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Wie lange ist „zuvor“?

Sachgrundlose Befristung und „Zuvor-Beschäftigung“
Wie lange ist „zuvor“?

Die Befristung von Arbeitsverträgen ohne einen sachlichen Grund ist nur begrenzt möglich. Eine erneute Beschäftigung war nahezu ausgeschlossen, selbst wenn das frühere Arbeitsverhältnis schon sehr lange zurück lag. Diesen zeitlichen Abstand zur zuvor-Beschäftigung hat das Bundesarbeitsgericht jetzt verkürzt und klar definiert.

Das BAG hat mit seiner Entscheidung eine Abkehr von der bisherigen Praxis im Befristungsrecht begründet und Arbeitgebern somit mehr Handlungsspielraum bei befristeten Arbeitsverträgen gegeben. (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 06.04.2011, Az. VII AZR 716/09)
Bisher sind die Entscheidungsgründe noch nicht veröffentlicht, insofern beschränken sich die folgenden Ausführungen auf die Aussagen, die der Pressemitteilung des BAG (25/11) zu entnehmen sind:
Nach dem Gesetzeswortlaut gilt der Grundsatz, dass befristete Arbeitsverträge durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sein müssen, § 14 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). Hierzu zählen beispielsweise die Vertretung eines anderen Arbeitnehmers oder die erste Beschäftigung nach Ausbildung oder Studium. Ausnahmsweise ist auch eine Befristung ohne Sachgrund unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 TzBfG zulässig:
„Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. (…)“
Der letzte Satz wurde bisher immer eng ausgelegt und strikt angewandt – dies hatte zum Teil obskure Folgen. Selbst ehemalige Werksstudenten konnten auch Jahrzehnte später nur unbefristet oder wegen einer der gesetzlich zugelassenen Gründe befristet beschäftigt werden, da sie nun mal „bereits zuvor“ in einem Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber standen. In dem vorliegenden Urteil hatte das BAG den Fall einer Lehrerin zu entscheiden, die bei dem beklagten Freistaat mehr als sechs Jahre zuvor als studentische Hilfskraft beschäftigt war. Das BAG entschied, dass hier ein befristetes Arbeitsverhältnis ohne Sachgrund wirksam vereinbart wurde. Nach Ansicht des Gerichts ist eine Zäsur nach drei Jahren anzusetzen. Ist dieser Zeitraum nach einer bisherigen Beschäftigung verstrichen, so kann der Arbeitnehmer auch (wieder) sachgrundlos befristet beschäftigt werden. Dies folgt, so das Gericht, aus der verfassungskonformen Auslegung der Norm (§ 14 Abs.2 TzBfG), denn
„(…)Diese soll zum einen Arbeitgebern ermöglichen, auf schwankende Auftragslagen und wechselnde Marktbedingungen durch befristete Einstellungen zu reagieren, und für Arbeitnehmer eine Brücke zur Dauerbeschäftigung schaffen. Zum anderen sollen durch das Verbot der „Zuvor-Beschäftigung“ Befristungsketten und der Missbrauch befristeter Arbeitsverträge verhindert werden. Seine Anwendung ist daher nur insoweit gerechtfertigt, als dies zur Verhinderung von Befristungsketten erforderlich ist. Das ist bei lange zurückliegenden früheren Beschäftigungen typischerweise nicht mehr der Fall. Hier rechtfertigt der Gesetzeszweck die Beschränkung der Vertragsfreiheit der Arbeitsvertragsparteien und die damit verbundene Einschränkung der Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers nicht (…).“
Wichtig in diesem Kontext bleibt allerdings weiterhin, dass die gesetzliche Regelung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nur die Begründung und nicht die Verlängerung eines Arbeitsverhältnisses meint und zudem auch nur im Falle von (rechtlich) identischen Arbeitsvertragsparteien – also Arbeitgeber und Arbeitnehmer – einschlägig ist. Im Hinblick auf die immer häufiger anzutreffenden Fälle der Leiharbeitnehmerschaft hat dies zur Folge, dass es keinen Fall des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG darstellt, wenn ein Arbeitnehmer sachgrundlos befristet eingestellt wird, zuvor aber auf demselben Arbeitsplatz in demselben Unternehmen als Leiharbeiter tätig war. Gleiches gilt regelmäßig auch dann, wenn ein Arbeitnehmer sachgrundlos bei einem Verleiher beschäftigt wird und dann von diesem an seinen ehemaligen Arbeitgeber verliehen wird, um auf dem ehemaligen Arbeitsplatz tätig zu werden.
Diese Entscheidung wird dennoch bei vielen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu einem (leichten) Aufatmen führen. Die enge Auslegung und Handhabung des Gesetzeswortlauts, was schon seit langem in der Literatur bemängelt wurde, bereitete beiden Seiten Schwierigkeiten und schränkte sie ein. Den Arbeitgebern wird nun mehr Handlungsraum bei den Einstellungen gegeben. Insbesondere wird es in Zukunft nicht mehr der teilweise intensiven Recherche in Firmenunterlagen (sofern noch vorhanden) bedürfen, um festzustellen, ob vor Jahrzehnten schon einmal ein Arbeitsverhältnis mit dem jeweiligen Arbeitnehmer bestand. Arbeitsuchenden eröffnen sich nun neue Chancen, zumindest ein befristetes Arbeitsverhältnis zu finden – welches erfahrungsgemäß oft Ausgangspunkt für eine darauf aufbauende unbefristete Beschäftigung ist.
Rechtsanwalt Daniel Wuhrmann
Reusch Rechtsanwälte, Saarbrücken
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