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Autositz aus der Punktwolke

3D-Technik zur Qualitätskontrolle in der Interieur-Entwicklung
Autositz aus der Punktwolke

Handgeführte 3D-Scanner liefern schnell und relativ einfach verlässliche Daten für das Qualitätswesen. Autobauer Hyundai nutzt die Technik für die Entwicklung von Sitzen in seinem Design-Center in Rüsselsheim. Die Geräte machen die Abläufe flexibler und kostengünstiger. Die Zeit bis zum fertigen Produkt verkürzt sich.

Qualität ist ein hohes Gut. Das wissen Auto-Aficionados nicht erst seit López. Wie gut, dass den Entwicklern zur Qualitätssicherung mittlerweile leistungsstarke und kostengünstige Desktop-3D-Scanner zur Verfügung stehen.

Diese Geräte liefern schnell und einfach präzise dreidimensionale Ist-Daten beliebiger Objekte. In der Entwicklungs- und Erprobungsphase (sowie auch zur Stichprobenprüfung der laufenden Produktion) digitalisieren sie Einzelteile, Baugruppen und Systeme und stellen dem Prüfer konsistente 3D-Daten der Objektoberflächen zur Verfügung. Weil diese Daten auf dichten Punktwolken basieren, eignen sich die resultierenden Modelle besonders gut zur exakten Erfassung von Freiform-Geometrien, wie sie an Interieur und Exterieur eines Automobils sehr häufig auftreten.
Ein Beispiel für eine solche Anwendung ist die Entwicklung von Autositzen im Rüsselsheimer Design-Center des südkoreanischen Autoherstellers Hyundai. Die qualitative Beurteilung der vielen Testparameter in der Sitzentwicklung vom Erstmuster bis zum Serienmodell erfolgt hier unter anderem mit Hilfe von 3D-Scannern aus dem Hause Artec. Konkret reichen die Aufgaben dabei von der Qualitätskontrolle des oder der Prototypen über die Bauteiloptimierung im Zuge der Produktentwicklung bis zur Evaluation von Verschleiß- und Alterungsprozessen an Polstern, Bezug und Unterbau.
Damit variieren auch die Rahmenbedingungen, die für die Digitalisierung des Sitzes maßgeblich sind erheblich: Soll der Sitz „in situ“ gescannt werden? Oder kann er zur Digitalisierung ausgebaut und/oder verstellt werden? Geht es nur um die Sitzfläche, oder wird ein vollständiges 3D-Modell des Sitzes benötigt – etwa zum Abgleich mit CAD-Daten oder 2D-Schnittzeichnungen? Sind relativ grobe Oberflächendaten ausreichend, oder müssen bestimmte Partien mit hoher Detailgenauigkeit gescannt werden?
Neben der Dimension und der Position der fraglichen Objekte können auch ihre geometrischen und optischen Eigenschaften die Wahl des richtigen 3D-Scanners erschweren. Glänzende, scharfkantige Objekte etwa sind grundsätzlich eine Herausforderung für optische 3D-Messtechnik, man denke nur an gefräste Metallteile oder transparente oder transluzente Kunststoffe.
Je einfacher, desto besser
Ein typischer Arbeitsablauf im Sitzlabor von Hyundai beginnt mit der Digitalisierung des gesamten Sitzes anhand einiger weniger Einzelscans aus verschiedenen Winkeln. Der Techniker bewegt dabei den handgeführten Scanner wie eine Videokamera einmal um das gesamte Objekt herum. In Echtzeit entsteht am Bildschirm des über USB angeschlossenen Rechners ein erstes, konsistentes Modell des Sitzes, so dass der Scanfortschritt direkt und intuitiv kontrolliert werden kann.
Die Teile und Partien des Sitzes, die sehr genau erfasst werden sollen – wie zum Beispiel die seitlichen Schalter und Hebel – können dann gegebenenfalls noch einmal langsamer gescannt werden. So steigt die Dichte der 3D-Punktwolke und damit auch der Detailgrad des resultierenden Modells.
Der so geschaffene virtuelle Autositz hat nun an jeder Stelle genau die Auflösung, die erforderlich ist. Dort, wo es die Entwickler genau wissen wollen, liefern die Scanner ein engmaschiges Netz detaillierter Oberflächendaten. Stellen von nachrangiger Bedeutung werden dagegen originalgetreu repräsentiert, ohne jedoch unnötig große Datenmengen zu produzieren, die den Prozess verlangsamen könnten.
Wesentlich für die Qualität der Scans sowie auch für den Bedienkomfort ist dabei weniger die Hardware des Scanners, als vielmehr die verwendete Scan-Software. Sie sollte nicht nur umfassende Komfortmerkmale wie Automatisierungs- und Editierfunktionen aufweisen, sondern auch – insbesondere im Bereich Qualitätswesen – flexibel mit den unterschiedlichsten Anforderungen zurecht kommen, ohne dabei Abstriche bei Präzision und Genauigkeit des digitalen Modells zu machen.
Das setzt in vielen Fällen beispielsweise die Unterstützung von mehr als einem Messverfahren voraus, etwa um gleichmäßig hochgenaue 3D-Modelle von Objekten fast jeder Größenordnung generieren zu können, sei es eine Lötplatine oder ein Sattelzug. Die Software der von Hyundai verwendeten Scanner ist kompatibel mit den meisten Photogrammetrie-Lösungen am Markt – obwohl ihr eine Variante der Structured Light-Methode zu Grunde liegt.
Photogrammetrie ist eine in der Industrie häufig eingesetzte Art der optischen 3D-Messtechnik. Für die photogrammetrische Referenzierung der 3D-Scandaten werden vor dem Scannen ablösbare Messmarken am Objekt aufgebracht. Die Software erkennt und vermisst die Positionen dieser Punktmarkierungen auch auf große Distanzen sehr genau und setzt die präzisen, flächenhaften Nahbereich-Scandaten der 3D-Scanner dazu in Beziehung. Die Anwender bei Hyundai können so von der Textilstruktur des Sitzbezuges über den gesamten Sitz in situ bis hin zum kompletten Fahrzeug flexibel die verschiedensten Messaufgaben realisieren.
Ebenfalls sehr nützlich ist die Möglichkeit, die 3D-Daten sowohl mit Hilfe von geometrischen Merkmalen zu berechnen, als auch durch Verfolgung und Analyse von farbigen Texturen. So lassen sich auch Objekte digitalisieren, deren Oberflächengeometrie kaum charakteristische Anhaltspunkte zur 3D-Rekonstruktion bietet, wie etwa kugelförmige Bauteile oder ebene Flächen.
Mobil und unabhängig
Um die hohen Anforderungen innerhalb der industriellen Wertschöpfungskette zu erfüllen, müssen 3D-Scanner sowohl präzise als auch flexibel sein – auch was den Einsatzort betrifft. Mit der Option zum Akku-Betrieb, mit geringem Gewicht und kompakten Abmessungen können entsprechende Geräte überall eingesetzt werden – sei es im Labor, in einer Fertigungsumgebung oder im Freien, etwa auf Erprobungsfahrt. Scanner, die je nach Umgebungsbeleuchtung und Objektoberfläche sowohl aktiv (das heißt mit eigener Lichtquelle) als auch passiv arbeiten, erweitern die Möglichkeiten zusätzlich.
Die Prozesskette in der Interieur-Entwicklung bei Hyundai wird dank der 3D-Scanner also flexibler, schneller und zuverlässiger. Durch den Vergleich der digitalen 3D-Modelle verschiedener Sitzvarianten oder Entwicklungsstufen können die Designer schnell und gezielt Veränderungen in den Prozess einfließen lassen. Das Ergebnis: Kürzere Entwicklungszyklen und geringere Kosten bei gleichzeitig höherer Produktqualität. ■
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