Das Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF hat in Kooperation mit der Tracto-TechnikGmbH ein maschinenintegriertes Messsystem zur Bestimmung des Biegewinkels in Rohrbiegemaschinen entwickelt. Die Bestimmung des Biegewinkels erfolgt unmittelbar nach jedem Biegevorgang direkt in der Biegemaschine, wobei die Dauer eines Mess- und Auswertevorgangs nur bei einigen Sekundenbruchteilen liegt. Das neue Messsystem ermöglicht somit die kontinuierliche Überwachung des Fertigungsprozesses, die Dokumentation der Ergebnisse und die direkte Rückkopplung zum Biegeprozess.
Dr. Norbert Bauer Fraunhofer-Allianz Vision
Vollautomatisch gesteuerte Rohrbiegemaschinen sind heute in der Lage, die vom Bediener vorgewählten Positionierungswerte für Vorschub, Verdrehung und Biegewinkel wiederholgenau anzufahren. Doch lässt sich der tatsächliche Biegewinkel, der sich unter Berücksichtigung der Rückfederung am Rohrbogen ergibt, bisher nur sehr schwer erfassen oder gar kontrollieren, da der Wert dieser Rückfederung von einer Vielzahl werkstoff-, maschinen- und prozessbedingter Parameter abhängig ist, wie z. B. Schwankungen in der Werkstoffzusammensetzung und in der Geometrie der Rohre, Biegegeschwindigkeit, Qualität und Menge des eingesetzten Schmierstoffs, Biegedornposition oder Verschleißzustand der Biegewerkzeuge. Mit dem neuen Messsystem ist es nun jedoch möglich, den tatsächlichen Biegewinkel, der sich nach der Rückfederung des Werkstücks ergibt, zu erfassen.
Verfahren
Das berührungslos arbeitende Messsystem nutzt dazu das Lichtschnittverfahren auf Basis des Triangulationsprinzips. Dabei wird ein gefächerter Laserstrahl (Linienprojektor) auf das Messobjekt projiziert, wodurch auf der Objektoberfläche eine scharfe Hell-Dunkel-Linie erzeugt wird, deren Verlauf wiederum von einer Kamera aufgenommen und mit speziellen Algorithmen automatisch ausgewertet wird.
Im speziellen Anwendungsfall werden zwei Linien im zylindrischen Rohrbereich nach einer Biegung projiziert. Aus den somit gewonnenen, in zwei Sichelformen angeordneten, dreidimensionalen Punkten der Rohroberfläche kann die Orientierung des Rohres im Raum bestimmt werden. Dazu wird ein mathematischer Algorithmus verwendet, der in die Oberflächenpunkte einen Zylinder approximiert. Dieser bestimmte Zylinder bildet den ersten Schenkel des Rohrbogens. Der zweite Schenkel ergibt sich aus dem zylindrischen Rohrbereich vor der Biegung, welcher sich bei der Messung jeweils in einer festen Referenzorientierung befindet. Aus den beiden Orientierungen der Rohrbogenschenkel lässt sich nun der absolute Biegewinkel in zwei Ebenen mit hoher Präzision (Messunsicherheit ± 0,05°) bestimmen.
Anpassung
Mittels einer automatischen Anpassung des Messsystems an das Messobjekt (Farbe, Glanz, Rauigkeit) können die unterschiedlichsten Rohrmaterialien gemessen werden. Durch intelligente Auswertealgorithmen werden Störungen auf der Rohroberfläche, wie Reflexionen, Kratzer, Beschriftungen sowie sich ändernde Umbebungsbedingungen, wie z. B. Fremdlicht, toleriert.
Mit Hilfe eines einfachen Kalibrierkörpers kann das Messsystem in der Maschine automatisiert kalibriert werden und die korrekte Funktionsfähigkeit kann jederzeit überprüft werden.
Auf Grund der kompakten Bauweise des Messsystems und des erforderlichen Zeit-bedarfs für den eigentlichen Mess- und Auswertevorgang von einigen Sekunden- bruchteilen werden zwei wichtige Praxisanforderungen von vorneherein erfüllt: Der Biegefreiraum der Rohrbiegemaschine bleibt weitestgehend erhalten und die Taktzeiterhöhung beschränkt sich auf ein Minimum. Darüber hinaus ist das System nahezu wartungsfrei.
Vorteile
Das maschinenintegrierte Biegewinkelmesssystem bietet dem Anwender die Möglichkeit einer prozessbegleitenden Erfassung und Protokollierung von Biegewinkeln sowie einer direkten Rückkopplung des Biegeergebnisses auf den Biegeprozess. Mit dieser integrierten Qualitätssicherung lassen sich unnötige Kosten einsparen und eine hohe Produktqualität beim Rohrbiegen erreichen.
QE 519
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