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Wendig und mobil für enge Verhältnisse

Koordinatenmessarm löst vielfältige Messaufgaben
Wendig und mobil für enge Verhältnisse

Die Toleranzen sind im Automobilbau sowohl technisch als auch finanziell und zeitlich gesehen eng. Als Systemlieferant für Dächer, Sonnendach- und Türsysteme bewegt sich auch Meritor LVS in dem von den Automobilherstellern vorgegebenen engen Rahmen. Das Tochterunternehmen des US-amerikanischen Unternehmens Meritor arbeitet in seinem Gifhorner Werk mit einem Koordinatenmessarm, um die Qualität seiner Produkte zu sichern.

Dipl.-Ing. Ralf Steck, freier Fachjournalist für die Bereiche CAD, Computer und Maschinenbau in Friedrichshafen

Meritor LVS (Light Vehicle Systems) ist eine Division der 1997 aus der Rockwell Automotive gegründeten Meritor Automotive, Inc. Neben den hier entwickelten und gefertigten Zulieferteilen für Pkw werden von zwei weiteren Divisions auch Bauelemente für Lastkraftwagen und für geländegängige Transportfahrzeuge gefertigt. Die vierte Division fertigt zum einen Ersatzteile und erstellt zum anderen Trainingsunterlagen oder elektronische Ersatzteilkataloge. Weltweit beschäftigt Meritor über 16 000 Mitarbeiter und erzielt einen Umsatz von mehr als 3,8 Milliarden US-Dollar. Davon fallen knapp 1,5 Milliarden auf die Light Vehicle Systems. Im Werk Gifhorn arbeiten 350 Mitarbeiter.
Ursprünglich wurde das Gifhorner Werk im Jahr 1991 als Just-in-Time-Werk für die Lieferung von sogenannten Schiebe-Ausstelldächern (SAD) für den VW Golf im nahegelegenen Wolfsburg gegründet. Heute fertigt das Werk SADs für 27 verschiedene Fahrzeugtypen unterschiedlicher Hersteller. Die Fertigungstiefe reicht dabei von kompletten Baugruppen bis hin zu den Glasscheiben des Sonnendaches. Dabei müssen die Baugruppen nur noch eingesetzt und angeschlossen und das mit nur einem Rahmen versehene Sonnendach an den Fahrzeughersteller geliefert werden. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Herstellung von Türmodulen. Von der Scheibe und deren Mechanik über die Schlossanlage bis hin zu Lautsprechern ist das gesamte Innenleben der Fahrzeugtür in einem Block zusammengefasst. Dieser lässt sich schnell montieren.
Eines der neuesten Projekte ist die Herstellung des Daches für den Kleinstwagen Smart. Das gesamte Dach dieses Fahrzeuges besteht aus einem geschäumten Kunststoffteil, dessen Innenseite zugleich den Dachhimmel darstellt. In die tiefgezogene Folie wird geschäumt. Sie stellt gleichzeitig die sichtbare Aussenhaut des Fahrzeuges dar, wodurch sie höchsten Qualitätsstandards genügen muss.
Das Dach ist übrigens auch Bestandteil der sogenannten Body Panels, die beim Smart ausgetauscht werden können und so die Änderung der Wagenfarbe ermöglichen.
Vielfältige Messaufgaben
Peter Hansen ist Leiter der Messtechnik und der Qualitätssicherung unterstellt. Seit 1994 nutzt er neben der konventionellen CNC-Messmaschine einen Koordinatenmessarm der Silver-Serie für seine vielfältigen Messaufgaben. „Ich messe viel in den Produktionshallen. Dort ist der FaroArm unschlagbar. So muss beispielsweise die Schäumform für das Smart-Dach regelmässig nachgemessen werden. Früher mussten dazu die Formhälften aus der Anlage ausgebaut, in den Messraum transportiert und auf dem Messtisch eingerichtet werden. Dies erforderte einen zeitlichen Aufwand von über sechs Stunden. Da wir im Dreischichtbetrieb rund um die Uhr fertigen, führt jede Messung zu einer Produktionsunterbrechung. Heute fahre ich mit dem Arm direkt an die Maschine und messe alle relevanten Punkte in kürzester Zeit. Zusätzlich kann ich die Lage der Formhälften in der Maschine mitberücksichtigen. Zur Zeitersparnis kommt also sogar noch eine höhere Genauigkeit.“
Dabei ist die Messung auch noch unkomplizierter als auf dem Messtisch, denn der Arm arbeitet mit relativen Koordinaten. Hansen rechnet die gemessenen Koordinaten nicht in ein unabhängiges Koordinatensystem um, sondern vermisst die beiden Formhälften relativ zueinander.
Damit überprüft er beispielsweise, ob zwei Punkte an den Formhälften beim Schliessen der Form genau aufeinandertreffen, beziehungsweise ob sich ihre Position relativ zur Anlage verändert hat.
Unerreicht mobil und beweglich
Zu messen gibt es bei Meritor viel und fast überall kann der Messarm seine Pluspunkte ausspielen.
Die unerreichte Mobilität und die Beweglichkeit des Arms ermöglicht Messungen auch an unzugänglichen Stellen. In den Fertigungshallen sind eine ganze Reihe von Rohkarossen aufgebaut, die als Cubing, das heisst „Messlatte“ für die Meritor-Produkte dienen. „Da muss ich oft auch im Innenraum messen“, erklärt Hansen, „beispielsweise bei den SADs, deren Mechanik im hinteren Bereich des Fahrzeuges im Dachhimmel versteckt ist. Sobald uns eine Reklamation erreicht – wenn beispielsweise an einem Fahrzeug das Schiebedach klemmt – messe ich die relevanten Punkte nach. Mit dem Messarm kann ich dabei auch vor Ort messen. Ich fahre direkt zum Kunden und führe den Arm im Koffer mit mir.“ Solche „Ausseneinsätze“ stehen auch an, wenn Prototypen neuer Fahrzeuge für die Entwicklung von Dach- oder Türmodulen vermessen werden müssen.
In den eigenen Hallen ist Hansen mit seinem praxisgerecht ausgerüsteten Koordinatenmessarm sehr flexibel. Ein stabiler Fuss mit Rollen trägt den Arm und die gesamte Peripherie. Unten am Fuß sind eine Kabelrolle für die Stromversorgung und Taschen für diverse Kabel angebracht. Ein an einem flexiblen Arm befestigter Laptop lässt sich so in optimaler Stellung positionieren.
Einsatz an Kettenförderanlagen
Mit dieser mobilen Konfiguration kann unter anderem auch an den Kettenförder-Anlagen gemessen werden. Diese Anlagen ersetzen Rundtische, auf denen mehrere Werkzeuge für den Zusammenbau angebracht sind.
„Auf dem Kettenförderer können wir bis zu 20 Werkzeuge aufsetzen und dabei sehr schnell umrüsten,“ erläutert Hansen. In die Werkzeuge werden teils manuell, teils von Robotern die Einzelteile eines Glasdaches eingelegt und an verschiedenen Stationen miteinander verklebt und verschraubt. Der Robotereinsatz erfordert eine hohe Positioniergenauigkeit der Lehren in den einzelnen Stationen ebenso wie enge Toleranzen in den Lehren selbst. „Gibt es bei der Umrüstung Probleme, fahre ich mit dem Messarm an die Maschine und messe in kürzester Zeit die Werkzeuge ein,“ erläutert Hansen.
Sämtliche Messpunkte, beziehungsweise die CAD-Daten der Bauteile, hat Hansen auf der Festplatte des Laptops abgelegt. Mit der herstellereigenen Software AnthroCAM lassen sich die CAD-Daten auf dem Bildschirm darstellen und mit den gemessenen Positionen überlagern, so dass Abweichungen von den Sollwerten sofort optisch beurteilbar sind. Hansen ist mit der Software sehr zufrieden: „AnthroCAM ist einfach zu bedienen und kompatibel zu den bei uns eingesetzten CAD-Programmen. Dies gewährleistet eine problemlose Datenübernahme. Hinzu kommt der hervorragende Service des Herstellers, der mir bei Problemen schnell und kompetent weiterhilft.“
Erste Erfahrungen
Hansen beschreibt seine ersten Erfahrungen mit dem Messarm: „Mein Vorgesetzter erzählte mir von dem Koordinatenmessarm, den er auf einer USA-Reise erstmals gesehen hatte. Er sagte, dass es sich dabei um einen Messarm handelt, der unter anderem im medizinischen Bereich eingesetzt wird. Zuerst konnte ich mir nicht recht vorstellen, dass solch ein Gerät nützlich für uns sein könnte. Eine Vorführung jedoch überzeugte auch mich.. In der ersten Zeit machte ich oft Kontrollmessungen mit der konventionellen Messmaschine, aber es zeigte sich, dass die Ergebnisse übereinstimmten. Seither vertraue ich auf den Arm. Natürlich ist die Arbeit mit ihm eine gewisse Umstellung, aber nach einer kurzen Schulung gewöhnt man sich schnell an die andere Arbeitsweise.“
Aufbau des Messarms
Der dreiteilige Messarm besitzt am vorderen Ende einen Pistolengriff mit der frei im Raum beweglichen Meßspitze. Am Griff sitzen zwei Taster, über die der Arm gesteuert wird. Optische und akustische Rückmeldungen geben dem Anwender Auskunft über den Meßstatus.
Durch die Beweglichkeit in sechs oder sieben Achsen und den patentierten internen Massenausgleich lässt sich der Arm auch an schlecht zugänglichen Stellen sehr einfach nutzen. Er ist in drei Genauigkeitsstufen lieferbar, der Sterling-, Silber- und Goldserie. Zusätzlich stehen fünf verschiedene Ausladungen des Arms zwischen 1,2 und 3,7 Meter sphärisches Messvolumen zur Verfügung. Der Arm besteht aus hochwertigem Aluminium, das auch im Flugzeugbau eingesetzt wird. Dadurch lässt sich je nach Ausstattung ein Gewicht zwischen vier und 16 Kilogramm realisieren. Der Arm stellt sich auf die jeweilige Eingangsstromstärke selbst ein.
Funktionsweise des Messarmes
Mittels Drehmessgebern in den Gelenken errechnet die im Arm integrierte Logik die räumliche Position der Meßspitze mit einer Genauigkeit von bis zu ± 0,025 mm. Eine patentierte vorgespannte Lagerkonstruktion gewährleistet auch beim rauhen mobilen Einsatz die Toleranzhaltigkeit des Arms. Über eine Kugel-Meßstab-Zertifizierung kann sich der Bediener jederzeit und mit wenigen Handgriffen von seiner Massgenauigkeit überzeugen. Temperaturunterschiede, wie sie gerade beim mobilen Einsatz immer wieder vorkommen, kompensiert der Messarm in gewissen Grenzen selbsttätig über integrierte Sensoren.
Bei zu grossen Temperatursprüngen warnt das Gerät den Bediener, der dann einige Minuten warten muss, bis sich das Gerät an die vorherrschende Umgebung angepasst hat. Zur Verankerung des Messarms bietet der Hersteller verschiedene Zubehörteile wie Magnetfüsse, Oberflächenbefestigungsplatten, Decken- oder Wandmontageplatten und Stative.
„Ich nutze den Messarm immer, wenn es auf Schnelligkeit und Mobilität ankommt“, führt Hansen aus. „Die CNC-Messmaschine kommt dagegen bei Serienmessungen zum Einsatz. So überprüfe ich beispielsweise regelmässig die Masshaltigkeit der Türmodule. Da diese Elemente Roboter einbauen, müssen bestimmte Einbaumasse sehr präzise eingehalten werden. Für die CNC-Anlage habe ich Programme geschrieben, die den Messvorgang automatisieren.“
Peter Hansen hält grosse Stücke auf seinen Messarm: „Er hat sich bei uns schon lange bezahlt gemacht. Wir sind bei vielen Messungen einfach schneller, so dass die Produktion möglichst ungestört laufen kann. In einer Sieben-Stunden-Schicht fertigen wir beispielsweise sechzig Smart-Dächer. Das Smart-Dach bringt auch den einzigen Kritikpunkt zutage, den ich an unserem Arm habe: Er ist mit 1,2 Metern Reichweite etwas zu kurz, weshalb ich bei umfangreicheren Messungen des gesamten Daches den Arm versetzen muss. Heute gibt es allerdings bereits grössere Modelle.
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