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Sie sollen dichthalten

Automatische Qualitätskontrolle von laminierten Metalldichtungen
Sie sollen dichthalten

Die Wettbewerbssituation erfordert mehr und mehr eine objektive und vollständige Sicherung der Qualitätsmerkmale von Produktionsgütern. Diese Entwicklung ist branchenübergreifend und wird durch neue und verbesserte Methoden zur Fehlerdetektion ständig erweitert. Ohne den massiven Einsatz von Sichtprüfsystemen wäre die derzeitige Steigerung von Produktivität und Qualität nicht denkbar, was am Beispiel einer automatischen Qualitätskontrolle von laminierten Metalldichtungen gezeigt werden soll.

Dr. Norbert Bauer, Koordinator der Fraunhofer-Allianz Vision

Dichtungen (Bild 1) sind sehr sensible Bauteile. Wird eine schadhafte Dichtung beispielsweise in einen Kompressor verbaut, ist die Gefahr von Ausfall oder Fehlfunktion groß. Solche schadhaften Teile landen umgehend wieder beim Zulieferer, im schlimmsten Fall geht die gesamte Charge zurück. Neben dem finanziellen Verlust steht auch die Reputation des Zulieferers auf dem Spiel. Bei den hier betrachteten Dichtungen handelt es sich um mit schwarzem Gummi laminierte Metalldichtungen, die aus einem Coil (Stahlband) ausgestanzt werden und unterschiedliche Geometrien und Größen haben.
Die Dichtungen können verschiedene Oberflächenfehler aufweisen, einerseits Fehler im Rohmaterial, wie beispielsweise Blasen oder Fremdkörper, und andererseits durch den Stanzvorgang entstandene Fehler, wie Dellen oder Kratzer. Neben weiteren Oberflächenfehlern, wie Farb- oder Kleberspuren, sind auch Geometriedefekte möglich, die gestanzten Teile weichen von ihrer Sollform ab.
Eine manuelle Qualitätskontrolle besteht zunächst aus einer ersten groben Kontrolle direkt nach dem Stanzvorgang. Die Teile werden anschließend gestapelt und abtransportiert und später erneut einzeln zu hundert Prozent von Hand überprüft. Um diese Aufgabe zu lösen, entwickelte das Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik (ITWM), Kaiserslautern, ein optisches Inspektionssystem, das direkt in den Produktionsprozess eingebunden werden kann. Durch die automatische Fehlererkennung wird eine wesentlich größere Objektivität als bei manuellen Kontrollen erreicht. Außerdem werden systematische Serienfehler bereits in der Anfangsphase erkannt, so dass die Anzahl der resultierenden Ausschussteile gering gehalten werden kann.
Planung einer automatisierten Sichtprüfung
Die Entwicklung eines Inspektionssystems wird wesentlich durch das Produktionsumfeld geprägt. Eine wichtige Rolle spielen die Handhabung der Teile und die notwendige Prüfgeschwindigkeit. Die Art und Ausprägung der Defekte bzw. die für die Sortierung relevanten Oberflächenmerkmale bestimmen die Komplexität der Auswertealgorithmen. Weiterhin wirken sich auch die Art der zu prüfenden Teile, insbesondere ihre Geometrie, und ihre Oberflächenbeschaffenheit, wie Farbe und Glanzgrad, auf die Arbeitsweise des Inspektionssystems aus. Bei der Entwicklung eines geeigneten Verfahrens ist zudem eine flexible und schnelle Anpassung an kundenspezifische Anforderungen ein wesentliches Kriterium. Das System MASC-DISQ zur Prüfung von laminierten Metalldichtungen stellt eine Lösung für ein Anwendungsbeispiel dar, bei dem kleinste Oberflächendefekte zu einer Einschränkung der Funktion führen können.
Die Fehler können entweder schon im Rohmaterial vorhanden sein oder durch den Stanzvorgang entstehen. Typische Fehler sind z. B. Beulen, Kratzer, Geometrieabweichungen, Kleber- und Farbreste, Blasen oder Fremdkörper im Laminat (Bild 2).
Bei der Prüfung werden Ober- und Unterseite der Dichtungen aufgenommen und jeweils mit dem Soll-Zustand verglichen. Detektierte Oberflächendefekte werden nach Art des Fehlers klassifiziert und abschließend wird das geprüfte Objekt als Gut- oder Schlechtteil eingestuft. Um Rückschlüsse auf den Produktionsprozess ziehen zu können, werden die Ergebnisse protokolliert. Bei einer ungewöhnlichen Häufung von Fehlern ist eine Unterbrechung des Stanzvorgangs möglich.
Fehlerdetektion
Die Auswertung erfolgt in mehreren Schritten. Zunächst werden gleichzeitig Ober- und Unterseite der Dichtung betrachtet und die Bilder in jeweils einem eigenen PC analysiert. Die PCs senden anschließend das Ergebnis ihrer Berechnung an einen dritten Rechner, der ein Gesamtergebnis ermittelt und mit der SPS (Speicherprogrammierbare Steuerung) kommuniziert. Aufgrund der komplexen Dichtungsformen, die z. B. Löcher und Wulste aufweisen, arbeitet das Verfahren mit Musterteilen derselben Form, die als Referenz für ein Gut-Teil dienen. Bildpunkt für Bildpunkt vergleicht das Inspektionssystem das neue Werkstück mit seinem abgespeicherten Vorbild. Mittels einer speziellen Software müssen dazu fehlerfreie Musterteile als Referenzen erstellt werden. Zur Zeitersparnis wird nach der Aufnahme des Prüfteils der relevante Ausschnitt mit der Dichtung im Bild gesucht und dadurch die Datenmenge reduziert. Da die Dichtung nicht immer an der gleichen Stelle im Bild zu finden ist und es unterschiedlich große Dichtungen gibt, sucht ein schneller Algorithmus zunächst nach den Rändern der Dichtung. Alle weiteren Schritte des Verfahrens arbeiten innerhalb dieser Bounding-Box.
Um einen Vergleich mit den Referenzaufnahmen zu ermöglichen, wird die Aufnahme anschließend ausschnittweise so verschoben und gedreht, dass sie mit der Referenzaufnahme zur Deckung kommt (Matching). Die Ränder und Strukturen sollen als solche erkannt und bei der Fehlerbehandlung nicht weiter berücksichtigt werden. Für verschiedenartige Fehlertypen sind verschiedene Verfahren zur Vorverarbeitung notwendig, um diese bestmöglich vor dem Vergleich mit dem Referenzteil hervorzuheben.
Zur Detektion großflächiger Fehler genügt es, das Differenzbild zwischen aktueller gematchter Aufnahme und Referenz zu berechnen und mittels geeigneter Schwellwerte eventuell vorkommende Fehlerkandidaten zu bestimmen.
Bei der Detektion kleinerer Fehler (Bild 3) ist es zunächst notwendig, eine Unterscheidung zwischen Wulsten, planer Oberfläche des Objekts und Hintergrund vorzunehmen. Dies geschieht auf Grundlage eines Kovarianzbildes, das Aussagen über lokale Streuungseigenschaften liefert. Nach Herausfilterung des Hintergrundes werden regionenabhängige Schwellwertverfahren eingesetzt, die Fehlerkandidaten ermitteln. Mit Hilfe geeigneter Klassifikatoren werden für alle Fehlerkandidaten diverse Merkmale ermittelt, die Aussagen über die Art und Ausprägung des Defekts geben.
Ist der Vergleich abgeschlossen, findet eine Markierung der relevanten Positionen statt. Zusätzlich ist auch eine grafische Darstellung möglich.
Messdatenauswertung
Als Ergebnis der Auswertung wird eine Liste aller gefundenen Fehler mit der genauen Position, Größe und Art des Defektes erstellt. Die geprüften Dichtungen werden nach Gut- und Schlecht-Teilen sortiert, gefundene Fehler in Fehlerklassen eingeordnet und eine Statistik über die Art und Häufigkeit der aufgetretenen Fehlertypen erstellt (Bild 4).
Das schnelle Einlernen von neuen, von der Oberflächenbeschaffenheit her ähnlichen Prüfteilen, ist unproblematisch. Prinzipiell eignet sich das System auch für verschiedene Oberflächen. Durch die modulare Struktur müssen lediglich einzelne Bausteine angepasst oder neu entwickelt werden.
Zusammenfassung
Die Qualität von laminierten Metalldichtungen hängt entscheidend von der Qualität ihrer Oberfläche ab. Die Vielfalt der möglichen Oberflächenfehler macht eine einheitliche und reproduzierbare Bewertung durch menschliche Prüfer fast unmöglich.
Das automatische Oberflächeninspektionssystem zur Prüfung von laminierten Metalldichtungen, das vom Fraunhofer ITWM entwickelt wurde, ermöglicht eine schnelle und objektive 100-Prozent-Kontrolle im Produktionsprozess. Fehler bis zu einer Größe von 0,3 mm können erkannt werden. Die Hard- und Software wurde so entworfen, dass die Inspektion einer Dichtung nicht mehr als 800 Millisekunden dauert. Diese Zeitvorgabe ist durch die Geschwindigkeit der Stanze bedingt.
Die erkennbaren Vorteile gegenüber der noch üblichen manuellen Inspektion lassen erwarten, dass die Qualitätskontrolle von Produktionsgütern aus unterschiedlichsten Branchen in Zukunft vermehrt automatisch durchgeführt werden wird.
Fraunhofer-Allianz Vision, Erlangen
QE 526

Allianz Vision
Die Fraunhofer-Allianz Vision ist ein Zusammenschluss von Fraunhofer-Instituten zu den Themen Bildverarbeitung, optische Inspektion und 3-D-Messtechnik, Röntgenmesstechnik und zerstörungsfreie Prüfung.
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