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BMW gibt Gas mit KI in der Qualitätssicherung

Automotive
BMW gibt Gas mit KI in der Qualitätssicherung

Anwendungen aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) gibt es im Münchner Werk von mittlerweile viele — angefangen beim Presswerk über die Fahrzeuglackierung bis hin zur Funktionsabsicherung. Gekoppelt mit Smart Data Analytics und moderner Messtechnik ergeben sich so neue Möglichkeiten für die Steigerung der Qualität und eine effiziente Fahrzeugproduktion.

„Die Produktion eines Fahrzeugs dauert bei uns etwa 30 Stunden. Innerhalb dieser Zeit erzeugt es erhebliche Mengen an Daten. Mithilfe von KI und smarter Datenanalyse können wir unsere Produktion mit diesen Daten intelligent managen und analysieren“, sagt Robert Engelhorn, Leiter des BMW-Werks München. „Die Technologie unterstützt uns dabei, unsere Fahrzeuge noch effizienter zu fertigen und die Premium-Qualität für jeden Kunden sicherzustellen. Gleichzeitig entlasten wir unsere Mitarbeiter von monotonen und sich wiederholenden Aufgaben.“ Entscheidend ist für ihn immer die Wirksamkeit der Innovationen: „Dabei setzen wir ganz auf die Erfahrung und das Know-how unserer Mitarbeiter in der Fertigung. Sie können am besten beurteilen, bei welchen Schritten eine KI-Anwendung für mehr Qualität und Effizienz sorgt“, so Engelhorn.

Im Werk München erprobt der Fahrzeughersteller den Einsatz von KI und Smart Data Analytics in zahlreichen Projekten entlang der gesamten Fertigung – angefangen im Presswerk. Hier werden täglich mehr als 30.000 Blech-Platinen zu Karosserieteilen verarbeitet. Seit 2019 wird jede Platine zu Beginn mit einer Lasercodierung versehen. Diese ermöglicht eine eindeutige Identifizierung des Bauteils. Das System IQ Press erfasst mithilfe der Codierung Material- und Prozessparameter wie zum Beispiel die Dicke des Blechs und der Beölungsschicht, die Temperatur oder die Geschwindigkeit der Pressen und verknüpft diese mit der Qualität der produzierten Teile. All diese Daten werden in Echtzeit an eine Cloud geschickt und stehen dem Produktionsmitarbeiter unmittelbar zur Verfügung. Für die Mitarbeiter erhöht sich dadurch die Transparenz im Produktionsprozess und sie nutzen die Erkenntnisse von IQ Press als ein wichtiges Hilfsmittel wie zum Beispiel für die Qualitätskontrolle. Denn sie müssen nicht mehr alle Karosserieteile bis ins Detail überprüfen, sondern nur noch die Unregelmäßigkeiten, die das System zuvor ermittelt hat. Darüber hinaus bietet der Einsatz von KI das Potenzial, auf Basis der gewonnenen Daten wiederkehrende Muster im Prozess zu erkennen und diese für die kontinuierliche Optimierung zu verwenden. Der Einsatz des Systems führt somit zu einer gesteigerten Anlageneffektivität und einer weiteren Erhöhung der Stundenleistungen im Presswerk.

Predictive Maintenance
für Schweißroboter

KI nutzt der Münchner Autobauer in seinem Stammwerk auch für Predictive Maintenance im Karosseriebau. Hier sind an den Robotern über 600 Schweißzangen im Einsatz. Ein ungeplanter Austausch der Komponenten ist zeit- und kostenintensiv. Viele Roboter sind räumlich schwer zu erreichen – sie für Instandhaltungen auszubauen und zu ersetzen kann mehrere Stunden dauern. Bisher wurden die Schweißzangen täglich von einem Mitarbeiter äußerlich begutachtet. Über mehrere Monate hat die Instandhaltung nun alle Schweißzangen mit Sensoren ausgestattet. Diese messen dreimal pro Schicht die Reibung und melden, wenn Abweichungen auftreten. Eine Software wertet diese Daten kontinuierlich aus und kann so Vorhersagen treffen, wann ein Ausfall droht. Martin Hilt, Innovations- und Digitalisierungsbeauftragter des Werks München: „Durch die Sensoren und die Erfassung der Daten in einer Cloud wird nun rund um die Uhr automatisch ermittelt, wo es Bedarf für die Instandhaltung gibt. So können wir den Austausch besser planen und zum Beispiel in produktionsfreie Zeiten legen.“

Trotz umfangreicher Reinigungssysteme nimmt die Karosserie auf ihrem Weg zur Lackstraße Staubpartikel auf, die das Lackierergebnis beeinträchtigen können. Mögliche Fehler wurden bisher erst nach Abschluss des Lackierprozesses bei der automatischen Oberflächeninspektion (AOI) sichtbar. Dann musste nachgearbeitet oder die Lackierung wiederholt werden. Mittlerweile ist eine Vielzahl von Anlagen in der Lackiererei mit Sensoren ausgestattet, die Messwerte zur Staubbelastung liefern und damit Vorhersagen zur Lackierqualität ermöglichen. „Wir können nun schnell erkennen, an welcher Stelle in der Lackiererei oder in den Zwischenpuffern die Umgebungsparameter nicht stimmen. Wir erheben dafür im gesamten Prozess eine große Menge an Daten, die wir historisch auswerten und in Echtzeit analysieren“, erklärt Hilt.

Auch zu Beginn des Lackierprozesses vor und nach den sogenannten Emufeder-Walzen, die den letzten feinsten Staub von der Karosserie wedeln, misst seit einigen Monaten ein im Werk München entwickelter Sensor, wie viel Staub noch auf der Karosse haftet. Sind die Werte zu hoch, soll in Zukunft die Karosse ohne Auftragen der Lackschichten durchgeschleust und anschließend erneut gereinigt werden.

KI-Projekte im Bereich der Fahrzeugmontage beschäftigen sich bei BMW vor allem mit automatisierten Bilderkennungsverfahren: Dabei wertet die KI in der laufenden Produktion Bilder eines Bauteils aus und gleicht sie in Millisekunden mit Hunderten anderen Bildern der gleichen Sequenz ab. So ermittelt sie in Echtzeit Abweichungen von der Norm und prüft, ob etwa alle vorgesehenen Teile eingebaut oder an der richtigen Stelle montiert sind. Mit dieser Methode prüfen Montagemitarbeiter, ob das Warndreieck oder die Scheibenwischerkappen richtig montiert sind. Befinden sich zum Beispiel kleine Bläschen in den Folien der Einstiegsleisten, erkennen herkömmliche Kamera-Gates eventuell nicht, ob die Leiste das richtige Logo trägt. Deshalb fotografiert ein Mitarbeiter nacheinander die entsprechenden Stellen am Fahrzeug. Mit dem mobilen Gerät können auch schwierig einsehbare Teile geprüft werden, Entfernung und Winkel oder die Ausleuchtung spielen bei der Auswertung durch die KI kaum eine Rolle. In Sekundenbruchteilen meldet das Gerät, ob alles korrekt ist oder nicht.

Für das Trainieren der Künstlichen Intelligenz fotografieren Mitarbeiter zunächst das entsprechende Bauteil aus unterschiedlichen Perspektiven und markieren danach auf den Bildern mögliche Abweichungen. So erstellen sie eine Bilddatenbank, mit der dann ein neuronales Netz aufgebaut wird, das die Bilder später selbstständig auswertet und entscheidet, ob ein Bauteil den Vorgaben entspricht oder nicht.

Für die im BMW 3er erstmals angebotene Sonderausstattung Comfort Access hat ein Team der Elektrik-/Elektronik-Absicherung einen Roboter entwickelt. Bei Fahrzeugen mit dieser Funktion wird mit den Außenantennen ein dreidimensionales elektromagnetisches Feld um das Auto erzeugt. Betritt man dieses Feld, wird der Fahrzeugschlüssel erkannt. Ab einer Entfernung von rund 3 m wird zunächst das Welcome Light vor der Fahrertür aktiviert. Nähert man sich auf circa 1,5 m, wird das Fahrzeug automatisch entriegelt. Entfernt man sich wieder, verriegelt sich das Auto selbstständig.

Die Funktionsabsicherung hat
ein Messroboter übernommen

Abgesichert wurde diese Sonderausstattung bisher manuell, allein die Parametrierung in der Entwicklung dauerte etwa zwei Tage pro Fahrzeug. Im Werk prüfen Experten vor Produktionsstart die Comfort-Access-Zonen und den Einfluss des Produktionsprozesses auf ihre Funktionalität – ebenfalls manuell. Dabei müssen auch andere Länder- oder Sonderausstattungen wie zum Beispiel eine Anhängerkupplung berücksichtigt werden. Insgesamt ein großer zeitlicher Aufwand, bei dem aufgrund der Fülle von unterschiedlichen Funktionen Ungenauigkeiten nie ganz ausgeschlossen werden konnten.

Heute umrundet ein gemeinsam mit der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (HTW) entwickelter Messroboter in Schrittgeschwindigkeit eigenständig immer wieder das zu prüfende Fahrzeug in einem vorher definierten Raster und ermittelt die Feldstärken für jeden gewünschten Messpunkt. Der Fahrzeugschlüssel steckt dabei in einem Kasten an einem Liftsystem, das die unterschiedlichen Tragemöglichkeiten und -höhen wie zum Beispiel in der Hand-, Sport- oder Brusttasche simuliert. Sobald eine Ent- oder Verriegelung erkannt und von der Fahrzeugelektronik übertragen wird, führt der im Roboter verbaute Lidar-Scanner eine Abstandsmessung zwischen Schlüssel und Fahrzeug durch. Auch das gesamte Umfeld des Fahrzeugs wird erkannt und vermessen. Diese Daten werden live an einen Zentralrechner übermittelt und in einer Grafik dargestellt. Die Vorteile des Systems liegen auf der Hand: „Mit dem Roboter sind wir nicht nur viel schneller in der Absicherung, sondern auch präziser. Wir erhalten ein detailliertes und vor allem objektives Ergebnis. Die Validierung kann damit schon vor der ersten Fahrerprobung beginnen“,
so Hilt. ■

BMW AG
Petuelring 130
80788 München
Tel. +4989125016000
www.bmw.de


Die Autorin

Susanne Tsitsinias

Kommunikation
Werk München
BMW Group

www.bmw.de


Webhinweis

Den Einsatz von KI zur Qualitätssicherung im Presswerk sowie zur Qualitätskontrolle bei der Fahrzeugmontage zeigt BMW in diesen Videos:

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