Startseite » Allgemein »

Sichere Lötprozesse

Insitu-Ultraschallprüfung von Lötverbindungen im Prozess
Sichere Lötprozesse

Die Entwicklung einer in die Qualitätssicherungsstrategie integrierten Prozessdiagnose und -steuerung ist heute in nahezu allen Fällen notwendig, um den Lötprozess nicht nur anhand des Lötergebnisses zu bewerten und zu dokumentieren, sondern auch mittels aktueller Messwerte aktiv zu regeln. Für das Entwickeln eines Diagnose-, Überwachungs- und Regelsystems spricht auch der Vorteil, dass typische Probleme beim Löten mittels lokaler Erwärmung (induktiv, Flamme, etc) vermindert werden.

Prof. Dr.-Ing. H.-A. Crostack, Dipl.-Ing. A. Yanik: Lehrstuhl für Qualitätswesen, Dortmund Prof. Dr.-Ing. Fr.-W. Bach, Dr.-Ing. K. Möhwald, Dr.-Ing. P. Stoll: Institut für Werkstoffkunde, Hannover

Fehler in der Lötverbindung, wie z.B. ein mangelhaftes Aufschmelzen des Lots, eine schlechte Benetzung des Grundwerkstoffs, Poren und Flussmitteleinschlüsse sollen durch eine Überwachung des Prozesses erkannt und durch ein Regeln des Prozesses korrigiert werden. Das Beurteilen der Lötergebnisse erfolgt dadurch einheitlich nach anerkannten Maßstäben und bedienerunabhängig. Zudem wird das wirtschaftliche Einrichten von Kleinserien- und Einzelteillötungen gefördert und Qualitätssicherungsmaßnahmen können direkt in den Fertigungsprozess integriert werden. Die vorgestellten Arbeiten sollen einen Beitrag zur Einführung einer in-line Prozesskontrolle auf Basis der Prüfung mit Ultraschall (US) leisten. Es wurden Untersuchungen an Modellproben unterschiedlicher Form und Geometrie durchgeführt.
Die Ultraschalltechnik in Lötprozessen
Die Ultraschalltechnik bietet sich aufgrund der Integrationsfähigkeit, der technischen Möglichkeiten und des Entwicklungspotenzials als Methode zur Überwachung des Lötprozesses an. Mit dem Einsatz der Impuls-Echo-Technik können die Messwerte während des laufenden Prozesses erfasst, interpretiert und für die Nachregelung des Prozessablaufs verwendet werden.
Bisher wird die Ultraschallprüfung ausschließlich zur Prüfung und Kontrolle der bereits fertiggestellten Verbindungen eingesetzt. Probleme beim Einleiten des Ultraschalls, auftretende Mehrfachreflektionen wegen der orts- und temperaturabhängigen Werkstoffeigenschaften und Schwierigkeiten bei der Interpretation der anfallenden komplexen Messsignale haben den Einsatz der US-Technik während des Lötprozesses bislang erschwert.
Um für grundlegende Untersuchungen das Problem der Ultraschalleinkopplung zu lösen, wurden die in dieser Arbeit eingesetzten Widerstands-, Induktions-, Flamm- und Ofenlötanlagen mit neu entwickelten Lötlehren ausgerüstet. Dadurch können die Prüfköpfe so positioniert werden, dass der Ultraschall ohne zusätzliche Maßnahmen während des Lötvorgangs eingebracht werden kann. Die im Lötprozess gewonnen US-Signale (Reflexion und Durchschallung) werden aufgezeichnet und analysiert. Zukünftig könnten sie zur Regelung des Lötprozesses verwendet werden. Eine Dokumentation der Signale in Verbindung mit weiteren bauteilbezogenen Informationen kann in ein Qualitätssicherungssystem einfließen.
Werkstoffe, Geometrien und Ultraschallverfahren
Als Fügepartner für die in unterschiedlicher Form hergestellten Lötproben kam der austenitische Stahl X5CrNi18 10 (Wkst.-Nr.: 1.4301) zum Einsatz. Es wurde ein Lot (Folie 0,2 mm) in Kombination mit einem Flussmittel der Spezifikation FSH 10 verwendet. Bei diesem handelt es sich um das Silberbasislot B-Ag72Cu-780 mit der Werkstoffnummer 2.5151.
Eine Aufgabe des Projektes bestand darin, die Methoden, die an zylindrischen Proben mit der Fügegeometrie Stumpfstoß erarbeitet worden sind [1], auf komplexere Geometrien zu übertragen. Dazu wurden Proben mit quadratischen und ellipsenförmigen Fügeflächen hergestellt. Durch die Einführung dieser Fügeflächen ergab sich die Notwendigkeit, von der Senkrecht- zur Schrägeinschallung überzugehen. Das erschwerte die Schalleinleitung, entspricht aber den realen Bedingungen der Praxis eher, weil die Lötnähte häufig nicht für eine senkrechte Einschallung zugänglich sind. Um sich auf diese Bedingungen einzustellen, wurden Y-förmige Proben verwendet (Bild 1).
Zur Herstellung der Probe wurden zwei Rundstäbe in einem Winkel von ca. 28,5° zusammengeschweißt und unten plan abgetrennt. So entstand eine ellipsenförmig Lötfläche, die durch eine so genannte V-Durchschallung geprüft werden konnte.
Experimenteller Aufbau
Voraussetzung für eine effektive Nutzung eines US-Messsystems an einer Lötanlage ist eine ausreichende Unempfindlichkeit gegenüber Störungen, die aus dem Lötprozess selbst oder von außen herrühren können. Des Weiteren gilt es darauf zu achten, die Prüfköpfe vor zu hohen Temperaturen zu schützen. Wie der Aufbau in Bild 2 zeigt, ist der diesbezügliche Aufwand beim Induktionslöten verhältnismäßig gering. Hier erfolgt die für einen konventionellen US-Prüfkopf notwendige Kühlung durch mantelseitig an den Proben angebrachte Kühlschellen. Auf diese Weise kann unter Verwendung konventioneller Koppelfluide direkt axial in die Proben eingeschallt werden. Aufgrund der Schallaufweitung wird die Lötnaht mit einem Ultraschallimpuls integral erfasst.
Für die Anwendung der Ultraschalltechnik beim Ofenlöten wurde ein 3-Zonen-Röhrenofen eingesetzt, der horizontal auf einem Schienensystem fixiert und beidseitig mit speziell dafür angefertigten ausliegenden Proben- und Prüfkopfhaltern bestückt war (prismageführte Lötlehre, Bild 3).
Das präzise Gleitschienensystem sorgt hier für eine Justierung der beiden Fügepartner. Um Abweichungen, die dennoch auftreten können, auszugleichen, wurde unter jeden Proben- und Prüfkopfhalter ein X-Y-Tisch angebracht. Somit konnten die beiden Fügepartner mit hoher Genauigkeit positioniert werden. Die wassergekühlten Probenhalter dienten auch zur Kühlung der Probenenden, an denen die US-Prüfköpfe angekoppelt waren. Sie waren dadurch vor einer unzulässig hohen Hitzeeinwirkung geschützt. Der Anpressdruck der Prüfköpfe wurde mit einer Einstellschraube in Kombination mit einer innen liegenden Feder reguliert.
Modellierung und Simulation
Um die bei fehlerfreien Lötungen zu erwartenden Signalantworten vorhersagen zu können, wurde eine Simulation der empfangenen Ultraschallwellen bei schrägem Einfall unter Verwendung der Materialkennwerte der Fügepartner durchgeführt. Anhand solcher Simulationen können die Ergebnisse bei schräg einschallender Ultraschallprüfung abgeschätzt und die Anzahl der Versuchsreihen auf ein Minimum reduziert werden. Eine entsprechende Modellskizze ist in Bild 4 dargestellt.
Eine aus dem oberen Fügepartner kommende Longitudinalwelle (blau) trifft auf die Grenzfläche fest/fest (Übergang 1) und wird dort in vier Teilwellen – zwei Longitudinal- und zwei Transversalwellen (schwarz) – aufgespalten. Dabei passieren zwei der neu entstandenen Wellen die Grenzfläche und zwei werden reflektiert. Da nur die longitudinalen Ultraschallwellen, die die Lötnaht nach oben wieder verlassen, von den eingesetzten Prüfköpfen detektiert werden, wurden – zur besseren Übersichtlichkeit – nur ihre Schallwege durchgezogen eingezeichnet.
Die Bezeichnung der durch Mehrfachreflexion auftretenden Longitudinalwellen wurde entsprechend der Modenkonversionen, die sie an den Übergängen erfahren haben, festgesetzt.
Bezieht man die Reflexionen bzw. Durchgänge (Übergang 2 und 3 entspricht der ersten Mehrfachreflexion) mit in die Berechnung ein und betrachtet nur die zurückkommenden Longitudinalwellen, so ergeben sich die in Bild 5 dargestellten effektiven Reflexionsfaktoren.
Es ist ersichtlich, dass bei bestimmten Einschallwinkeln (bei dieser Materialkombination von 0 bis 15°) der effektive Reflexionsfaktor einzelner aus dem Lotspalt kommender Wellen (z.B. LLL) höher ist als der Reflexionsfaktor der direkt reflektierten Longitudinalwelle (L). Die rote Linie stellt den aufsummierten effektiven Reflexionsfaktor nach der ersten Mehrfachreflexion dar. Dabei wurden sowohl die jeweiligen Phasensprünge und der sich einstellende Gangunterschied im Lötspalt berücksichtigt. Da die am Übergang 3 in den Spalt zurückgeworfenen Ultraschallwellen vernachlässigbar klein gegenüber der Summe der aus der Lötnaht kommenden Ultraschallwellen ist, kann von einer weiteren Betrachtung der darauf folgenden Mehrfachreflexionen abgesehen werden.
Die Simulation liefert eine Kurve, anhand der der optimale Einschallwinkel bei Schrägeinschallung abgelesen werden kann. Damit können aufwändige Vorversuche reduziert werden.
Ergebnisse
Um die Aussagekraft der Ultraschallprüfung hinsichtlich der Lötnahtqualität bewerten zu können, wurde die Amplitude des Ultraschallsignals aus der Lötnaht (RE 1) und des Rückwandechos (RE 2) des zweiten Fügepartners dem Benetzungsgrad der Fügeflächen gegenübergestellt (Bild 6). Der Benetzungsgrad wurde durch eine metallographische Analyse der Bruchflächen ermittelt.
Bei einem geringen Benetzungsgrad, wie er zu Beginn eines jeden Lötzyklus vorliegt, wird ein RE 1-Signal mit hoher Amplitude detektiert. Der RE 2-Peak kann nicht zuverlässig im Grundrauschen des US-Signals identifiziert werden. Mit zunehmender Benetzung nimmt die Amplitude des RE 1-Signals ab. Die Signalintensität von RE 2 verhält sich gegenläufig und steigt an. Bei einer gut ausgeführten Lötverbindung (Benetzungsanteile nahe 100 %) verschwindet das RE 1-Echo nahezu vollständig. Dadurch gelangt der größte Teil der US-Energie zur Rückwand 2 und wird dort reflektiert (Echo RE 2). Im Ergebnis dieser Untersuchungsreihe kann somit von einem deutlichen Zusammenhang zwischen dem Benetzungsgrad und der US-Signalamplitude ausgegangen werden. Diese Korrelation sollte es ermöglichen, zukünftig den Benetzungsgrad und somit die Lötnahtqualität auf Basis der US-Amplitude zu bewerten.
Trotz der weitaus komplexeren Prüfbedingungen (schlechte Zugänglichkeit, ellipsenförmigen Lötfläche) wurde auch bei den Lötverbindungen zwischen zylindrischen und V-Proben (zusammen als Y-Probe bezeichnet) eine gegenläufige Proportionalität zwischen der Signalamplitude und dem Benetzungsgrad festgestellt (vgl. Bild 7).
Bei einem Einschallwinkel von 14,25°, bei dem die Simulation einen Reflexionsfaktor von ca. 10% ergab, lieferte die Messung unerwartet eine Ultraschallamplitude von 60%. Möglicherweise ist dies darauf zurückzuführen, dass der ellipsenförmige Querschnitt der Lötnaht von der kreisrunden Lötfläche des zweiten Fügepartners nur teilweise abgedeckt wurde. Dadurch ergibt sich auch bei 100 %-iger Benetzung ein relativ hohes Hauptecho.
Zusammenfassung
Die Ultraschall-Technik wurde erstmals zur in-line Prüfung von Lötverbindungen komplizierter Fügegeometrie sowohl bei partiell erwärmenden Lötverfahren als auch bei dem das gesamte Bauteil erwärmende Ofenlöten eingesetzt. In diesem Zusammenhang sind verschiedene messtechnische Aufgaben (Auswahl geeigneter Einschallungstechniken und Frequenzen, Realisierung der Einkopplung des Ultraschalls bei erhöhter Temperatur etc.) gelöst worden.
Es konnte gezeigt werden, dass unabhängig von der beim Löten verwendeten Wärmequelle (Lötverfahren) eine gute Korrelation zwischen dem Benetzungsgrad der Lötnaht und der gemessenen Ultraschallamplitude besteht. Damit besteht die Möglichkeit, mit Hilfe der US-Technik eine in-line Kontrolle des Lötprozesses zu realisieren. Darüber hinaus sind die Voraussetzungen für eine Prozessregelung des Lötens von Proben komplexer Formen geschaffen worden.
Im Rahmen eines einfachen Modells wurde das Verhalten des Ultraschalls im Lötspalt bei verschiedenen Einschallbedingungen und Temperaturen rechnerisch abgeschätzt. Dies erlaubte, die zu erwartenden Signalantworten bei fehlerhafter Lötung vorherzusagen und den Einfluss der Prozessparameter (Temperatur, Lötspaltdicke, etc.) zu verdeutlichen. Dadurch hat der Lötprozess an Transparenz gewonnen. Die Untersuchungen haben erstmalig gezeigt, dass es sehr aussichtsreich ist, das Verhalten der US-Nebenechosignale für die in-line Überwachung von Lötprozessen und für die Bewertung der Lötnahtqualität heranzuziehen. Auf diese Weise kann die Aussagesicherheit weiter erhöht werden.
Ausblick
Durch eine Modulation der Prüffrequenz soll die Frequenz bestimmt werden, bei der sich das Echo des Lötnahtfehlers am deutlichsten vom Echo der Lötnaht unterscheidet. Des Weiteren ist vorgesehen, den Einfluss der Frequenzbandbreite auf das Prüfergebnis zu ermitteln. Bei einer schmalbandigen Einschallung wird eine erhöhte Durchlässigkeit erwartet, die eine Amplitudenauswertung begünstigen sollte.
Wenn mit einem breitbandig ausgelegten Prüfimpuls gearbeitet wird, kann das empfangene Frequenzspektrum mittels FFT analysiert werden. Die dabei gewonnenen Ergebnisse könnten zu einer besseren Beschreibung des Lötprozesses und einem empfindlicheren Nachweis von Prozessschwankungen führen. Darüber hinaus soll der Einfluss von Änderungen der Geometrie und der Zusammensetzung des Grundwerkstoffs betrachtet werden. Ein weiteres Ziel ist die Optimierung der Ankoppelbedingungen für die seriennahe Prüfung.
Letztlich wird ein geschlossen geregelter Lötprozess unter Einbeziehung der US-Echtzeitprüfung angestrebt.
Die Untersuchungen sind Bestandteil des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, DFG, geförderten Projektes Ultraschallprüfung von Lötverbindungen im Prozess.
Literatur
[1] H.-A. Crostack, Fr.-W. Bach, K. Möhwald, A. Yanik, M. Berthold: Anwendung der Ultraschalltechnik in Fügeprozessen; DACH-Tagung für Zerstörungsfreie Prüfung (DGZfP), 29.-31.05.2000, Innsbruck, 2000
[2] Krautkrämer, J., Krautkrämer, H.: Werkstoffprüfung mit Ultraschall; Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York London Paris Tokyo, 1986
QE 543
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Quality Engineering
Titelbild QUALITY ENGINEERING 1
Ausgabe
1.2024
LESEN
ABO
Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Whitepaper zum Thema QS


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de