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Strategisch, Nachhaltig, Innovativ

Das Aachener Qualitätsmanagement Modell als Ordnungsrahmen
Strategisch, Nachhaltig, Innovativ

Die derzeit schwierige Situation der produzierenden Industrie in Hochlohnländern wird häufig mit einem gestiegenen Wettbewerbsdruck erklärt. Hochlohnländer zeichnen sich in der Regel durch qualifizierte Mitarbeiter, optimierte Prozesse und innovative Produkte aus. Die neuen Wettbewerber hingegen kommen aus Niedriglohnländern, die ihre Wettbewerbsvorteile aus geringen Arbeitskosten generieren und gleichzeitig ihre technologischen Fähigkeiten verbessern.

Dr.-Ing. Mark Betzold ist Oberingenieur am Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen und Leiter der Abteilung Qualitätsmanagement des Lehrstuhls für Fertigungsmesstechnik und Qualitätsmanagement Dipl.-Ing. Dirk Kristes ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Fertigungsmesstechnik und Qualitätsmanagement des Werkzeugmaschinenlabors WZL der RWTH Aachen. Dipl.-Ing. Torsten Schulz leitet den Bereich Produktmanagement bei der IBS AG, Höhr-Grenzhausen.

Um dem Preiskampf im Segment für Standardprodukte zu entgehen, sind Unternehmen aus Hochlohnländern zu ständigen Innovationen aufgefordert, um ihre Technologieführerschaft zu behaupten und den Niedriglohnländern einen Schritt voraus zu sein.
Das Aachener Qualitätsmanagement Modell
In diesem Umfeld ist es die Aufgabe eines unternehmerisch geprägten Qualitätsmanagements, die wirtschaftliche Entwicklung von technologisch anspruchsvollen Produkten zu unterstützen. Das heißt für das Qualitätsmanagement, das Unternehmen zu befähigen, eigene Produkte so zu gestalten, dass sie unmittelbar und verschwendungsfrei die Forderungen der Kunden erfüllen.
Generell wird für die Gestaltung des unternehmerischen Qualitätsmanagements ein Ordnungsrahmen benötigt, der eine ganzheitliche Abbildung der Unternehmensaktivitäten ermöglicht und nicht nur auf einzelne Aspekte fokussiert ist. Abgeleitet aus den hier skizzierten Zielen und Aufgaben ergeben sich völlig neue Forderungen an die Modellierung des unternehmerischen Qualitätsmanagements. Bestehende Gestaltungsmodelle wie die ISO 9004:2007 Reihe oder Bewertungsmodelle wie das EFQM-Modell betonen lediglich die Erhöhung des Überdeckungsgrads von Kundenforderungen und Produkteigenschaften, ohne dabei die Unternehmensausrichtung bzw. die Unternehmensfähigkeiten explizit zu betrachten. Darüber hinaus fehlt es diesen Modellen aufgrund ihrer primär wertschöpfungsorientierten Prozesssicht an geeigneten Elementen zur Informationsrückführung in benachbarte oder zukünftige Produktgenerationen sowie in die zugehörigen Entwicklungsprozesse. Die Berücksichtigung von Produktlebenszyklen, die eine Möglichkeit zur Abbildung der Informationsbeziehungen darstellen, ist faktisch nicht operationalisiert.
Das am Lehrstuhl für Fertigungsmesstechnik und Qualitätsmanagement des Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen entwickelte Aachener Qualitätsmanagement Modell (Bild 2) schließt diese Lücken. Es schafft einen Ordnungsrahmen, der durch ein erweitertes Qualitätsverständnis die Berücksichtigung der unternehmerischen Fähigkeiten und Rahmenbedingungen ermöglicht sowie durch seine Lebenszyklusorientierung geeignet ist, das unternehmerische Qualitätsmanagement eines Unternehmens zu gestalten.
Die konstituierenden Bestandteile des Aachener Qualitätsmanagement Modells sind das Management, der Quality Stream und die Ressourcen & Dienste. In der Dimension des Managements stehen die effiziente Verfolgung von Strategien und Zielen, die Ausgestaltung der Organisationsstrukturen und der Aufbau eines Managementsystems zur Unterstützung der Ablauforganisation im Vordergrund. Das Kernelement des Modells ist der Quality Stream. Er bezieht sich auf die Prozesse und Abläufe im Unternehmen. Die zwei Strukturelemente des Quality Stream sind zum einen die Quality Forward Chains, in denen die proaktiven und präventiven Maßnahmen je Produktgruppe zusammengefasst sind. In der Quality Backward Chain sind zum anderen die reaktiv korrigierenden Aktionen für alle Produktgruppen organisiert. Regelkreise zwischen den Quality Forward Chains verschiedener Produktgruppen und der Quality Backward Chain ergänzen das Modell um Elemente der kontinuierlichen Verbesserung. Hierdurch schließt das Modell die Möglichkeit einer Informationsrückführung in benachbarte oder zukünftige Produktgenerationen sowie in die zugehörigen Entwicklungsprozesse ein. Die Berücksichtigung von Produktlebenszyklen ist somit abgebildet. Das dritte Kernelement des Modells sind die Ressourcen & Dienste. Sie spiegeln die Unternehmensfähigkeiten wider und sind zur Erreichung der Unternehmensziele unbedingt erforderlich. Innerhalb der Strukturelemente werden die jeweiligen Ausprägungen der verschiedenen Unternehmensattribute dargestellt.
Kunden-, Führungs- und Betriebsperspektive
Den an ein Gestaltungsmodell des unternehmerischen Qualitätsmanagements gestellten Anforderungen trägt das Aachener Qualitätsmanagement Modell zum einen durch die vorgenannten Strukturelemente und zum anderen durch die im Modell verankerten Kunden-, Führungs- und Betriebsperspektive Rechnung (Bild 3).
Je nach Perspektive stehen dabei die Produkt-, System- oder die Prozessqualität im Mittelpunkt. Im Fokus der Kundenperspektive steht die Produktqualität. Dabei steht insbesondere die Transformation von Kundenforderungen in begeisternde Produkte im Vordergrund. Mit der Führungsperspektive wird die Unternehmensausrichtung in Bezug zu den Leistungsprozessen eines Unternehmens gesetzt. Sie ist grundsätzlich top-down orientiert und auf die Vorgabe von Zielen ausgerichtet. Damit adressiert sie die Systemqualität einer Organisation. Im Mittelpunkt der Betriebsperspektive steht die Prozessqualität, die somit auf die Umsetzung der von der Führungsperspektive abgeleiteten Ziele und auf die Optimierung der dazu erforderlichen Prozesse bottom-up ausgerichtet ist.
Effizientes Qualitätsmanagement im Produktlebenszyklus
Die IBS AG, die sich als einen der führenden Hersteller von Standard Softwarelösungen für das integrierte, industrielle Qualitäts- und Produktionsmanagement sieht, hat die Anforderungen und Vorgaben dieses Modells im Rahmen ihrer Produktsuite umgesetzt. Alle Phasen des Produktlebenszyklus, von der Produktentstehung, über die Produktherstellung, bis zur Produktbewährung werden durchgängig mit den Modulen der IBS CAQ-Lösung unterstützt und optimiert.
Eine wesentliche Optimierung der Prozesse aus Qualitätssicht erfolgt bereits in den Phasen der Produktplanung, -entwicklung und –konstruktion. Über Produkt- und Prozess-Entwicklung und –Design, Produkt- und Prozess-Validierung, Serienproduktion, bis hin zur Integration der Felddaten, Bewertung und Korrekturmaßnahmen findet die Qualitätsvorausplanung Anwendung. Durch eine konsequente Nutzung werden Entwicklungsschritte beschleunigt und die Teamarbeit durch ein integriertes Maßnahmenmanagement optimiert.
Die Prozessoptimierung in der Fertigung ist ein wesentlicher Bestandteil der Produktherstellung. Durch das Controlling von Qualitätskennzahlen wird der Prozess bewertbar gemacht. Für die Rückverfolgung aller Qualitätsdaten ist es notwendig, dass ein Lebenslauf die Qualitätshistorie eines Produktes lückenlos dokumentiert. Im Rahmen der Produktbewährung erfolgt die Betreuung unter Qualitätsgesichtspunkten in erster Linie im Kundenmanagement. Dabei liefert der Informationsaustausch zwischen Kunden und Lieferanten einen wesentlichen Input in den Bereich der Produktentstehung.
Darüber hinaus fließen alle notwendigen Rückkopplungen bzw. Erkenntnisse aus den jeweiligen Prozessen, zum Beispiel der Felddaten durch das Reklamationsmanagement in die Produktentstehung ein und unterstützen damit einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess im Sinne von lessons learned.
Fazit:
Unternehmerisches Qualitätsmanagement befähigt Unternehmen, Kundenanforderungen unmittelbar und verschwendungsfrei zu erfüllen. Damit wird insbesondere für produzierende Unternehmen in Hochlohnländern ein wertvoller Beitrag zum Unternehmenserfolg geleistet. Das Aachener Qualitätsmanagement Modell bietet den Handlungsrahmen für ein unternehmerisch ausgerichtetes Qualitätsmanagement.
12. Aachener Qualitätsgespräche
Am 5. bis 6. Mai werden in Aachen auf dem Business Summit „Qualität und Unternehmensführung“ im Rahmen der 12. Aachener Qualitätsgespräche die oben skizzierten Themen vertieft dargestellt.. Von führenden Industrievertretern werden dort Best Practices sowohl zur bewussten Gestaltung kundengerechter Produkte als auch zur Organisation von qualitätsgerechten Aufbau- und Ablaufstrukturen diskutiert. Aktuelle Informationen zum Programm und zur Anmeldung: www.wzlforum.rwth-aachen.de
Literaturvereichnis
[SCHM07a] Schmitt, R.; Schuh, G.; Brecher, C.; Klocke, F.: Excellence in Production. Apprimus-Verlag, Aachen 2007.
[SCHM07b] Schmitt, R.; Betzold, M.; Hense, K.: Das Aachener Qualitätsmanagementmodell. In: Schmitt, R.; Pfeifer, T. (Hrsg.): Masing Handbuch Qualitätsmanagement, 5., vollständig neu bearbeitete Auflage. Carl Hanser Verlag, München 2007.
[SCHM07c] Schmitt, R.; Lenkewitz, C.; Behrens, C.: Unternehmerisch umgesetzt – Das neue Aachener Qualitätsmanagement Modell. MQ Management und Qualität 11/2007.
IBS, Höhr-Grenzhausen
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