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Rechtliche Fallstricke in Europa

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Rechtliche Fallstricke in Europa

Rechtliche Fallstricke in Europa
QE: Herr Reusch, welche Risiken bestehen für deutsche Hersteller auf dem europäischen Markt?

PR: Pauschal kann man das sicher nicht beantworten. Aus Sicht der Produkthaftung, die im Übrigen nahezu gleich in allen Ländern der EU ausgestaltet ist, bewegen sich alle produzierenden Unternehmen ebenso wie Importeure und Händler auf gefährlichem Boden. Letztlich bedarf eine rechtssichere Einschätzung, aufgrund der Produktvielfalt und der erheblichen Regelungsdichte immer einer konkreten Betrachtung.
QE: Wie muss man sich das inhaltlich vorstellen?
PR: Zuerst einmal muss man sich klarmachen, dass die deutsche Rechtsprechung ebenso wie die europäische Gesetzgebung von dem Gedanken des Verbraucherschutzes geprägt ist. Der Schutz der Einwohner der EU vor gefährlichen, d.h. nicht sicheren Produkten steht in diesem Bereich über allem. In die Pflicht genommen werden die Unternehmen. Sie müssen, für sichere Produkte sorgen – und vor allem die Produkte auch sicher durch den Markt führen. Bei Schäden rollen sonst unübersehbare Anspruchswellen –die den Fortbestand des Unternehmens in Frage stellen können – auf das Unternehmen zu. Das ist auch schon häufig vorgekommen und gerät nur deswegen nicht in den Fokus der breiten Öffentlichkeit, weil viele Unternehmen gut beraten sind, und so die Ansprüche von geschädigten Verbrauchern außergerichtlich befriedigen.
QE: Was können denn die Unternehmen präventiv tun?
PR: Prävention ist hier zunächst einmal das richtige Stichwort. Produkthaftung lässt sich leider nicht mit gewieften juristischen Konstruktionen mildern oder ausschließen – und das ist zunächst auch einmal gut so. Warum? Denn es geht um den Schutz der Verbraucher, die insoweit das Schwächere Glied in der Kette sind. Das bedeutet aber, dass Unternehmen präventiv tätig werden müssen. Einen Schwerpunkt bildet da sicherlich ein gelebtes QM-System. Ob das zertifiziert ist oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Es muss sicherstellen, dass die notwendigen Informationen über den Markt und über das Produkt im Unternehmen an den richtigen Stellen vorhanden sind. Und das muss sauber dokumentiert sein. Denn noch mal: Die Unternehmen sind gezwungen, gegenüber einem Gericht die Sicherheit ihrer Produkte nachzuweisen. Ohne diesen Nachweis wird die Verantwortung des Unternehmens für einen Produktschaden vermutet.
QE: Haften denn dafür nicht auch die Mitglieder der Geschäftsleitung?
PR: Das ist absolut richtig. Die Mitglieder der Geschäftsleitung eines Unternehmens, egal ob GmbH oder AG oder auch eine Personengesellschaft, bekommen von der Rechtsprechung erst einmal eine Generalverantwortung zugesprochen.
QE: Was heißt das im Detail zum Beispiel für einen Marketingvorstand?
PR: So unschön das für den jeweiligen Marketingvorstand oder den Vorstand eines ähnlichen Ressorts ist: Es gibt zwischen ihm und dem Verantwortlichen für Konstruktion, Produktion und QM keinen haftungsrechtlichen Unterschied. Das hat im letzten Jahr schon der Vorstand eines Lebensmittelherstellers erfahren müssen. Die deutschen Gerichte gehen von einer Gesamtverantwortung der gesamten Geschäftsleitung für alle Bereiche des Unternehmens aus, egal, wer welche Teilressorts abdeckt. Insofern ist auch jedes Geschäftsleitungsmitglied gut beraten, sich mit den Vorgängen im Unternehmen auseinanderzusetzen. Der Rückzug auf das eigene Ressort und der Hinweis fehlender Fachkenntnisse anderer Bereiche hilft in diesem Zusammenhang wenig. Denn Fehler des Leiters QM werden dem Leiter Marketing – oder dem Marketingvorstand – zugerechnet.
QE: Das trifft aber nicht auf die einzelnen Mitarbeiter zu, oder?
PR: Nur bedingt. Mitarbeiter haften strafrechtlich wie auch zivilrechtlich im ersten Schritt nach ihrem Verschuldensgrad. Danach bestimmt sich, inwieweit eine persönliche Haftung besteht. Aber es sind auch schon einfache Mitarbeiter straf- und zivilrechtlich belangt worden, weil in ihrem Bereich vorsätzlich oder fahrlässig die falschen Entscheidungen getroffen wurden oder die richtigen Entscheidungen nicht getroffen wurden, die zu dem späteren Produktschaden führten.
QE: Also muss das gesamte Unternehmen sich des Themas Produkthaftung annehmen?
PR: Schon im eigenen Interesse des Unternehmens und der Mitarbeiter sollte präventiv und sorgsam mit dem Thema umgegangen werden, wobei in Deutschland teilweise eklatante Wissenslücken bei den handelnden Personen existieren, die einen sicheren Umgang mit dem Thema schlicht verhindern. Gerade deshalb, da in der jüngsten Vergangenheit eine Zunahme der Inverantwortungnahme der Geschäftsleitung zu beobachten ist und auch der Gesetzgeber die Verantwortlichkeiten der Unternehmensführer aufgrund EU-rechtlicher Vorgaben zunehmend einzelgesetzlich verankert hat. Hier herrscht in jedem Fall Nachholbedarf und Weitsicht……
Philipp Reusch, teras Rechtsanwälte Saarbrücken
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