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Schwindelerregende Bewegungen

Extremtest in der Meß- und Prüftechnik
Schwindelerregende Bewegungen

Segelt man nicht ganz seefest mit einer Yacht bei 6 Beaufort auf dem Bodensee, wird man in den meisten Fällen von einem mulmigem Gefühl in der Magengegend heimgesucht. Höchste Zeit für eine Plastiktüte, denn man spürt das Phänomen, das hier aus rein meßtechnischer Sicht behandelt wird. Bei den Dreh- und Schaukelbewegungen der Segelyacht um alle Achsen kommt einem der Gedanke, daß es bei Fahrzeugen Systeme zur Stabilisierung mit Hilfe von Drehratensensoren gibt, wenngleich sich das mulmige Gefühl in der Magengegend dadurch nicht verbessern lässt.

Dipl.-Ing. (FH) Peter Judemann, Sindelfingen

Solche Drehratensensoren werden jedoch erfolgreich in der Luft- und Raumfahrttechnik und in großem Umfang zunehmend auch in der Automobilindustrie eingesetzt. Sie dienen der Stabilisierung von Flugzeugen bzw. Kraftfahrzeugen. Zum Großserieneinsatz kamen diese Sensoren in der Fahrzeugtechnik mit Beginn der Fahrdynamikregelung. Dieses System wurde schon lange vor dem inzwischen allseits bekannten und fragwürdigen „Elchtest“ entwickelt und dient der Stabilisierung von Fahrzeugen, wenn diese auszubrechen drohen.
Häufig besteht die Meinung, daß die Fahrdynamikregelung hauptsächlich dazu eingesetzt wird, um das Kippen eines Fahrzeugs zu verhindern. Dieser gewünschte Effekt tritt auf, wenn ein im Grenzbereich befindliches Fahrzeug um die Hochachse stabilisiert wird. Das System findet daher sinnvollerweise auch in sportlich zu fahrenden Pkw Einsatz. Es gleicht Fahrfehler innerhalb der physikalischen Grenzen aus und stabilisiert dadurch ein schleuderndes Fahrzeug. Dies ist vor allem bei winterlichen Straßenbedingungen ein großer Vorteil.
„Aktive“ Sensormessung
Herzstück dieser Sensortechnik sind die Drehratensensoren, die Drehungen um eine Achse erkennen können. Der Unterschied zur einfachen Drehzahlmessung besteht darin, daß sich die Sensoren in dem drehenden System befinden müssen und nicht, wie bei einer einfachen Drehzahlmessung, als Beobachter das drehende System von außen betrachten. Die Drehratensensoren liefern ein elektrisches Ausgangssignal und zwar in Abhängigkeit der Größe w (Grad/s). In der Großserientechnik finden derzeit zwei verschiedene Arten von Drehratensensoren Anwendung: die elektro- und die mikromechanischen Sensoren. Die elektromechanischen Sensoren gehören zur ersten Generation dieser Sensortechnik. Die mikromechanischen Sensoren sollen eine kleinere Bauweise bei gleichzeitiger Kostenreduzierung bieten.
Bei Helio-Cert können Drehratensensoren untersucht und kalibriert werden. Die Sensoren werden dazu auf einem hochdynamischen Drehtisch montiert. Bei der Untersuchung erfolgen Messungen der gleichförmigen Rotation (w= konstant) und die Durchführung einer Frequenzganganalyse.
Frequenzganganalyse
Bei der Frequenzganganalyse wird die Winkelgeschwindigkeit durch eine sinusförmige Bewegung des Drehtisches (Tisch schwingt dabei hin und her) erzeugt. Die Erzeugung solcher dynamischer Bewegungen bis zu 100 Hz bei der vorgegebenen Genauigkeit erfordert einen hohen mechanischen Aufwand, bei dem die Drehmomente der Antriebe mehr als 100 Nm erreichen. Bei konstant gehaltener Winkelgeschwindigkeit wird die Frequenz verändert. Als Ergebnis erhält man eine Kurve für den Amplituden- und Phasengang. Die gleichförmige Rotation kann auch unter Umweltbedingungen in einem Klimaschrank erzeugt werden, so daß Temperaturdriften berücksichtigt werden.
Es empfielt sich eine Messung, bei der der Sensor quer zur Wirkungsachse eingebaut wird. Damit lässt sich das Übersprechverhalten des Sensors ermitteln. Für eine exakte Analyse des Sensors muß auch die Vibrationsabhängigkeit getestet werden. Dies erfolgt auf einem Schwingerreger, der diese „Störungen“ simuliert.
Unterstützung durch Workstation
Eine Workstation unterstützt die Meßanlage des Dienstleistungs-Zentrums für Meß- und Prüftechnologien. Der Computer steuert einen Frequency-Response-Analyzer an, dessen Signal zu einem Leistungsverstärker geführt wird. Das Ausgangssignal des Leistungsverstärkers steuert direkt den Drehtisch an. Den Regelvorgang der Sollwerte übernimmt der Frequency-Response-Analyzer. Er erfaßt über die Referenz die Werte und regelt so lange nach, bis er innerhalb seines Regelfensters die Sollwerte erreicht hat. Unabhängig davon wird die Drehung des Tisches durch unabhängige Systeme überwacht, um im eventuellen Notfall die Rotation des Drehtisches über den Computer abzuschalten.
Für die Größe Winkelgeschwindigkeit/Winkelbeschleunigung hat das Sindelfinger Meß- und Prüftechnologie-Zentrum bei der Physikalisch Technischen Bundesanstalt die DKD-Akkreditierung beantragt. Mit deren Erhalt wäre das Unternehmen die erste DKD-Stelle für diese Größen.
Als Referenz kann der Dienstleister ein Faserkreisel oder einen eingebauten Tachogenerator einsetzen. Dies hängt von den Abmessungen des Prüflings und des gesamten Prüfaufbaus sowie von der gestellten Meßaufgabe ab (mas).
Weitere Informationen A QE 602
Die Funktionsweise der Drehratensensoren basiert auf der „Corioliskraft“. Das bedeutet: Bewegt sich ein Körper zwischen Mittelpunkt und Kreislinie in einem sich drehenden System, bewirkt die Corioliskraft eine Beschleunigung tangential zur Körperbewegung. Im Sensor wird dazu eine Masse in Schwingung gebracht. Wird der Sensor nun um seine Wirkungsachse gedreht, erfährt das Schwingungselement senkrecht zur Schwingrichtung eine Coriolisbeschleunigung. Diese Beschleunigung kann mit einem Beschleunigungssensor gemessen werden und stellt ein Maß für die Winkelgeschwindigkeit w dar.
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