähigkeit ist über das Gefüge nachweisbar. Bei einem Fehler an einem geschmiedeten oder gewalztem Produkt kann uns das mikroskopische Bild verraten, zu welchem Zeitpunkt der Fehler entstanden ist.
…. und bei Schadensfällen?
Bei Schadensuntersuchungen spielt insbesondere die mikroskopische, unter Umständen auch rasterelektronische Untersuchung eine zentrale Rolle. Weitere Erkenntnisse kann eine chemische Stückanalyse liefern. Wenn ein Bauteil beim Kunden ausfällt, prüfen wir, warum es zum Ausfall gekommen ist. Übrigens: In etwa 95 Prozent der Fälle liegt der Fehler nicht am Stahl, sondern in der falschen Anwendung oder sogar in der Konstruktion wie einer falschen Dimensionierung des Bauteils. Mit der Lichtmikroskopie können wir fast alles nachvollziehen. Wenn wir einen Bruch untersuchen, kommt nach der ersten augenscheinlichen Untersuchung, die dem Experten schon viel verrät, das Stereomikroskop zum Einsatz. Damit können wir unter anderem auch oftmals den Startpunkt eines Bruchs ermitteln. An Proben aus dem Bruchbereich können Untersuchungen unter dem Lichtmikroskop zeigen, ob beispielsweise ein Einschluss der Auslöser eines Bruches war. Dazu fertigen wir Mikroschliffe für Gefügeuntersuchungen und Reinheitsgradprüfungen an, um alles abzuklopfen. Bei Bedarf erfolgt zusätzlich eine Untersuchung im Rasterelektronenmikroskop. Selbstverständlich wird das Bauteil immer auch mechanisch-technologisch erprobt, beispielsweise auf Zugfestigkeit und Zähigkeit.
Welche Rolle spielt eine reproduzierbare Präparationstechnik und welche Kontrastverfahren und Vergrößerungen setzen Sie ein?
Gerade für die automatisierten Reinheitsgraduntersuchungen sind reproduzierbare Anfangsbedingungen sehr wichtig. Für Mikroschliffe spannen wir das entnommene Material in Probenhaltescheiben ein und schleifen sie vor. Danach werden sie auf einem weiteren Gerät nach einheitlichen Parametern feingeschliffen und poliert. Ein sachgemäß hergestellter Schliff weist weder Kratzer oder Riefen auf noch gibt es Indizien für herausgebrochene Partikel. Wir setzen überwiegend die Hellfeldmikroskopie ein, in einigen Fällen auch den Interferenzkontrast. Die Reinheitsgraduntersuchungen werden bei V=100x oder V=200x, Gefügeuntersuchungen werden zwischen V=50x und V=1500x durchgeführt.
Stichwort reproduzierbare Mikroskopie, bei der automatisierte Mikroskope von einer Software gesteuert werden und anwendungsspezifische Einstellungen reproduzierbar sind.
Automatisierte Mikroskopsysteme nutzen wir vor allem zur Reinheitsgraduntersuchung, die wir nach den neuesten Normen durchführen. Dabei ist es unerlässlich, dass alle Einstellungen reproduzierbar sind. Auch die Korngrößen werden automatisiert und damit reproduzierbar gemessen, da dies eine chargenabhängige Größe ist. Wir sind ja ein führender Hersteller für Getriebestähle, insbesondere für Großgetriebe in Windkraftanlagen. Diese Großgetriebe müssen enormen dynamischen Belastungen standhalten. Deshalb ist es wichtig, dass wir die Korngröße reproduzierbar prüfen und dokumentieren schon, bevor wir das Material an den Kunden ausliefern.
Nutzen Sie die Untersuchung der Mikrostruktur auch zur gezielten Entwicklung von neuen Legierungen?
Die Entwicklung einer neuen Stahlsorte ist immer ein Zusammenspiel von chemischer Zusammensetzung, Warmumformung und Wärmebehandlung. Zur Prüfung der Eigenschaften werden mechanische Erprobungen zur Bestimmung der Gütewerte, für den Konstrukteur in der Anwendung, und Gefügebeurteilungen durchgeführt. Aufgrund der Prüfergebnisse verändern wir die entsprechenden Prozessparameter für Nacharbeit oder Neufertigung – und prüfen dann die Wirksamkeit der Maßnahmen. Das Gefüge, also die Mikrostruktur, ist das Bindeglied zwischen Herstellungsparametern und Eigenschaften. Wenn wir das Gefüge (Phasen, Korngröße, Reinheitsgrad) analysieren, können wir in zwei Richtungen schauen, in die Vergangenheit und in die Zukunft. Aus der Mikrostruktur lässt sich die Entstehungsgeschichte des Stahls ablesen und wir können Voraussagen über die zu erwartenden mechanischen Eigenschaften machen.
Wie wichtig ist die Bilddokumentation für Sie?
Die Bilddokumentation ist in der Metallographie seit jeher unverzichtbar: Viele Kunden möchten eine Bilddokumentation des Gefüges, Untersuchungen bei Reklamationen und Schadensfälle dokumentieren wir generell mit Bildern. Ebenso wichtig ist die Bilddokumentation für unsere Forschung und Entwicklung. Datenbanksysteme helfen uns zum Beispiel, Gefügezustände der einzelnen Stähle zu archivieren und diese bei Bedarf schnell zu finden. Die Bilddokumentation umfasst Übersichtsaufnahmen und repräsentative Aufnahmen bei höherer Vergrößerung, die die Mikrostruktur und soweit möglich die Homogenität des ganzen Bauteils zeigen.
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