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Von der Straßenwalze bis zur Formel 1

Weg- und Winkelmesstechnik im Fahrzeugbau
Von der Straßenwalze bis zur Formel 1

Die Fahrzeugtechnik ist heute in zunehmendem Maße auf leistungsfähige Sensorik angewiesen, um Wege und Winkel zuverlässig zu erfassen. Bei Nutzfahrzeugen, zum Beispiel in Straßenbau, Fördertechnik oder Landwirtschaft steigt der Automatisierungsgrad hauptsächlich aus ökonomischen Gründen, während sich in der Automobiltechnik adaptive Systeme immer stärker durchsetzen, um Fahrsicherheit und Komfort zu erhöhen.

Ellen-Christine Reiff, M.A., Redaktionsbüro Stutensee; Dipl.-Ing. Josef Albano, Produktmanager, Novotechnik, Ostfildern

In vielen solcher Einsatzfällen haben sich Leitplastikpotentiometer einen festen Platz erobert, besonders wegen ihres günstigen Preis-/Leistungsverhältnisses, ihrer Zuverlässigkeit und Robustheit. Durch ihren geringen Strombedarf sind sie außerdem für mobile Applikationen geradezu prädestiniert. Für Anwendungen, die nach kontaktlosen und damit verschleißfreien Verfahren verlangen, wurde die Potentiometertechnik in den letzten Jahren weiterentwickelt. Das Resultat ist ein facettenreiches Angebot, aus dem sich je nach konkreter Messaufgabe und Qualitätsanforderungen eine optimale Sensorlösung finden lässt, für die automatische Pflugverstellung bei Landmaschinen ebenso wie für die Lenkwinkelerfassung bei Flurförderfahrzeugen oder Formel-1-Rennwagen.
Gelenksteuerung für Busse
Ein typisches Einsatzbeispiel für Leitplastikpotentiometer ist die Erfassung des Knickwinkels bei Gelenkbussen, wie sie im öffentlichen Nahverkehr eingesetzt werden. Durch den Hinterradantrieb der Busse besteht bei Kurvenfahrten die Gefahr, dass der Antrieb zu stark „schiebt“, der Knickwinkel den zulässigen Bereich übersteigt und das Gelenk kollabiert. Steuerungen, die die Antriebsleistung in Abhängigkeit vom Knickwinkel automatisch reduzieren, verhindern dies. Somit wird auch in kritischen Situationen größtmöglicher Fahrzeug- und Personenschutz gewährleistet. Als Ist-Wert für die Steuerung wird die Winkelstellung des Gelenks mit einem Leitplastikpotentiometer von Novotechnik erfasst, das mit einer Wiederholgenauigkeit von 0,01 Prozent arbeitet. Der Aufnehmer vom Typ SP 2800, der den Drehwinkel in eine proportionale Spannung umsetzt, ließ sich an seinen beiden mit Langlöchern versehenen Befestigungslaschen einfach montieren und mechanisch justieren. Die Einbaulage ist beliebig. Die einzelnen vergossenen Anschlusslitzen lassen Raum für jede Anschlusstechnik. Die hohen Anforderungen im mobilen Einsatz sind für das Sensorpotentiometer unproblematisch. Es ist absolut dicht und erfüllt an der Welle die Anforderungen der Schutzart IP 65.
Sensor für indirekte Lenkung
Als für die Lenkwinkelerfassung bei einem Flurförderfahrzeug ein besonders preisgünstiger, aber zuverlässiger Sensor gesucht wurde, fiel die Wahl ebenfalls auf ein Potentiometer: Die Lenkung der Fahrzeuge arbeitet indirekt, d.h. Führerstand und Lenkachse sind nicht mechanisch miteinander verbunden, sondern werden über eine Steuerung koordiniert. Das für die Regelung notwendige Ist-Wert-Signal wird dazu mit dem Potentiometer direkt am Fahrschemel erfasst. Der Lenkwinkel beträgt maximal 180° und bietet damit die besten Voraussetzungen für den Potentiometereinsatz, denn er ist kleiner als 360° aber dennoch ausreichend groß. Da sich das eingesetzte Potentiometer vom Typ WAL 300 für die Hohlwellenmontage eignet, konnte man zusätzlich Kosten sparen: Der Aufnehmer kann direkt auf die bewegliche Achse gesteckt werden; weitere Übertragungselemente sind nicht notwendig. Damit liefert die Anwendung den Beweis, dass sich auch mit einem preisgünstigen Sensor eine sicherheitsrelevante Aufgabenstellung zufriedenstellend lösen lässt. Dank des Potentiometers kann das Flurförderfahrzeug präzise den Lenkbewegungen folgen. Das Potentiometer dient damit sogar dem Personenschutz.
Geschwindigkeitsregelung bei Straßenwalzen
Auch in vielen anderen Applikationen vereinfachen für die Hohlwellenmontage ausgelegte Potentiometer die Montage und senken so die Kosten. Ein gutes Beispiel dafür liefert eine Straßenwalze, bei der die mechanische Voreinstellung der Vortriebsgeschwindigkeit nachträglich auf eine elektronische Lösung umgerüstet werden sollte, um Geschwindigkeit und Kühlwasserberieselung der Walzen konstanter aufeinander abstimmen zu können. Das Leitplastikpotentiometer GL 300 passte problemlos auf die vorhandene Welle. Über einen Hebel werden jetzt mit seiner Hilfe die Grobwerte für die Vortriebsgeschwindigkeit vorgegeben, also z.B. je nach Hebelstellung zwischen 0 und 3 km/h. Für die Feineinstellung der Geschwindigkeit innerhalb des vorgewählten Bereichs ist ein weiteres Potentiometer im Einsatz. Dieser Winkelaufnehmer vom Typ PC 260 dient gleichzeitig zur Vorgabe der Wasserberieselung der Walze in Abhängigkeit vom aktuellen Geschwindigkeitswert. Der Cermet-Sensor, bei dem vor allem seine geringe Einbautiefe auffällt, ist sehr preiswert und eignet sich auch zum Anschluss an einfache Steuerungen. Cermet-Potentiometer sind außerdem sehr unempfindlich gegen aggressive Umgebungsbedingungen. Die Teerdämpfe beim Betrieb der Straßenwalze beeinträchtigen die Funktion nicht.
Potentialsonde in der Mobilhydraulik
Leitplastikpotentiometer sind vor allem wegen ihres konkurrenzlosen Preis-/Leistungsverhältnises oft die optimale Lösung für eine zuverlässige und genaue Weg- und Winkelmessung. Es gibt jedoch auch Bereiche an denen sie an ihre Grenzen stoßen, oft wegen des prinzipbedingten Verschleißes. Um die Vorteile der Potentiometertechnik ohne deren Nachteile nutzen zu können, hat Novotechnik deshalb die sogenannte Potentialsonde entwickelt. Dieses robuste Wegmesssystem arbeitet berührungslos und lässt sich auch direkt in den Druckbereich hydraulischer Zylinder einbauen. Eine Sparte, die davon besonders profitiert, ist die Mobilhydraulik: Um die heute in der Landwirtschaft üblichen modernen Schlepper auszulasten, müssen sie sich mit möglichst vielen verschiedenen Arbeitsgeräten kombinieren lassen, die unterschiedliche Anforderungen an die Kinematik stellen. Um Breite und Höhe des Dreipunktlenkers entsprechend der aktuellen Arbeitsanforderungen und dem genutzten Arbeitsaggregat automatisch optimieren zu können, müssen die jeweils aktuellen Positionswerte erfasst und an die Steuerung der Arbeitsmaschine weitergeleitet werden. Die Firma Pöttinger setzt zu diesem Zweck insgesamt fünf Potentialsonden ein, die sich direkt in den Hydraulikzylinder des Dreipunktlenkers einbauen ließen. Wegsensor und Aufbereitungselektronik bilden eine steckerfertige Einheit, die am ausgangsseitigen Kabelabgang die Anforderungen der Schutzart IP67 erfüllt.
Messsystem im Hydraulikzylinder
Die direkte Einbaumöglichkeit in Hydraulikzylinder nutzt auch die Firma Tirre, die Regelzylinder für Abfallsammler-Nutzkraftwagen mit Frontladesystemen liefert. Hier gewährleisten die Potentialsonden eine automatische und sichere Entleerung der Müllbehälter im Ein-Mann-Betrieb. Je einer der Hub- und Schwenkzylinder ist mit einem Messsystem ausgerüstet. Gesteuert wird der optimale Bewegungsablauf zur Entleerung des 1,1m3 großen Behälters. In die Zylinder integriert wurden Potentialsonden mit 625 und 800mm Hub. Sie arbeiten mit einer Auflösung von besser 0,01mm. Der Messwert wird anschließend in der Steuerung des Frontladesystems weiterverarbeitet. Auf diese Weise lassen sich die Entladung des Müllbehälters und das Öffnen und Schließen der Verdichterklappen präzise koordinieren. Die Potentialsonden verkraften Verstellgeschwindigkeiten bis 10m/s. Bei der Wahl der Hydrauliköle hat der Anwender freie Hand; die mit Speziallack versiegelte Oberfläche der Kollektorbahn verhindert Beeinträchtigungen des Messergebnisses durch das eingesetzte Medium.
Lenkwinkelsensor
Für die Erfassung von Drehwinkeln bietet sich ein weiteres, ebenfalls kontaktloses Verfahren an: Der VERT-X-Hallsensor orientiert sich in seiner Bauform stark am potentiometrischen Winkelgeber, arbeitet jedoch, abgesehen von den Lagern, praktisch verschleißfrei. Er gibt auf der gesamten Umdrehung von 360° ein stetiges, unterbrechungsfreies Signal ab und arbeitet mit einer Genauigkeit von 10 Bit; die Auflösung beträgt 12 Bit. Für die gemessene Position ergibt sich daraus eine Genauigkeit von 0,35 Grad bei einer Auflösung von 0,1 Grad und einer kaum messbaren Hysterese von +/- 0,045 Grad. Der Sensor eignet sich besonders für den Einsatz in schwierigen Umgebungen oder in Bereichen, wo Wartungsfreiheit gefordert wird, z.B. in der Automobiltechnik. Die dichte Bauweise – die Elektronik ist vergossen – garantiert hohe Arbeitssicherheit. Auch bei starken Vibrationen liefert der Sensor ein konstantes Ausgangssignal.
Eine geradezu typische Anwendung hat der Sensor beipielsweise in Formel-1-Fahrzeugen gefunden. Als Istwertgeber für das seit 2001 zugelassene Launch-Control-System (aktive Traktionskontrolle) erfasst er während der Fahrt den aktuellen Lenkwinkel. Sein Ausgangssignal wird direkt in das Motormanagement eingespeist und weiterverarbeitet. Auf diese Weise ist es möglich, die Antriebsleistung mit dem Lenkeinschlag zu koordinieren und so die Kurvenstabilität der Fahrzeuge auch im Höchstgeschwindigkeitsbereich zu erhöhen.
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