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Simulation statt Prüfstand

Modellbasierte Prüfung und Optimierung von Batterien für mobile Leistungsanwendungen
Simulation statt Prüfstand

Belastungs- und Lebensdaueruntersuchungen von Batterien für Elektroautos lassen sich ohne aufwendigen Bau von Prototypen durchführen. Forscher aus Magdeburg und Kaiserslautern haben dafür ein Konzept entwickelt. Es besteht aus einer Hardware-in-the-Loop-Kopplung von mechatronischen Modellen mobiler Systeme mit einem realen Teststand.

Elektromobilität stellt eine große Chance für die Zukunft dar. Doch die Entwicklung und das Testen solcher Systeme und deren Komponenten stellt eine große Herausforderung für Entwickler dar. Eine Komponente, die immer wieder im Fokus der Forschung steht, ist die Energieversorgung. Die Anforderungen an die Energieversorgung im Zusammenhang zu dem Fahrzeug stehen dabei im Vordergrund. Die optimale Auslegung von Fahrzeug und der zur Verfügung stehenden Energie ist am realen Fahrzeug mit einem enormen Kosten- und Zeitaufwand verbunden. Aus diesem Grund werden in der Entwicklungsphase sehr oft virtuelle Modelle herangezogen. Diese ermöglichen das Durchtesten von Szenarien unter unterschiedlichen Bedingungen. Bei der Untersuchung von mechatronischen Systemen hat sich eine domänenübergreifende Systemsimulation etabliert. Bei dieser Herangehensweise können die Interaktionen zwischen den verschiedenen Komponenten sehr gut mit berücksichtigt werden.

Die derzeitig zur Verfügung stehenden Batteriemodelle bilden das reale Verhalten jedoch nur in bestimmten Bereichen gut ab. Alle Einflussfaktoren und Parameter lassen sich nur schwer komplett oder nur in bestimmten Arbeitspunkten nachbilden. Aus diesem Grund wird das Verhalten von Batterien sehr oft erst am realen Produkt oder vorher an Batterieprüfständen getestet.
Der klare Vorteil von Batterietests in Prüfständen ist eindeutig der Sicherheitsaspekt. Egal welchen extremen Belastungen die Batterie ausgesetzt wird, der Mensch und die Komponenten des mobilen Endgerätes sind sicher. Anders hingegen verhält es sich beim Testen von eingebauten Batterien im realen Fahrzeug oder Gerät. Unvorhergesehene Zustände oder Defekte können zu sicherheitskritischen Situationen führen.
Das Testen von Batterien in einem Batterieprüfstand erfolgt mit festgelegten Belastungs- und Entlastungsvorgaben. Dazu werden von dem Objekt, in dem die Batterie Verwendung finden wird, Testzyklen aufgenommen und am Prüfstand hinterlegt. Am Prüfstand kann der Anwender diese Lade- und Entladezyklen durchlaufen lassen und die interessierenden Daten mitloggen. Bei diesen Testläufen können die verschiedenen Umgebungsvariablen, wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit oder Erschütterungen mit berücksichtigt werden.
Die Vorteile und die Möglichkeiten, die ein Batterieteststand bietet, machen ihn zu einem sehr guten Werkzeug, welches in den Entwicklungsprozess von mobilen Leistungsanwendungen integriert werden kann. Die Idee liegt nahe, die Vorteile des Teststandes während der Entwicklungsphase von mobilen Geräten durch eine Kopplung mit einem virtuellen Modell zu kombinieren. Das Simulationsmodell muss die Eigenschaften des zu untersuchenden Objektes einschließlich der Umgebungsbedingungen widerspiegeln. Durch diese Herangehensweise können mobile Endgeräte mit dem Verhalten der realen Batterie während der virtuellen Inbetriebnahme unter verschiedensten Bedingungen sicher getestet werden. Der Einsatz von Simulationsmodellen und die Verwendung von Hardware-in-the-Loop ermöglichen genauere Batterietests und eine bessere Bewertung ihrer Anwendbarkeit in Elektrofahrzeugen als herkömmliche Testzyklen.
Ravon dient als Testobjekt für das Simulationsmodell
Da für die Entwicklung der Methodik verständlicherweise keine detaillierten Daten von den Fahrzeugherstellern zur Verfügung gestellt werden, wurde im Rahmen des vom BMBF unterstützten Projekts Vierfores der von der TU Kaiserslautern entwickelte autonome Roboter Ravon (Robust Autonomous Vehicle for Off-road Navigation) als Testobjekt gewählt. Die Hauptelemente des entwickelten Modells sind der elektrische Vierrad-Antriebsstrang, der mechanische Teil des Antriebs mit Belastung, das Regelungssystem und die elektrischen Batterien für die Speisung des Fahrzeugs. Das Elektrofahrzeug wird mit acht 12-V-Batterien und einer Gesamtspannung von 48 V gespeist.
Ravon ist somit sowohl von der elektromechanischen Komplexität als auch von der Steuerungstechnik mit einem Elektrofahrzeug vergleichbar. Die mechatronische Modellierung wurde mit der objektorientierten Modellierungssprache Modelica realisiert. Damit können multiphysikalische Modelle komfortabel definiert und mit Hilfe eines geeigneten Übersetzers und einer unterstützenden Simulationsumgebung – wie etwa Dymola – effizient simuliert werden. Vom Fraunhofer Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF wurde ein Programm entwickelt, dass einen automatisierten Workflow zur Modellerstellung mit Modelica ermöglicht. Dazu werden allgemeine CAD-Daten im Step Format verwendet. Bei der Modellerstellung werden die physikalischen Parameter, wie etwa die Geometrie, die Masse, die Trägheit, die Abhängigkeiten und die Schnittstellen zu den angrenzenden Domänen mit übergeben und in eine Modelica-Beschreibung überführt. Durch diesen Workflow wird eine viel schnellere Modellerstellung für ein Mehrkörpersystem ermöglicht, als das bei der herkömmlichen Vorgehensweise realisiert werden kann.
Ein wichtiger Punkt der Simulationsumgebung ist die Integration eines realen Batterieteststandes. Dadurch können reale Bedingungen der Batterie mit berücksichtigt werden, wie zum Beispiel Druck, Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Erschütterungen.
Die Kopplung von Simulation und Batterieteststand musste so realisiert werden, dass ein bidirektionaler Parameteraustausch möglich ist. Dadurch ist es möglich, der zu testenden Batterie, Energie zu entnehmen oder ihr zuzuführen. Als Hardware wird der Prüfstand der Evalvator-B Serie von Fuelcon verwendet. Mit diesem Prüfstand können verschiedene Typen von Batterien wie Lithium-Ionen, Lithium-Polymer, NiCd, NiMH oder auch Blei-Akkus getestet werden.
Die Batterieprüfstände von Fuelcon werden über Visual Basic (VB) Skripte gesteuert. Über diese Skripte ist auch eine Kommunikationsmöglichkeit gegeben. Die Programmierung erfolgte in nebenläufigen Skripten, die während des Prüfablaufs aufgerufen werden. Dadurch ist es möglich, Werte vom Prüfstand auszulesen und entsprechende Werte dem Prüfstand zur Verfügung zu stellen.
Die Kommunikation zwischen dem Skript vom Prüfstand und dem Simulationsmodell erfolgt über eine im Fraunhofer IFF entwickelte COM-Schnittstelle (Comsigate). Über diese ist ein bidirektionaler Datenaustausch über UDP (User Datagram Protocol) mit einer Zykluszeit von 10 ms realisiert worden.
Real Time Interface (RTI) ist eine vom Fraunhofer IFF entwickelte Schnittstelle zur echtzeitfähigen Kopplung heterogener Simulations-, Steuerungs-, und Visualisierungsapplikationen. In der Simulationsumgebung wird sie für den Datenaustausch zwischen Matlab/Simulink und Dymola in Echtzeit und für die Visualisierung verwendet. Über die RTI-Schnittstelle werden unter anderem die Drehzahlvorgaben für die Motoren und der Lenkwinkel vorgeben.
Echtzeitkopplung von Fahrzeugmodell und Batterieprüfstand
Bei der Echtzeitkopplung von Fahrzeugmodell und Batterieprüfstand werden unter anderem der elektrische Strom und die Spannung ausgetauscht. Diese Werte werden durch das Verhalten von Ravon bestimmt. Dabei haben Faktoren wie zum Beispiel die Bodenbeschaffenheit, das zu befahrende Gelände und das Fahrverhalten Einfluss auf die bidirektional ausgetauschten Signale. Die Simulation empfängt die aktuelle Batteriespannung vom Prüfstand und sendet den momentan erzeugten oder verbrauchten Strom des Fahrzeugs zurück. Dadurch wird die reale Batterie belastet beziehungsweise geladen.
Zur Untersuchung des Simulationsmodells inklusive der gekoppelten Energieversorgung werden Testfahrten durchgeführt. Untersucht werden dabei die auftretenden Strom- und Spannungsänderungen, Auswirkungen von Stromspitzen durch plötzliche Laständerungen sowie das Rückspeiseverhalten. Im Prüfstand befinden sich dabei die auch im Fahrzeug real eingesetzten Batterien.
Die Ergebnisse: Zuerst wurde ein Fahrprofil mit konstanter Geschwindigkeit untersucht. Bei konstanter mechanischer Leistungsaufnahme steigt der Strombedarf, weil die Batteriespannung sinkt. Dieser Vorgang basiert auf Grundlage der Leistungsbilanz. Das virtuelle Fahrzeug fuhr geradeaus mit einer Geschwindigkeit von 10 km/h. Diese Geschwindigkeit kann nur solange beibehalten werden, bis der maximale Strom der Batterie erreicht ist. Ab dem Punkt reicht die zur Verfügung stehende elektrische Leistung der Batterie nicht mehr aus.
Im anderen Fall steigt die Batteriespannung, wenn Strom zurückgespeist wird während eines Bremsvorganges. In diesem Fall arbeiten die Antriebe als Generatoren. Dieses Szenario wurde als Zweites untersucht und bewertet.
In einem weiteren Szenario wird die Beschleunigungsphase mit Abbremsphasen in Vorwärts- und Rückwärtsrichtung und einem kurzzeitigen Stopp untersucht. Dabei ist zu erkennen, wie der Strom während der Beschleunigungsphase ansteigt und die Batteriespannung kurzzeitig absinkt. Ebenfalls sind die Stromspitzen ersichtlich, wenn die Motoren in den Generatorbetrieb übergehen. Diese Stromspitzen können beim Laden und Entladen die Lebensdauer der Batterie beeinträchtigen.
Im nächsten Testszenario wird untersucht, wie ein ständiger und rascher Fahrtrichtungswechsel sich auf den Stromverlauf und die Batteriespannung auswirkt. Bei diesem Test sind die Stromspitzen um ein Vielfaches höher als beim vorher gezeigten Fall. Solche Stromspitzen haben negativen Einfluss auf die Lebensdauer der Batterie.
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Es wurde gezeigt, dass durch eine Hardware-in-the-Loop-Kopplung von mechatronischen Modellen mobiler Systeme mit einem realen Teststand für Batterien die Energiebilanz des Gesamtsystems unter realen Bedingungen getestet werden kann. Damit lassen sich Belastungs- und Lebensdaueruntersuchungen ohne aufwendigen Bau von Prototypen durchführen. Die Batterieauslegung kann optimiert werden, ebenso wie die elektrisch-mechanischen Eigenschaften des Prototypen. Im Ergebnis wird die Produktentwicklung beschleunigt und durch frühzeitige Tests abgesichert. Diese Vorgehensweise ist nicht nur für elektrisch betriebene Fahrzeuge, sondern auch für alle Arten batteriebetriebener Geräte mit höherem Leistungsbedarf geeignet. ■
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