Startseite » Allgemein »

Simultane Thermische Analyse

Charakterisierung polymerer und keramischer Werkstoffe
Simultane Thermische Analyse

Die Thermische Analyse gewinnt in der Industrie immer stärker an Bedeutung. Sie bildet das Bindeglied zwischen analytischen Methoden und mechanischen Prüfverfahren. Im Vergleich zu anderen Techniken ist ihre Anschaffung nicht mehr kostspielig. Ihre Handhabung erfordert keine spezifischen Kenntnisse. Und sie ist leicht zu automatisieren.

Wann die Thermische Analyse als Methode für die industrielle Qualitätssicherung eingeführt wurde, ist nicht bekannt. Sicher ist, dass ihr Nutzen zuerst im Bereich anorganischer Werkstoffe erkannt wurde. Die Differenzthermoanalyse (DTA) wurde zur Charakterisierung von Gläsern, Keramiken und deren Rohstoffen sowie zur Erstellung von Phasendiagrammen bereits vor 1950 eingesetzt. Wichtig war die Bestimmung von Wasserverlusten, Fest-Fest-Übergängen, Schmelz-, Sinterungs- und Kristallisationsvorgängen.

Die Thermogravimetrie (TG) war erst seit 1956 kommerziell erhältlich. Anfang der Sechziger Jahre wurden zwei Wege beschritten: die Entwicklung von „echten“ Thermogravimetrie-Geräten und die von kombinierten DTA-TG Systemen. In den letzten 40 Jahren hat eine bedeutende Weiterentwicklung der Simultantechnik stattgefunden. Diese hat die Leistungsfähigkeit der Geräte und somit ihre Anwendungsvielfalt und Nutzen erhöht.
Neues Konzept
Das neue simultane DTA-TG System DTG-60 bietet im Vergleich zu anderen Simultangeräten ein neues Konzept (Abb. 1). Die oberschalige Anordnung erleichtert den Zugang zu den Detektoren und die Aufgabe von Proben. Der Ofen wird per Knopfdruck automatisch in die richtige Position gebracht. Die Waage basiert auf der „Doppelbalken“-Technik. Sowohl die Proben- als auch die Referenzposition sind unabhängig voneinander mit einem sogenannten Hauptwaagebalken verbunden. Gewichtsänderungen werden elektromagnetisch kompensiert, indem dieser durch Änderung des Spulenstroms wieder in die Nullpunktposition zurückgebracht wird. Gegenüber dem konventionellen Aufbau mit einem Waagebalken werden Einflüsse durch Konvektion, Auftriebseffekte oder Molekularströme minimiert. Zudem verbessert sich die thermische Stabilität der Waage bei Langzeitversuchen signifikant. Als Besonderheit sind Differenzmessungen zwischen zwei Proben in einem Lauf nicht nur auf das DTA-Signal begrenzt, sondern auch für das TG-Signal verfügbar.
Anwendungen
In der keramischen Industrie hängt die Qualität des Endproduktes von der Reinheit der Rohstoffe ab. So kommen unter anderem Tonminerale zum Einsatz. Andere Schichtsilikate oder Minerale verunreinigen diese vielfach. Im DTA-TG Diagramm (Abb. 2) werden sie eindeutig durch die Phasenumwandlungstemperaturen und die thermische Stabilität charakterisiert. Für Kaolinit sind drei Stufen typisch:
– Abgabe von Wasser bis 200 °C,
– Abspaltung der OH-Gruppen aus dem Kristallgitter bis 800 °C mit einem endothermen Peak bei 537 °C,
– Gitterumwandlung bei 1015 °C, welche als Spinel-Kristallisation bekannt ist.
In vielen Bereichen wie der Fein- oder Bauchemie oder bei pharmazeutischen Produkten spielt die Charakterisierung einzelner Molekülgruppen eine wichtige Rolle. Insbesondere die Bestimmung von Wasser – ob Haft- oder Kristallwasser – spielt hier eine Rolle. Betrachtet man die DTA-TG Kurve von Kupfersulfat-Pentahydrat (Abb. 3), so kann eine klare Differenzierung der Abspaltung einzelner Kristallwassergruppen sowie bei höheren Temperaturen von anderen flüchtigen Bestandteilen durchgeführt werden.
Das Wasser wird in drei Stufen freigesetzt: je zwei Wassergruppen bei 104 °C beziehungsweise 139 °C. Die fünfte Wassergruppe spaltet sich bei 249 °C ab. Die TG-Kurve bestätigt quantitativ diesen Gewichtsverlust. Zwischen 700 und 800 °C wird SO3 abgegeben. Die DTA-Kurve verweist hierbei auf eine zweistufige Reaktion. Oberhalb 900 °C erfolgt die Abgabe von Sauerstoff, so dass als Hochtemperaturprodukt CuO2 erhalten bleibt.
Für die Kunststoff- und Gummiindustrie bringt die simultane thermische Analyse ebenfalls viele Vorteile. Insbesondere bei verstärkten Polymeren, bei denen im Produktionsprozess Abseigerungseffekte auftreten können, bestimmt das DTA-TG System neben dem Schmelzpunkt des Polymers auch den Anteil an Füllstoffen. So lassen sich schnell und einfach Inhomogenitäten feststellen, die zur Schwächung der mechanischen Materialeigenschaften führen. Bei der Untersuchung von Elastomeren (Abb. 4) wird neben dem Anteil von leichtflüchtigen Bestandteilen, dem Polymer- und Rußanteil auch der Gehalt an anorganischen Füllmitteln gemessen. Zudem können über die DTA-Kurve der Vulkanisationsgehalt und die Art des Zersetzungsprozesses bestimmt werden.
Automatisierung
Die simultane DTA-TG Technik ist eine einfach zu handhabende Technik. Im Vergleich zu vielen anderen Analysenverfahren erfordert sie im allgemeinen keine besondere Probenvorbereitung. Alle Analysen können entsprechend gängigen Normen wie der „Thermogravimetrie von Polymeren“ oder der „Bestimmung der Schmelz- und Kristallisationstemperatur sowie der Schmelz- und Kristallisationsenthalpie von Polymeren“ durchgeführt werden.
Da viele Laboratorien in der Forschung und Qualitätssicherung ein immer größeres Probenaufkommen bewältigen müssen, spielt die Automatisierung und Modularität auch für die simultane thermische Analyse eine große Rolle. In dem Moment, in dem diese Technik von der Forschungs- und Entwicklungsarbeit in die Qualitätskontrolle und Reklamationsbearbeitung eingesetzt wird, stellt sich neben der Forderung nach einer einfachen Bedienbarkeit und Robustheit der Anlage auch die Frage nach der Automatisierbarkeit. Moderne DTA-TG Systeme verfügen wie die Dynamische Differenzkalorimetrie (DDK oder DSC) über einfache Probenwechsler für die tägliche Routinearbeit (Abb. 5).
So erfüllt ein Probenwechsler mit 24 Positionen bereits ein Arbeitspensum von 1 bis 11/2 Tagen. Die Automatisierung beinhaltet die einfache Methodenerstellung, die automatische Auswertung der Messdaten und die Weiterleitung der Ergebnisse zu einem Netzwerkrechner. Als Hilfestellung für Programmierung und Analyse greift der Anwender auf eine Bibliothek zurück, in der material- oder probenspezifisch die optimierten Probenparameter einschließlich der Probenvorbereitung und alle mit der Auswertung verbundenen Bearbeitungsschritte wie der Basislinienkorrektur, Mehrpunktkalibration oder Berichtsauslegung angeordnet sind. Die Erstellung eines komplexen Makros ist nicht mehr erforderlich.
Eine sorgfältige Kalibration des Systems ist für die Wiederholbarkeit und Richtigkeit der DTA- und TG-Daten wichtig. Für die Kalibration der Temperaturen und Wärmewerte stehen die Standards wie Reinstmetalle oder organische Salze zur Verfügung, die bereits zum gleichen Zweck in der Dynamischen Differenzkalorimetrie verwendet werden. Die Referenzdaten können aktuellen PTB-Empfehlungen oder dem Anhang von DIN-, EN- oder ISO-Richtlinien entnommen werden. Die umständlich zu handhabende Curie-Punkt-Methode entfällt. Die Masse wird mittels geeichter Gewichte kalibriert.
Aussichten
Die simultane thermische Analyse hat sicherlich den Status eines Exoten unter den Analyseverfahren verlassen. Neue Techniken machen sie empfindlicher und reproduzierbarer in ihren Ergebnissen. Ihre Stärke liegt in der Charakterisierung von inhomogenen oder kleinen Proben, da an einem Material mehr Daten gemessen werden und eine Zuordnung verschiedener Phasenübergänge leichter möglich ist. Auch bietet die Automatisierung und die Modularität, über verschiedene Temperaturbereiche zu arbeiten, weitere Möglichkeiten für den Einsatz dieser Technik. Aber gerade im Verbund mit anderen Techniken wie der Untersuchung der Emissionsgase mit der FTIR- oder Massenspektrometrie erweitern das Anwendungsspektrum von Simultansystemen. Insbesondere neue Problemstellungen, wie sie die Arbeitssicherheit, die Forensik, die Katalyse oder das Materialrecycling eröffnen, werden von gekoppelten DTA-TG -FTIR (oder MS)-Spektrometrie gelöst.
Weitere Informationen A QE 501
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Quality Engineering
Titelbild QUALITY ENGINEERING Control Express 1
Ausgabe
Control Express 1.2024
LESEN
ABO
Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Whitepaper zum Thema QS


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de