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Vom Single- bis zum Multiturn

Berührungslose Winkelsensorik auch für Massenmärkte
Vom Single- bis zum Multiturn

Zu den Funktionsprinzipien, die häufig zur kontaktlosen Winkelerfassung eingesetzt werden, gehören heute magnetische Verfahren. Sie arbeiten berührungslos und liefern absolute Messwerte. Auch unter rauen Umgebungsbedingungen sind sie zuverlässig und eignen sich aufgrund der niedrigen Kosten auch für den Einsatz in Massenmärkten. Zu ihren typischen Einsatzbereichen gehören nicht nur zahllose Applikationen im Maschinen- und Anlagenbau, sondern auch mobile Anwendungen. Oft können sie hier konventionelle, prinzipbedingt eher verschleißanfällige Potentiometertechnik ersetzen.

Dipl.-Ing. Stefan Sester, Technisches Marketing Rotative Sensoren bei Novotechnik, und Ellen-Christine Reiff, M.A., Redaktionsbüro Stutensee

Die Notwendigkeit, Winkel zu messen, spielt in der Technik schon seit langem eine große Rolle. Prinzipiell kann man dabei unterscheiden, ob Winkelpositionen innerhalb einer Umdrehung erfasst werden sollen oder ob man dabei auch die Anzahl der Umdrehungen erfassen muss. Man braucht also entweder so genannte Singleturn- oder Multiturn-Aufnehmer. In beiden Fällen bieten sich heute kontaktlose Verfahren an, die auf magnetischen Funktionsprinzipien basieren und durch ein besonders günstiges Preis-Leistungsverhältnis überzeugen.
Magnetische Winkel- aufnehmer für 360°
Für die magnetische Winkelmessung gibt es unterschiedliche Methoden, wobei der prinzipielle Aufbau zunächst einmal nahezu identisch erscheint. Ein Magnet ist an einer drehenden Achse angebracht. Der je nach Drehwinkel unterschiedliche Verlauf der Feldlinien wird von einem Sensorelement detektiert. Die Wahl dieses Sensorelements entscheidet maßgeblich über den Erfassungsbereich der Winkelaufnehmer. Novotechnik beispielsweise ist es hier gelungen, durch Optimierung von Hall-Sensorelementen (vgl. Kasten S. X) und einer darauf abgestimmten Auswerteelektronik sehr robuste, zuverlässige und obendrein auch hochgenaue Aufnehmer zu entwickeln.
An der drehenden Achse ist auch bei diesen NOVO Hall Sensoren ein Magnet angebracht. Je nach Drehwinkel verändert sich die Orientierung des Magnetfeldes und damit die Signalspannung des Sensorelements, das im Prinzip aus zwei senkrecht zueinander angeordneten Hallelementen besteht (Bild 1). Dadurch ist jede Winkelposition eindeutig zuzuordnen. Die jeweilige Spannungsänderung wird innerhalb des Sensor-ICs in ein drehwinkelproportionales Analogsignal umgerechnet. Die Sensoren arbeiten intern mit einer Auflösung von 14 Bit und einer unabhängigen Linearität von typisch +/- 0,3 %. Sie sind unempfindlich gegenüber Verschmutzungen oder Feuchtigkeit (IP54 oder IP65) und so ausgelegt, dass eine spielfreie Ankopplung einfach möglich ist. Langlöcher am Gehäuse vereinfachen das Justieren.
Sowohl für industrielle als auch für mobile Anwendungen gibt es die passenden Varianten. Mit dem RFC 4800 beispielsweise steht eine Ausführung zur Verfügung, die sämtliche in mobilen Anwendungen geforderten EMV- und EMC-Spezifikationen entspricht, die Anforderungen der Schutzart bis IP69 erfüllt und sich dank unterschiedlicher Mechaniken und Steckermodule einfach in die unterschiedlichen Anwendungen integrieren lässt (Bild 2). Unterschiedliche Interfaces stehen auch für die Miniatur-Variante RFC 4000 zur Verfügung. Dieser Sensor ist mit 7 mm Bauhöhe extrem flach und lässt sich auch bei beengten Einbauverhältnissen problemlos integrieren.
In vielen Anwendungen müssen Winkel gemessen werden, die größer als 360° sind. Die heute üblichen Multiturn-Sensoren bringen je nach Anwendung Nachteile mit sich: Die kostengünstigen 10-Gang-Potentiometer beispielsweise genügen häufig nicht den Anforderungen an Robustheit und somit Zuverlässigkeit. Optische Encoderlösungen wiederum sind für viele Anwendungsbereiche zu teuer. Hier könnte jetzt ein neues, patentiertes Funktionsprinzip zum Problemlöser werden, das den GMR-Effekt nutzt (vgl. Kastenauf dieser Seite). Es liefert absolute Positionswerte und eignet sich z.B. gut für den Einsatz in so genannten True-Power-on-Systemen, da es auf keinerlei Referenzsignale angewiesen ist. Vor allem im Bereich der Kfz-Technik dürften sich dem wartungsfreien und kostengünstigen Sensorsystem deshalb viele Einsatzbereiche erschließen, z.B. bei elektronischen Lenksystemen. Die Möglichkeit, bis zu 16 Umdrehungen magnetisch zu erfassen, ist aber auch für industrielle Anwendungen interessant.
Berührungsloser Umdrehungszähler einer neuen Generation
Der Aufbau des magnetischen Umdrehungszählers ist vom Prinzip her einfach zu verstehen: Für jede zu zählende Umdrehung wird genau ein Spiralarm benötigt (Bild 3). Ein wichtiger Bestandteil des Sensorelementes ist dabei die relativ große Fläche am Anfang der Spirale, der so genannte Domänenwandgenerator. Durch die große geometrische Ausdehnung kann in dieser Fläche die Magnetisierung leicht dem äußeren Magnetfeld folgen. Durch Drehung eines externen Magnetfeldes mit geeigneter Stärke werden nun im Domänenwandgenerator 180° Domänen erzeugt und in die Spiralstruktur injiziert bzw. bei Rückwärtsdrehung wieder gelöscht. Die Magnetisierung der Sensorschicht in den Spiralarmen richtet sich dabei entweder parallel oder antiparallel zur Referenzschicht (Bild 4). Misst man den Widerstand der Struktur, so ergibt sich je nach Magnetisierungszustand, respektive Umdrehungsanzahl, ein eindeutiger Wert (Bild 5). Kombiniert man einen solchen Sensor mit einem 360°-Sensor können n x 360° (n = Anzahl der Spiralarme) gemessen werden. Da die Umdrehungsanzahl magnetisch gespeichert wird, detektiert der Sensor die Umdrehungen ohne Spannungsversorgung.
Absolutwinkel über 16 Umdrehungen erfassen
Eine Ermittlung des Absolutwinkels über mehrere Umdrehungen ist so jedoch nicht ohne weiteres möglich, da die Widerstands- oder Spannungsänderungen des GMR-Sensorelements an den Sprungstellen keine eindeutigen Werte annehmen. Mit zwei um 90° versetzten Multiturn-Elementen lässt sich dieses Problem lösen. Es geht jedoch auch eleganter, wenn man diese zwei um 90° verdrehten Strukturen zu einer Rautenstruktur „verschmilzt“. Mit dieser lässt sich durch einen entsprechenden Auswertealgorithmus in jeder Winkelstellung ein eindeutiger Umdrehungswert ableiten (Bild 6).
Der magnetische Multiturnsensor kann auf diese Weise heute zusätzlich zum Drehwinkelsignal im stromlosen Zustand ohne Pufferbatterie und ohne Getriebe bis zu 16 Umdrehungen zählen und dauerhaft speichern. Konzepte für höhere Umdrehungszählungen (bis 12 bit, was 4096 Umdrehungen entspricht) liegen bereits vor und sollen in den nächsten zwei bis drei Jahren realisiert werden. Aber schon heute lassen sich die Vorteile des neuen Multiturns in zahlreichen industriellen und automotiven Anwendungen nutzen (Bild 7).
Ein erstes umgesetztes Produkt mit Multiturntechnologie ist die Baureihe RSM2800, welches in der äußerst kompakten 28 mm-Bauform des bekannten Singleturn-Winkelsensors RSC2800 untergebracht werden konnte (Bild 8). Der Winkelbereich der Baureihe umfasst, vom Kunden wählbar, zwischen 2 und 16 Umdrehungen und bildet den gemessenen Winkel als stetige, analoge Kennlinie ab. Verschiedene Versorgungsspannungs- und Ausgangsspannungsbereiche werden umgesetzt.
Novotechnik, Ostfildern
QE 556

Der GMR-Effekt für Multiturns
Der GMR-Effekt (Giant Magneto Resistance, also „Riesen-Magnetwiderstand“) ist ein quantenmechanisches Phänomen, das in dünnen Filmstrukturen aus ferromagnetischen und nichtferromagnetischen Schichten beobachtet wird: Hat man einen solchen heterogenen Aufbau aus zwei magnetischen Schichten (Sensorschicht und Referenzschicht), die durch eine nur wenige Atomlagen dicke, nicht magnetische Schicht getrennt sind, so beziehen die magnetischen Momente der beiden Schichten zueinander Stellung, sobald sie einem externen Magnetfeld ausgesetzt sind. Die Referenzschichtorientierung wird – z.B. durch einen künstlichen Antiferromagneten (AAF) – festgehalten. Dadurch richtet sich die Sensorschicht entweder parallel oder antiparallel dazu aus (Bild 8). Der elektrische Widerstand ändert sich dramatisch, wenn die magnetischen Momente in diesem „Sandwich“ umklappen. Stehen sie parallel zueinander, sinkt der Widerstand auf den Minimalwert, bei antiparalleler Ausrichtung erreicht er sein Maximum. Der Magnetisierungszustand einer solchen Struktur lässt sich also leicht durch eine ohmsche Messung bestimmen.

Der Hall-Effekt für Singleturns
Der Hall-Effekt wurde 1879 vom Physiker Edwin Hall entdeckt: Ein Magnetfeld, das senkrecht zu einem stromdurchflossenen Leiter angeordnet ist, lenkt diesen ab. Nach diesem Prinzip funktionieren beispielsweise auch Elektromotoren. Innerhalb des Leiters gibt es eine analoge Erscheinung: Die Stromlinien werden nach einer Seite hin verdrängt. Durch den Verdrängungseffekt ergibt sich eine Verschiebespannung quer zum Stromfluss. Besonders ausgeprägt ist dieser Effekt bei den so genannten Hallgeneratoren. Da die Signaländerung bei den nach diesem Prinzip funktionierenden, auf dem Hall-Effekt basierenden Sensorelementen aber nicht linear zum Drehwinkel ist, ließen sich in der Vergangenheit auf diese Weise nur begrenzte Winkel erfassen. Durch Optimierung der Sensorelemente und der Auswerteelektronik sind heute jedoch Aufnehmer auf dem Markt, die sich für die Erfassung von Messwinkeln bis zu vollen 360°-Winkeln eignen.
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