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Trockenprüfung von Winzigkeiten

Durchflussmessung mit Laminar Flow Elementen
Trockenprüfung von Winzigkeiten

Kleine Mikrobohrungen oder Öffnungsquerschnitte lassen sich nur über eine Durchflussmessung genau vermessen. Das Verfahren zur Ermittlung der Drosselquerschnittsfläche setzt sich aus der Durchströmung des Prüflings bei überkritischem Druckverhältnis und der Messung des dadurch eingeprägten Volumenstroms mit einem Laminar Flow Element zusammen.

Dipl. Phys. Karl Ilg, Geschäftsführer, EP Instruments Messtechnik + Kalibrierung GmbH, Steinenbronn

Mikrobohrungen beziehungsweise Öffnungsquerschnitte in komplexen Bauteilen wie Düsen oder Drosselstellen in Ventilen, Kraftstoffeinspritzanlagen und Bremssystemen lassen sich hinsichtlich ihrer tatsächlichen Querschnitte nur über eine Durchflussmessung genau vermessen. Insbesondere bietet die strömungsmechanische Vermessung eines Strömungsquerschnitts wegen des mittelwertbildenden Ergebnisses eine weitaus praxisgerechtere Beurteilung des als eine rein geometrische Vermessung ergeben würde. Solche Querschnittsflächen bestehen oftmals aus Ringspalten oder mehreren, wenige Bruchteile von Millimetern messenden Bohrungen und müssen mit hoher Wiederholpräzision hergestellt werden. Die Beurteilung und Überwachung der Fertigungsqualität erfordert ein schnelles, genau arbeitendes und einfach automatisierbares Prüfverfahren.
LFE erzeugen Differenzdruckabfall
Laminar Flow Elemente (LFE) sind Wirkdruckgeräte, die beim Durchströmen einen Druckabfall erzeugen. Dieser Differenzdruck dient als Maß für den aktuellen Volumenstrom (mittlere Strömungsgeschwindigkeit). Mit den LFE lassen sich Volumen- und Masseströme genau, reproduzierbar und sehr schnell messen. Sie sind daher in der Fertigung die erste Wahl zur Flächen- und Passungsbestimmung von Düsen, Blenden, Spalten und anderer Drosselgeometrien. Das Messverfahren mit LFE setzt sich aus zwei Vorgängen zusammen: Der Durchströmung des Prüflings bei einem überkritischen Druckverhältnis und der Messung des dadurch eingeprägten Eingangsvolumenstroms vor dem Prüfling mit Laminar Flow Elementen. Bei der Prüfung unter kritischen Bedingungen besteht ein direkter Zusammenhang zwischen Volumenstrom und Querschnittsfläche. Um eine Regelung auf konstante Betriebsbedingungen zu vermeiden, werden die Einflussgrößen erfasst und rechnerisch kompensiert. Der Temperatureinfluss wird berücksichtigt, bei sehr hohen Anforderungen an die Genauigkeit können auch noch die Einflüsse von Absolutdruck und Luftfeuchtigkeit korrigiert werden.
Die Physik des Prüfmediums
Die sich einstellende Strömung des Prüfmediums bei Anlegen einer Antriebskraft (Über- oder Unterdruck) über dem zu prüfenden Querschnitt hängt von den Stoffeigenschaften des Prüfmediums, vor allem der Dichte und Viskosität, sowie von der Größe der Antriebskraft und der Größe der zu prüfenden Fläche ab.
Die Stoffeigenschaften von Flüssigkeiten und Gasen wie Luft bezüglich Temperatur- und (Absolut-) Druckabhängigkeit unterscheiden sich gänzlich. Die am besten bekannte Eigenschaft der Gase aus der Alltagserfahrung ist deren Kompressibilität. Diese bewirkt, dass bei Gasen die Dichte vom Druck abhängt und damit auch der Volumenstrom von Gasen gegenüber dem Massestrom druckabhängig wird. Im Gegensatz dazu sind Flüssigkeiten inkompressibel und ihr Masse- und Volumenstrom in großen Bereichen wegen der vernachlässigbar kleinen Druckabhängigkeit der Dichte im Verhältnis zueinander konstant.
Nutzt man bei Messungen Luft oder Gase, kann wegen der viel geringeren Dichte – Luft hat zum Beipiel nur ein Tausendstel der Wasserdichte – an der gleichen Querschnittsfläche bei gleichem Prüfdruck mehr als der 30fache Volumenstrom auftreten. Erhöht man den Prüfdruck, kann man gleichermaßen bei Gasen mit dem Übersetzungsverhältnis spielen, da der Druck den Volumenstrom zusätzlich über die größer werdende Dichte erhöht.
Darüber hinaus lässt sich bei der Messung mit Luft oder Gasen ein weiteres physikalisches Phänomen, der sogenannte Schallgeschwindigkeitseffekt ausnutzen. Dieser tritt ein, wenn Drosselstellen mit Gasen überkritisch betrieben werden. Überkritischer Betrieb beginnt, wenn der absolute Eingangsdruck doppelt so groß wie der Ausgangsdruck an der Drosselstelle ist. Dann kann das Gas den engsten Querschnitt maximal mit Schallgeschwindigkeit durchströmen. Diese kann aus Kontinuitätsgründen des Strömungsverlaufs an der engsten Durchgangsstelle von Gasen selbst bei Erhöhung des Druckes nicht überschritten werden. Erst dahinter kann die Strömung „aufplatzen“ und Überschall erreichen. Damit wird der Eingangsvolumenstrom an einer Drosselstelle bei überkritischem Betrieb mit Luft oder Gasen eine konstante Größe.
Dieser Effekt tritt nur bei Gasen schon bei sehr niederen Überdrücken ab 1 bar auf, während für Flüssigkeiten die sogenannte Blendengleichung (Quadratwurzelfunktion aus Überdruck und Dichte) bis zu hohen Druckdifferenzen über 1000 bar gültig bleibt.
Das technische Verfahren
Eine „trockene“, pneumatische Prüfung von einfachen und komplexen Bauteilen bietet daher neben den physikalischen auch viele andere Vorteile.
Zum einen gibt es Luft als Prüfmedium überall kostengünstig. Sie kann mit geringem Aufwand so aufbereitet werden, dass durch die Prüfung selbst keine unerwünschte Verschmutzung eingebracht wird. Zum anderen kann unter Ausnutzung der oben dargelegten Effekte die Prüfung einfacher erfolgen. Denn bei Verwendung des aktuellen Eingangsvolumenstroms als Maß für die Geomoetrie des Prüflings kann bei überkritischem Betrieb auf eine genaue Prüfdruckregelung meistens verzichtet werden. Damit vereinfacht sich der Prüfaufbau mit Luft, wenn das Durchflussmessgerät dem Prüfling vorgeschaltet werden kann. Gleichzeitig verringert sich auch das Verschmutzungsrisiko für das Prüfgerät. Denn im Prüfling vorhandene Verschmutzung wird auf der anderen Seite ausgeblasen. Die Aufgabe zur Ermittlung der Querschnittsfläche reduziert sich somit im wesentlichen auf die Messung des bei überkritischem Betrieb eingeprägten aktuellen Volumenstroms der Prüfluft.
Vor allem in der Automobil-Zulieferindustrie werden viele Stellglieder geprüft und vermessen, welche die Aufgabe haben, einen bestimmten Luft-Massestrom einzustellen (Leerlaufsteller, E-Gasklappen, Entlüftungsventile). Deshalb werden in Prüfvorschriften oft Massestromwerte vorgeschrieben. Für die Prüfung der Durchlasskennlinien in der Fertigung eignet sich der Massestrom nicht immer zur Beurteilung der Geometrie. Vielmehr eignet sich hier abhängig von der Messanordnung oft nur der aktuelle Volumenstrom. Der Normvolumenstrom beziehungsweise Massestrom kann nur mit entsprechenden Korrekturen verwendet werden.
Das Verfahren, das sich dafür besonders eignet, heißt Durchflussmessung mit Laminar Flow Elementen. Es erfüllt die allgemeinen Anforderungen an eine Fertigungsprüfung bezüglich Schnelligkeit, Genauigkeit und Messspanne. Die LFE besitzen eine sehr lineare Kennlinie und liefern ein dem aktuellen Volumenstrom proportionales primäres Signal.
Empfehlenswerte Messaufbauten
Die Vermessung von Prüflingen bezüglich des Durchmessers mittels Druck und Durchfluss geschieht je nach Möglichkeit zur Adaption und der jeweiligen Prüfvorschrift mit Über- oder Unterdruckprüfung.
Unterdruckprüfung:
Der Prüfling wird an eine Vakuumpumpe angeschlossen. Der Volumenstrom vor dem Prüfling (Ansaugung aus der Atmosphäre) wird mittels LFE gemessen. Bei dieser Messmethode wird ebenfalls der Volumenstrom bewertet. Der Volumenstrom vor dem Prüfling hängt von der Temperatur der Prüfluft (proportional zur Quadratwurzel aus der absoluten Temperatur) ab. Er ist wenig abhängig vom Absolutdruck der Prüfluft ( 1% / bar), bei dieser Anordnung der atmosphärische Luftdruck. Und er ist unabhängig vom Saugdruck der Vakuumpumpe, sofern das kritische Druckverhältnis eingehalten wird. Auch hier kann das LFE nicht durch die Prüflinge verschmutzt werden. Die atmosphärische Luft sollte allerdings gefiltert werden. Eine Korrektur der Temperaturabhängigkeit des Durchflusses durch den Prüfling ist wie bei der Überdruckprüfung durchzuführen.
Überdruckprüfung:
Der Prüfling wird mit Druckluft, meist circa 2.5 bar Überdruck zur sicheren Einhaltung des kritischen Druckverhältnisses, beaufschlagt. Der Volumenstrom vor dem Prüfling wird mittels LFE gemessen. Er ist von der Temperatur der Prüfluft (proportional zur Quadratwurzel aus der absoluten Temperatur) abhängig. Wenig hängt er hingegen vom Absolutdruck der Prüfluft ( 1% / bar) ab. Vom Auslassdruck (dem atmosphärischen Luftdruck) ist er unabhängig. Das LFE kann bei dieser Methode mit garantiert trockener, öl- und staubfreier Luft betrieben werden.
Auswertung mit dem LMF
Zur Auswertung der oben beschriebenen physikalischen Grundlagen hat der Hersteller einen leistungsfähigen Durchflussrechner entwickelt, das LaminarMasterFlow-Messsystem (LMF). Es ermöglicht eine schnelle Messung und Regelung der Größen im Rahmen der Genauigkeitsanforderungen der Durchflussprüfung. Das Messgerät ist modular aufgebaut und besteht aus einer Versorgungseinheit, einer LFE-Messstrecke mit Sensorik, der Auswerteelektronik und entsprechender thermodynamischer Durchflussberechnungssoftware.
Die Modultechnik ermöglicht es, die Laminarstrecke nahe am Prüfort anzubringen und die Auswerteelektronik für das Ablesen der Anzeige günstig zu positionieren.
Versorgungseinheit
Die Versorgungseinheit enthält ein Druckregelventil, eine Druckanzeige, ein Filterpaket und einen Ölabscheider. Die Einheit kann für Über- oder Unterdruckbetrieb ausgelegt werden. In jedem Fall sind Druckregler mit angepasster Durchsatzleistung notwendig.
Laminarstrecke mit Sensorik
Die Laminarstrecke (LFE) ist für den externen Aufbau kompakt mit Ein- und Auslaufstrecken aufgebaut. Im externen Aufbau sind die Sensoren für Differenzdruck, Absolutdruck und Temperatur integriert. Zusätzlich lässt sich ein externes Absperrventil anschließen. Dies ist dann sinnvoll, wenn es zwischen Laminarstrecke und Spannstelle des Prüflings ein großes Luftvolumen gibt. Diese Luft müsste bei jeder Messung komprimiert werden, was zu längeren Messzeiten führen würde.
Auswerteelektronik
Die Kernelektronik des LMF besteht aus einem frei programmierbaren Mikrocontroller. Ein Signalprozessor steuert den kompletten Prüfablauf sowie die Messwerterfassung und -auswertung. Modularität ist zum einen im mechanischen Aufbau und der Sensorik des Messsystems und zum anderen in der flexibel konfigurierbaren Auswertesoftware gewahrt. Der modulare Aufbau ermöglicht eine Adaption an jede erdenkliche Messaufgabe.
Durchflussberechnungssoftware
Mit zehn frei konfigurierbaren Prüfprogrammen kann das Messsystem für verschiedene Messaufgaben eingerichtet werden. Bis zu drei Messstrecken lassen sich gleichzeitig auswerten.
Die Anzeige des LMF stellt den aktuellen Volumenstrom, Normvolumenstrom und Massenstrom dar. Weiterhin können sämtliche dem Messsystem zugeführten Sensorsignale, zum Beispiel Differenzdruck, Absolutdruck, Temperatur und Feuchte linearisiert und angezeigt werden. Bei Bedarf lassen sich auch intern errechnete Werte wie Dichte, Viskosität oder Reynoldszahl des Gasdurchflusses anzeigen. Umrechnungen auf verschiedene Normbedingungen werden durch Vorgabe entsprechender Standardbedingungen ermöglicht.
Kalibrierung
In dem firmeneigenen Kalibrierlabor erfolgt die Kalibrierung der LMF-Messsysteme und Laminarstrecken. Die Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) hat das Labor zertifiziert, welches auch als Kalibrierstelle des Deutschen Kalibrierdienstes (DKD) akkreditiert ist. Die Kalibriergenauigkeit der Arbeitsnormale liegt bei kleiner 0,25 bis 0,65 Prozent vom Messwert.
Das LMF-Messsystem verfügt über eine integrierte Linearisierung und korrigiert Abweichungen der Sensoren und Laminar Flow Elemente von der linearen Kennlinie. Zur Bestimmung der Kennlinie wird die Laminarstrecke über den gesamten Messbereich vermessen und protokolliert. Die ermittelten Korrekturwerte werden im LMF als Polynom hinterlegt. Die Wiederholpräzision des Messsystems ist kleiner ± 0,5 % v. M. Die Genauigkeit über dem gesamten Messbereich ist besser ± 1% v. M. in der Messspanne 1:10.
Die größte Schwierigkeit in der Praxis bei der Umstellung von Nass- auf Trockenprüfung ist die Festlegung von neuen Prüfwerten im Zusammenhang mit dem neuen Prüfverfahren und die Korrelation gasförmig/flüssig. Die Prüfwerte müssen in der Regel experimentell ermittelt werden.
Das vorgestellte Verfahren erfüllt die allgemeinen Anforderungen, die an ein Fertigungsprüfverfahren zu stellen sind und ist durch die 5R-Bedingung gekennzeichnet: reproduzierbar, rationell, robust, rückwirkungsfrei und rechnergerecht.
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