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Belastungsfähigkeit auf der Probe

Instrumentierte Eindringprüfung als Analysemethode für alle Werkstoffklassen
Belastungsfähigkeit auf der Probe

Die Nanoindentation ist ein Messverfahren, mit dem bei HTV mechanische Kennwerte wie die Härte aber auch elastische Größen wie das Eindringmodul von Werkstoffen ermittelt werden. Da die Prüfung lokal erfolgt, ist die Untersuchung aller Prüflinge – von dünnsten Schichten bis zu dickem Bulk-Material – möglich.

Das zunehmende Angebot unterschiedlichster Verbundwerkstoffe und neuer beziehungsweise weiterentwickelter Materialien erfordert immer fortschrittlichere und tiefergehende Analysemethoden, um adäquate Untersuchungen mit den geforderten Qualitätsmaßstäben durchführen zu können und den stetig wachsenden Ansprüchen an Belastungsfähigkeit und Langlebigkeit gerecht zu werden.

Als Hochleistungszentrum für elektronische Bauteile bietet HTV mit der instrumentierten Eindringprüfung, auch Nanoindentation genannt, eine mechanische Analysemethode zur Bestimmung von elastischen und plastischen Materialkenngrößen zur Qualifizierung oder auch Fehlerursachenforschung bei unterschiedlichsten Materialien an.

Die Nanoindentation gehört zur Familie der Härtemessverfahren und dient der Ermittlung von mechanischen Werkstoffkennwerten verschiedenster Materialien. Hierbei bezeichnet die „Härte“ den Widerstand des Prüflings, die er dem Prüfkörper entgegensetzt. Im Unterschied zu den klassischen Härtemessverfahren – nach Vickers, Shore, Martens, Rockwell, Knoop etc., die auf der Makroskala agieren und bei denen nur ein einziger Kennwert ermittelt wird – ermöglicht die Nanoindentation eine sehr exakte und zeitaufgelöste Aufzeichnung der Eindringtiefe und der aufgewendeten Kraft.

Bei der klassischen Härteprüfung wird der Prüfkörper mit einer konstanten, definierten Kraft belastet und der Härtekennwert aus der Eindruckgeometrie an der Prüflingsoberfläche graphisch ermittelt. Bei der instrumentierten Eindringprüfung hingegen wird ein Prüfkörper mit einer definierten maximalen Prüfkraft in den Prüfling gedrückt. Während des gesamten Belastungs- und Entlastungszyklus werden hierbei sowohl die Kraft als auch die Eindringtiefe aufgezeichnet. Unter Zuhilfenahme der Prüfkörpergeometrie und den Kraft- und Eindringtiefenwerten können die elastischen und plastischen Kennwerte berechnet werden. Die Prüfkörpergeometrien sind dabei identisch zu den aus der klassischen Härteprüfung bekannten Geometrien. Es werden Eindringkörpergeometrien nach Vickers (vierseitige Pyramide), Berkovich (dreiseitige Pyramide) oder Brinell (Kugel) verwendet.

Der wichtigste elastische Kennwert
ist das Eindringmodul

Neben der Martenshärte und Vickershärte wird zusätzlich auch die Eindringhärte berechnet. Der wichtigste elastische Kennwert ist das Eindringmodul, das vergleichbar zum Elastizitätsmodul aus dem Zugversuch ist. Kennwerte wie die Eindringarbeit können ebenso berechnet werden. Wenn zwischen der Belastung und der Entlastung eine Haltezeit im Experiment vorgesehen wird, ist zudem auch die Quantifizierung des Kurzzeitkriechverhaltens möglich.

Die quasi zerstörungsfreie und in der DIN EN ISO 14577 standardisierte instrumentierte Eindringprüfung wird fast ohne Probenpräparation durchgeführt. An den Prüfling werden nur die Bedingungen gestellt, dass er planparallel aufliegt und eine hinreichend kleine Oberflächenrauhigkeit aufweist; denn je geringer die Prüfkraft, desto größer der Einfluss der Oberflächenrauheit.

Anhand einer typischen Messkurve der instrumentierten Eindringprüfung erkennt man: Im Koordinatenursprung startet die Belastungskurve bis die maximale Kraft erreicht ist. Das Entlastungsverhalten wird ebenfalls aufgezeichnet. Die Eindringprüfung setzt sich aus einem elastischen und einem plastischen Anteil zusammen. Der Prüfkörper erreicht nach der Entlastung nicht wieder den Ausgangswert der Eindringtiefe. Die Eindringtiefendifferenz zwischen dem Start- und dem Endwert entspricht der bleibenden plastischen Verformung. Die elastische Zurückfederung des Materials wird durch die Differenz zwischen der maximalen Eindringtiefe sowie der Eindringtiefe am Ende der Entlastung sichtbar.

Mit der instrumentierten Eindringprüfung werden im HTV-Institut für Materialanalyse Prüflinge aus allen Materialklassen untersucht. Abhängig von der Härte des Materials beziehungsweise dem Kennwert der von besonderem Interesse ist, kann die Nanoindentation in unterschiedlichen Messmodi oder mit verschiedenen Prüfkörperspitzen erfolgen.

Bei der Standardmethode wird in Abhängigkeit von der maximalen Eindringtiefe ein Kennwertsatz (verschiedene Härtewerte, Eindringmodul etc.) errechnet. Diese Methode ist schnell und besonders geeignet für die Analysen von Bulk-Materialien wie die Härtebestimmung von Metallen oder Keramiken. Durch das geringe erforderliche Prüfvolumen kann die Härte, beispielsweise auch für einzelne Körner in einem Gefüge, ermittelt werden, wenn der Prüfling im Vorfeld als Querschliff präpariert wird.

Lösung für die Überprüfung
des Härteverlaufs von Schweißnähten

Eine weitere Anwendung für diese Methode bei HTV ist die Überprüfung des Härteverlaufs von Schweißnähten. Das Grundmaterial, die Wärmeeinflusszone sowie die eigentliche Schweißnaht werden hierbei im Querschliff ortsgenau analysiert. Die Anfertigung eines Härteverlaufs über die Schweißnaht dient der Qualitätskontrolle oder Fehlerursachenforschung. Ein weiteres Anwendungsbeispiel ist die Qualitätskontrolle von Beschichtungen wie Lacken etwa für die Karosserielackierung.

Bei (Dünn-)Schichtsystemen ist häufig die tiefenabhängige Härte von besonderem Interesse. Für solche Fragestellungen wird in der sogenannten Enhanced Stiffness Procedure die Belastung bis zur maximalen Prüfkraft in mehrere Teilebelastungen und -entlastungen aufgeteilt. Diese Messungen sind zeitaufwendiger, haben aber den großen Vorteil, dass zu jeder Eindringtiefe auch ein entsprechender Kennwertsatz vorliegt, der schichtdickenabhängige Aussagen ermöglicht. Unterscheidet sich die Schichthärte maßgeblich von der Substrathärte, so ist es möglich, die Schichtdicke bei einer hinreichend großen Maximalkraft abzuschätzen. Ansonsten wird die Härte von dünnen Schichten im Labor auch unabhängig vom Substratwerkstoff ermittelt.

Die Härte verändert sich
in Abhängigkeit von der Temperatur

Mithilfe eines Heiztischs zur Erwärmung des Prüflings werden Materialien bei HTV auch bei realen Einsatztemperaturen getestet, da die Härte sich in Abhängigkeit von der Temperatur verändert. Für polymere Werkstoffe kann sogar aus dem mechanischen Verhalten bei unterschiedlichen Temperaturen die Glasübergangstemperatur ermittelt werden. Klassisch wird die Glasübergangstemperatur über die dynamische Differenzkalorimetrie (DSC) bestimmt, bei der ein sehr geringes Probenvolumen verwendet wird, dass sehr homogen sein muss. Bei der Ermittlung der Glasübergangstemperatur mithilfe der Nanoindentation kann ein relativ großer Prüfbereich ausgewählt und analysiert werden.

Die Wahl der Prüfkörpergeometrie beeinflusst ebenfalls die Qualität der Messwerte. Für sehr weiche Materialien wie Silikone eignet sich die Messung mithilfe eines kugelförmigen Prüfkörper sehr gut. Solch weiche Materialien zeigen die Besonderheit, dass bei der Nano-indentation ausschließlich das elastische Materialverhalten ermittelt wird und keine plastische Verformung an dem Prüfling auftritt.

Auch kriechanfällige Werkstoffe wie beispielsweise polymere Werkstoffe, die eine zeit- und temperaturabhängige plastische Verformung unter konstanter Last aufweisen, werden bei HTV mit der instrumentierten Eindringprüfung untersucht. An die Belastung kann sich eine Haltezeit bei maximaler Prüfkraft anschließen bevor die Entlastung erfolgt. Während dieser Haltezeit wird das Kriechverhalten des untersuchten Materials analysiert. So kann beispielsweise beurteilt werden, ob ein neu entwickeltes Dichtungsmaterial ein hinreichend geringes Kriechverhalten aufweist, um die abdichtende Funktion langfristig aufrecht zu erhalten.

Bei HTV wird die Nanoindentation zusätzlich zur Qualifizierung für die Langzeitkonservierung und -lagerung elektronischer Bauteile und Baugruppen TAB, insbesondere bei polymeren Werkstoffen, eingesetzt. Die Alterung bei Polymeren beruht auf einer Veränderung der Kettenlängen, was auch zu einer Änderung des mechanischen Verhaltens führt. Dünne Klebstoffschichten wie beispielsweise zwischen Die und Leadframe können ebenso analysiert werden wie Kabelummantelungen oder Kunststoffsteckverbindungen auf Leiterplatten oder anderen elektronischen Bauteilen. Im Anschluss an solche Analysen werden diese potentiellen Alterungserscheinungen durch Einlagerung mit dem HTV-TAB-Verfahren zukünftig bis zu 50 Jahre drastisch reduziert beziehungsweise teilweise sogar gänzlich verhindert.

Damit lässt sich folgendes Fazit ziehen: Die Nanoindentation ist ein Messverfahren, mit dem mechanische Kennwerte wie die Härte aber auch elastische Größen wie das Eindringmodul von Werkstoffen ermittelt werden. Da die Prüfung lokal erfolgt, ist die Untersuchung aller Prüflinge, von dünnsten Schichten bis zu dickem Bulk-Material, möglich. Ob härteste Keramiken (beispielsweise Qualitätskontrolle für Bremsscheiben), weitverbreitete Werkstoffe wie Stähle (Härteverlauf quer zur Schweißnaht) oder sehr weiche Werkstoffe wie Polymere untersucht werden müssen – mithilfe der instrumentierten Eindringprüfung finden im HTV-Institut für Materialanalyse Untersuchungen aller Werkstoffklassen und Schichtsysteme statt. Die ermittelten mechanischen Kennwerte des Probenmaterials werden zur Qualitätskontrolle, Fehlerursachenforschung oder auch Erstcharakterisierung neuer Materialien verwendet. ■


Die Autorin

Dr. Wiebke Valouch

Forschung &
Entwicklung

HTV Halbleiter-Test & Vertriebs-GmbH

www.HTV-GmbH.de



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