Startseite » Allgemein »

Uni-Modell

Qualitätsmanagement und Universität – ein neues Begriffspaar (Teil 1)
Uni-Modell

Ausgehend vom traditionellen Bestreben der TU Graz nach höchster Qualität in Forschung und Lehre, beflügelt durch den zunehmenden Wettbewerb im Bereich der tertiären Ausbildung und der Wissenschaft sowie begünstigt durch die Vorgaben des Universitätsgesetzes (UG2002) wurde, nach einer eingehende Analyse der vorhandenen und eingeführten QM-Systeme, ein für Universitäten mit Forschung und Lehre geeignetes QM-Modell entwickelt. Warum dies notwendig war, wie weit die Umsetzung gediehen ist und welche nächsten Schritte geplant sind, wird nachfolgend dargestellt.

Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Gerald Gaberscik, Technische Universität Graz

Entwicklungen im Qualitätswesen
Bestrebungen die Qualität von Produkten hoch zu halten gehen bis weit in die Geschichte zurück. Man denke dabei nur an die mit lokalen Fähigkeiten und Voraussetzungen gekoppelten Attribute wie „Ferrum Noricum (Norisches Eisen)“ oder „Thrakische Pferde“ in der Römerzeit oder Bezeichnungen wie „Made in Germany“ (einst als Brandmarkung von ausländischer Ware in England eingeführt und schnell zum Qualitätslabel geworden). Zu diesen ortsgebundenen „Qualitätsangaben“ kommen auch ortsunabhängige Maßnahmen z.B. Befähigungsprüfungen und Zusammenschlüsse, wie dies vor allem im Mittelalter mit dem ausgeprägten Zunftwesen deutlich wird und in Aussagen wie „Meisterbetrieb“ oder „k&k Hoflieferant“ als Qualitätslabel weiterhin Verwendung findet (Abb.1). Diese Qualitätsangaben setzen voraus, dass per se z.B. in ganz Noricum qualitätsvolles Eisen erzeugt wird oder dass alle Meisterbetriebe Qualitätsarbeit liefern. Das führt uns zu der Frage was ist unter Qualität eigentlich zu verstehen?
Nach der Norm ISO 9000 ist Qualität der Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale Anforderungen erfüllt. Die Qualität gibt damit an, in welchem Maße ein Produkt (Ware oder Dienstleistung) den Anforderungen entspricht. Damit ist noch keine Aussage darüber getroffen ob dies schlecht, gut oder ausgezeichnet erfolgt, dafür sind beigesetzte Adjektive erforderlich. Eine weitere Sichtweise bringt P.F. Drucker ein, der feststellt: „Quality in a product or service is not what the supplier put in. It is what the customer gets out and is willing to pay for…. Customers pay only for what is of use for them and gives them value. Nothing else constitutes quality.” Man erkennt daraus, dass Qualität nicht mit einem absoluten Maßstab zu messen ist, sondern subjektiv beurteilt wird. Weiters ist die Verbindung zwischen Qualität und Preis/Kosten erkenntlich.
Zufriedenheit und Kosten
Die Loslösung von personenbezogenen Spezialkenntnissen zur Sicherung von Qualität führte zu einer dramatischen Kostenreduktion. Als Beispiel sei der Ansatz von F.W. Taylor genannt, der durch Sequenzierung des Arbeitsablaufes in einfache Teilschritte es ermöglichte, dass ungelernte Arbeitskräfte ein komplexes Produkt herstellen konnten, zu dessen Erzeugung zuvor nur Spezialisten in der Lage waren. Bei diesem Ansatz war es möglich kostengünstig und in großen Mengen Produkte auf den Markt zu bringen.
Die Balance zwischen Kosten bzw. Preis und Gegenwert war für die Kunden zufriedenstellend. Außer Acht gelassen war dabei, dass die Kunden sich an die aktuelle Qualität gewöhnen und dann wohl zufrieden aber nicht begeistert sind. Diese Begeisterung kann nur erreicht werden, wenn die Kunden erhebliche Abweichungen von ihren Erwartungen erfahren, diese merklich übererfüllt werden oder sie wesentliche Minderkosten haben. In allen anderen Fällen ist mit Unzufriedenheit oder Unsicherheit ob es zum Kauf kommt zu rechnen. Wie schon angeführt tritt auch noch ein Gewöhnungseffekt ein, Anforderungen sowie Kosten werden mit der Zeit als selbstverständlich aufgefasst und der Anbieter muss den Erfüllungsgrad verbessern bzw. den Preis senken (Abb.2). Es liegt nur ein grüner Quadrant vor, der anzustreben ist. Die Kundenbindung nimmt beständig ab, wenn die Qualität in Relation zum Preis nicht gesteigert wird.
Dem Zusammenhang zwischen Qualität, Kosten/Preis und dem „Gewöhnungseffekt“ wurde zuerst von amerikanischen Managern in Japan Rechnung getragen. Beginnend mit den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts kann man nun von „modernen“ QM sprechen. Auf Basis der Überlegungen von „Gurus“, wie z.B. Deming, wurden für die produzierende Industrie Methoden und Werkzeuge entwickelt die ortsunabhängig und auch weitgehend personenunabhängig Qualität garantieren sollen1. Diese Ansätze zur Qualitätssteigerung durch kontinuierliche Verbesserung, Qualitätsteams etc2. kennzeichnen die Periode der Produktqualität (Abb. 3). Mit der Einführung der Normen aus der ISO 9000 – Serie kam die Prozessqualität hinzu. Six Sigma, Total Quality Management und Qualitätspreise sind die Neuerungen dieser Periode. Mit der Neuauflage der ISO 9001 im Jahre 2000 erfolgte erneut ein Übergang, denn es kam die Informationsqualität zu den Anforderungen hinzu. Design for Six Sigma sei als Schlagwort genannt3. Mit all diesen Schritten wurde die Leistungsfähigkeit der QM-Maßnahmen und damit die Produktqualität in Relation zu Kosten/Preis gesteigert – es erfolgte der Übergang von Qualitätssicherung zu Qualitätsmanagement. Ziel aller Maßnahmen darf aber nicht nur die Qualität von Produkt, Prozess und Information sein, sondern es gilt Business Excellence anzustreben4. Die Modelle für die Wirtschaft zur Erreichung dieser Vorgaben sind in den Ansätzen wie EFQM5 dargelegt.
QM auch für Universitäten?
Die bisherige Entwicklung bezog sich auf die produzierende Industrie6 und in geringem Ausmaß auf den Dienstleistungsbereich7. Der Bildungsbereich wurde ab dem Jahre 2002 berücksichtigt und Leitlinien zur Anwendung der Norm ISO 9001:2000 herausgebracht8. Warum soll sich aber eine Universität mit dem Thema Qualitätsmanagement auseinander setzen und sind diese QM-Systeme überhaupt geeignet? Universitäten müssen integraler Bestandteil einer Gesellschaft sein, obwohl sie naturgemäß jene Eliten (aus-)bilden, die die Gesellschaft leiten und formen. Unsere Gesellschaft hier in Europa befindet sich in einem starken Wandel, der unter anderem wesentlich von der Globalisierung der Wirtschaft getrieben ist. Wenn nun die Universitäten sich von diesem Wandlungsprozess nicht abkoppeln wollen müssen innerhalb ihrer Strukturen erhebliche Veränderungen erfolgen. Dabei geht es nicht um eine Internationalisierung, denn Wissenschaft und Forschung, und damit die Universitäten, waren schon immer international. Es geht viel mehr um die Veränderung des Marktes (für Universitäten ein neuer Begriff) vom „Anbietermarkt“ hin zum „Käufermarkt“9.
War bis vor kurzem noch davon auszugehen, dass die Kunden „automatisch“ zur Universität kommen (müssen), so ist dies nun nicht mehr gegeben. Die Kunden wählen heute gezielt aus einem globalen Angebot das passende „Produkt“ aus. Dies gilt im nie da gewesenen Ausmaß für die Studierenden aber auch für Forschungskooperationen. Es hat damit ein weltweites Werben um die besten Forscher und begabtesten jungen Menschen eingesetzt. Universitäten sind plötzlich gezwungen sich damit auseinander zu setzen wer ihre Kunden sind und welche Erwartungen diese haben bzw. welche Anforderungen diese stellen. Eine Forderung ist dabei unstrittig, der Wunsch nach höchster Qualität. Hier reicht es nicht mehr aus sich auf Tradition, enge Führung durch das Ministerium oder Randbedingungen im Sinne von „Made in Austria“ zu berufen. Weiters ist zu beachten, dass die von der öffentlichen Hand zur Verfügung gestellten Mittel nicht mit dem Finanzbedarf Schritt halten und deshalb jede Maßnahme zur Verbesserung des Verhältnisses Qualität zu Kosten ergriffen werden sollte. Es geht nunmehr um nachweisliche Qualität für die Kunden und um effektiven Ressourceneinsatz. Diese Anforderungen sind somit ident mit jenen in produzierenden Betrieben. Daraus den Schluss zu ziehen, dass auch QM-Systeme übernommen werden können ist jedoch unzulässig. Die Randbedingungen einer Universität müssen umfassend Berücksichtigung finden, wenn ein funktionsfähiges, akzeptiertes QM-Modell eingeführt werden soll, denn selbst die aktuellen Vorschläge für den Bildungsbereich entsprechen nicht den Gegebenheiten an Universitäten mit Lehre und Forschung (Das Wort „Forschung“ kommt in den Dokumenten meist kaum bis gar nicht vor!10). Eine Universität muss also auf Basis der bestehenden und erprobten QM-Systeme eine Weiterentwicklung vornehmen um zu einem QM-Modell11 zu kommen, das zur Zielerreichung geeignet ist.
  • 1Vgl. Zollondz; Grundlagen des Qualitätsmanagement, 2. Aufl.; 2006; Oldenbourg
  • 2Vgl. Greßler, Göppel; Qualitätsmanagement; 5. Aufl.; 2006; Stam
  • 3Vgl. Geiger, Kotte; Handbuch Qualität; 2005; Vieweg Verlag
  • 4Vgl. Pall; Beyond Quality; Vortrag; Winners´ Conference 2007, Donau Universität Krems; 24. April 07
  • 5Vgl. http://www.efqm.org/ (Zugriffsdatum 07.07.07)
  • 6Vgl. Hartz, Meisel; Qualitätsmanagement; 2. Aufl.; 2006; Bertelsmann, Bielefeld
  • 7Vgl. Fürstenberg; Qualitätsmanagement in der Weiterbildung; 2004; hiba
  • 8Vgl. ISO/IWA2:2003 Guidelines for Application of ISO 9001 in Education; International Task Group
  • 9Vgl. Danzer; Qualitätsmanagement im Verdrängungswettbewerb; 1995; TAW-Verlag, Wuppertal
  • 10ONR 289004, QM-Systeme, Leitfaden zur Anwendung von ÖNORM EN ISO 9001:2005 in der Bildung; 1. Juni 2004
  • 11Vgl. Hrsg. v. Spiel; Evaluation universitärer Lehre – zwischen Qualitätsmanagement und Selbstzweck; 2001; Waxmann
Techn. Universität Graz
QE 503
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Quality Engineering
Titelbild QUALITY ENGINEERING Control Express 1
Ausgabe
Control Express 1.2024
LESEN
ABO
Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Whitepaper zum Thema QS


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de