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Viele QS-Fragen noch offen

Forum „Qualitätssicherung in der additiven Fertigung“
Viele QS-Fragen noch offen

Mit insgesamt rund 80 Teilnehmern war das erste Forum „Qualitätssicherung in der additiven Fertigung“ ein runder Erfolg. Quality Engineering und das Fraunhofer IPA haben die Veranstaltung, die am 13. März 2018 in Stuttgart stattfand, gemeinsam organisiert.

13 Experten aus Praxis und Forschung adressierten die unterschiedlichsten Qualitätsaspekte entlang des gesamten Produktionsprozesses. Dazu zählten rechtliche Themen ebenso wie Fragen rund um das Qualitätsmanagement sowie aktuelle und künftige Normen, welche die Leitplanken für die Qualitätssicherung setzen. Im Fokus standen natürlich auch die Mess- und Prüftechnik. Daneben präsentierten sechs Partner aus der Industrie in der Ausstellung ihre Lösungen und Dienstleistungen.

„Wir erleben gerade eine spannende Phase in der additiven Fertigung. Sie entkommt immer mehr dem Prototypen-Stadium und wird interessant für die Serienproduktion“, sagte Gregor Reischle, Program Manager Additive Manufacturing bei TÜV Süd Product Service. „Daher wird es für die Unternehmen, die additive Fertigung betreiben, nun Zeit, die Themen rund um die Qualitätssicherung auf den Tisch zu bringen und sich darum zu kümmern.“

„Additive Fertigung ist heute längst noch nicht da, wo wir sie aus Qualitätssicht gerne hätten. Eine wiederholbare Werkstückqualität ist gerade bei Verfahren, die Kunststoff einsetzen, nicht gegeben“, bestätigte Rolf Becker, Leiter der Forschungsabteilung bei Schunk. Das Unternehmen fertigt kundenspezifische Greifer in Losgröße 1 mit generativer Technologie, seit acht Jahren bereits aus Kunststoff, seit vergangenem Jahr zusätzlich aus Metallwerkstoffen. Bei diesen Greifern handelt es sich durchgängig um Bauteile, die von den Kunden in der Fabrik eingesetzt werden, also nicht um Prototypen. Becker listete auf: „Die Oberflächenrauheit der gefertigten Bauteile stimmt nicht ohne Nacharbeit, geometrische Genauigkeiten sind von Dienstleistern für additive Fertigung nicht einzufordern. Maschinenbautaugliche Zertifikate für Toleranzen im Zehntel-Millimeter-Bereich wären schon von Vorteil. Außerdem wäre es wünschenswert, wenn die Konstrukteure bereits Messpunkte bei den Bauteilen vorsehen würden.“

„Das Qualitätsmanagement erweist sich bei allen Verfahren für die additive Fertigung als sehr komplex, weil viele hundert Variablen Einfluss auf die Qualität der Fertigungsprozesse und der Bauteile haben“, sagte auch Professor Frank Brückner, Geschäftsfeldleiter Generieren und Drucken am Fraunhofer IWS in Dresden. Er empfahl den Besuchern des Forums, die gesamte Prozesskette im Blick zu haben – angefangen beim CAD-Modell über das Pulvertesten und das Post-Finishing bis hin zum Monitoring des Fertigungsprozesses. „Alleine mit den Details für das richtige Handling des Pulvers könnte man schon eine Veranstaltung füllen“, so Brückner. An die Maschinenhersteller gerichtet äußerte er den Wunsch, Sensordaten stärker als bisher sammeln und auswerten zu können, um daraus eine gewisse Intelligenz abzuleiten – und den Fertigungsprozess stabiler und reproduzierbarer zu gestalten.

Andreas Leupold, Leupold Legal, lenkte den Blick der Besucher auf die rechtlichen Aspekte der additiven Fertigung. „Für Auftraggeber und Dienstleister reicht ein Geheimhaltungsvertrag nicht mehr aus. Sie sollten vielmehr Industrial Security Agreements vereinbaren und ein entsprechendes Industrial Security Management System einführen, um personenbezogene sowie Maschinendaten zu schützen“, so sein Ratschlag. Er wies darauf hin, dass ein 3D-Modell kein patentierbares Produkt sei. Die Markenrechte, so Leupold, liegen beim Auftragnehmer, sobald dieser nur kleinste Änderungen an der Konstruktion vornehme. Auch bestehe kein Recht an den Produktionsdaten. „Es gibt keine Rechte an Daten, sondern nur an physischen Gegenständen“, stellte er klar. Vor diesem Hintergrund sei die Frage der Produkthaftung bei der additiven Fertigung sehr spannend. Denn wer letztlich der „Hersteller“ eines solchen Produkts sei, müssen die Vertragspartner in Qualitätssicherungsvereinbarungen (QSV) fixieren.

Reischle, TÜV Süd, gab einen Überblick über bestehende Normen sowie Standardisierungsbestrebungen auf nationaler und internationaler Ebene. „Vieles ist heute schon vorhanden, doch haben wir auch noch viele Lücken“, lautete sein Resümee. Insbesondere die Zertifizierung von Materialien stecke noch in den Anfängen. Heute existieren in der Regel Zusagen der Maschinenhersteller für die Werkstoffe, die in ihren Maschinen nutzbar sind.

Im Vortragsblock zur Mess- und Prüftechnik zeigte Thorsten Müller, Projektleiter Additive Manufacturing am Fraunhofer IFAM, auf, wie sich Pulverwerkstoffe analysieren, charakterisieren und qualifizieren lassen. „Bei einer Wiederverwendung rezyklierter Werkstoffe verändert sich die Partikelmorphologie. Dies beeinträchtigt die Fließfähigkeit des Materials und kann zu Fehlstellen im Bauteil führen“, so der Wissenschaftler.

Steffen Hachtel, Geschäftsführer des Werkzeugbauers und Spritzgießers Hachtel, gab einen Einblick in den Einsatz der Computertomografie (CT), die er seit zehn Jahren nutzt, um Kunststoffteile zu optimieren und Werkzeuge zu verbessern. „Die CT ist ein Zaubermittel im Kunststoffbereich, stößt aber an ihre Grenzen, wenn es sich um Bauteile aus Metall handelt“, so Hachtel. Stark variierende Wanddicken erzeugen dann Artefakte. Insofern sei die CT für Defektanalysen durchaus kritisch zu sehen. ■


Die Autorin

Sabine Koll

Redaktion

Quality Engineering


Vorabend bei Renishaw

Auch die Abendveranstaltung, die am Vortag des Forums im neuen Solution Center für additive Fertigung bei Reni-shaw in Pliezhausen stattfand, war sehr gut besucht. Die Kernkompetenz von Renishaw ist die industrielle Messtechnik, doch baut das Unternehmen sein Geschäftsfeld für generative Fertigung derzeit stark aus: Dazu gehören Laser-Fertigungssysteme und Dienstleistungen, wie sie im Solution Center angeboten werden. Kunden erhalten die gesamte Bandbreite an Möglichkeiten, um marktfähige Bauteile additiv zu fertigen.

Mitarbeiter von Renishaw führten die Besucher durch das Messtechnik-Labor sowie natürlich durch das neue Solution Center für generative Fertigung. „Wir haben bei unseren Laser-Fertigungssystemen eine sehr hohe Fertigungstiefe. Beispielsweise entwickeln und fertigen wir die Optiken, die Z-Achsen und die Produktionssteuerungs-Software selbst“, erklärte Jan-Peter Derre (Bild links), Product Manager Additive Manufacturing bei Renishaw, in seiner Ansprache an die Besucher. „Dadurch können wir eine sehr hohe Genauigkeit der Produktionsprozesse garantieren.“

Mehr noch: Die neue QS-Monitoring-Software Infini AM messe kontinuierlich während des Prozesses die Laserleistung. „Wir denken, dass wir hier ein Tool geschaffen haben, mit dem wir uns in der Branche auf Grenzwerte einigen können“, so Derrer.

Renishaw verfügt darüber hinaus mit dem Equator über ein Prüfgerät, mit dem sich die Maßhaltigkeit additiv gefertigter Bauteile überprüfen lässt. Die damit gewonnenen Daten können zur Korrektur des Fertigungsprozesses herangezogen werden, indem sie an die Steuerung der Fertigungsmaschine übertragen werden. Dies funktioniert heute schon bei Bearbeitungsmaschinen. Bei seinen Lasersystemen für die additive Fertigung arbeitet Renishaw derzeit noch an einer derart automatisierten Prozesskette. Das Pulver, das nach dem Fertigungsprozess auf dem Bauteil liegt, steht dem noch im Wege.


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