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Zum Umfang der Instruktionspflicht Die „Fertigbeton-Entscheidung“

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Zum Umfang der Instruktionspflicht Die „Fertigbeton-Entscheidung“

Zum Umfang der Instruktionspflicht Die „Fertigbeton-Entscheidung“
Philipp Reusch Reusch Rechtsanwälte, Saarbrücken www.reuschlaw.de
Zu den Pflichten des Herstellers im Rahmen der Produkthaftung gehört neben der Konstruktions-, der Fabrikations- und der Marktbeobachtungspflicht insbesondere auch die Instruktionspflicht. Danach hat der Hersteller vor gefahrbringenden Eigenschaften des ansonsten fehlerfreien Produkts zu warnen.

Zum Umfang dieser Pflicht hat das OLG Bamberg in einer Entscheidung vom 26. Oktober 2009 Stellung genommen.

Sachverhalt:
Der Kläger, ein Hobbyheimwerker, verletzte sich bei der Verarbeitung von Fertigbeton in seiner Garage. Er kniete sich nur mit einer Jeanshose bekleidet in den noch flüssigen Beton. Durch die alkalische Wirkung des Betons kam es zu Hautverätzungen. Die Beklagte, die Herstellerin des Betons, hatte im Hinblick auf diese Wirkung des Produkts nicht gewarnt.
Die Beklagte wurde zum Ersatz der Schäden – unter Anrechnung eines Mitverschuldens des Klägers – verurteilt.
Grundsätzliches zur Instruktionspflicht:
Die Warnpflicht erstreckt sich nicht nur auf den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Produkts. Auch vor Gefahren, die bei vorhersehbarem Fehlgebrauch innerhalb des Verwendungszwecks des Produktes bestehen, ist zu warnen. Die Warnpflicht entfällt nur dann, wenn das Produkt nach den berechtigten Erwartungen des Herstellers nur in die Hände von Personen geraten kann, die mit den Gefahren im Umgang mit dem Produkt vertraut sind. Daneben muss nicht vor Gefahren gewarnt werden, die offensichtlich sind oder die nur bei vorsätzlichem oder äußerst leichtfertigen Fehlgebrauch entstehen können.
Der Umfang der Warnpflicht richtet sich auch nach dem Personenkreis, der bestimmungsgemäß mit dem Produkt in Kontakt kommt. Auszugehen ist dabei von der am wenigsten informierten und damit der am meisten gefährdeten Benutzergruppe. Die Anforderungen haben sich auch nach den im Einzelfall gefährdeten Rechtsgütern und der Größe der Gefahr zu orientieren.
Entscheidung des Gerichts:
In Anwendung dieser Grundsätze hat das OLG Bamberg festgestellt, dass es ich bei Fertigbeton nicht um ein „Allerwelts-Konsumprodukt“ handelt, mit dessen Gefahren auch Hobbyhandwerker umfassend vertraut sind. Zudem gehörte der Kläger als handwerklicher Laie nicht zu einer Personengruppe, von der eine Kenntnis der Gefahren derartiger Werkstoffe erwartet werden kann. Dem beklagten Hersteller war auch bewusst, dass seine Produkte nicht nur an gewerbliche Abnehmer, sondern auch an Privatpersonen geliefert werden.
Auch ein äußerst leichtfertiges Handeln des Klägers hat das Gericht nicht feststellen können. Zwar hat der Kläger mit der Jeanshose objektiv betrachtet keine geeignete Schutzkleidung getragen. Dass seine Kleidung durch den Fertigbeton durchtränkt und dadurch die darunter liegenden Hautpartien geschädigt werden können, war dem Geschädigten allerdings nicht bewusst. Diese Unkenntnis beruhte auf seinen fehlenden Erfahrungen mit und dem mangelnden Fachwissen über Fertigbeton. Genau um solche Irrtümer auszuschließen existiert die Warnpflicht.
Allerdings musste sich der Beklagte ein Mitverschulden anrechnen lassen, was zu einer Kürzung der Anspruchshöhe geführt hat. Das Mitverschulden des Klägers lag darin, dass er über gewisse Erfahrungen mit Beton verfügte und von dessen grundsätzlicher Gefährlichkeit wusste. Ihm war bekannt, dass Beton „raue Hände“ verursachen konnte. Damit musste der Geschädigte – so das OLG Bamberg – von zumindest irgendeiner chemischen Wirkung des Stoffes ausgehen. Mit einem solchen Wissen ausgestattet hätte der Kläger sich um geeignete wasserabweisende Kleidung bemühen müssen. Jedenfalls hätte er die durchtränkte Jeanshose, nachdem diese stundenlang dem flüssigen Fertigbeton ausgesetzt war, sofort nach Beendigung der Arbeiten wechseln müssen. Dass er dies nicht getan hatte, muss er sich anspruchsmindernd zurechnen lassen.
Zusammenfassung:
Die Anforderungen an eine ausreichende Warnung ist davon abhängig, für welche Personengruppen das Produkt bestimmt ist. Insbesondere wenn sich das Produkt an mit dessen Umgang nicht vertraute Laien, Verbraucher oder etwa gar Kinder richtet, sind erhöhte Anforderungen zu stellen.
Das OLG Bamberg hat auch nochmals deutlich herausgehoben, dass auch vor Gefahren bei vorhersehbarem Fehlgebrauch zu warnen ist. Was vorhersehbar ist, wird sich unter anderem auch an der Zielgruppe des Produktes ausrichten.
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