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Fahrerlos und flexibel

Sandwichplatten-Transportsystem für den Messraum des VW Crafter
Fahrerlos und flexibel

Der Messraum für den VW Crafter gilt als Musterbeispiel für optische und taktile Messtechnik. Ebenso modern sind die fahrerlosen Transportplatten von Witte Barskamp, die ohne mechanisches Führungssystem beliebige Karosserieteile und deren Messvorrichtungen bis hin zum kompletten, fahrbereiten Fahrzeugs zu den Messzellen befördern.

Auf der Nutzfahrzeug-IAA 2016 hatte der neue VW Crafter hatte seine erste große Bühne. Für die Produktion aller weltweit vertriebenen Crafter-Modelle errichtete VW Nutzfahrzeuge im polnischen Września ein neues Automobilwerk, das Anfang September 2016 an den Start ging und bei Vollbetrieb rund 3000 Mitarbeiter beschäftigt. Durch den kompletten Neubau bestand die Möglichkeit, innovative Ideen in die Praxis umzusetzen.

Dieser Umstand überzeugte Werner Steinert, die Leitung von QS-Analyse und Messwesen im Werk Września zu übernehmen. „Die Chance, seinen Messraum nach modernsten Kriterien selbst planen zu dürfen, erhält man höchstens einmal im Leben“, erklärt der Messtechnik-Fachmann, der bereits seit 25 Jahren in VW-Diensten steht. Einzelne Komponenten und Baugruppen – ob zugeliefert oder selbst produziert – bis hin zu kompletten Fahrzeugen sollten dort geprüft werden können, um ein Endprodukt höchster Qualität sicherzustellen.

„Im Prinzip durfte ich das umsetzen, was im VW-Konzern auf breiter Ebene diskutiert wird“, berichtet Steinert. „Insofern sind dort auch Ideen meiner Kollegen aus über 80 fahrzeugbauenden Werken eingeflossen.“ So ist der neue Messraum eine zentrale Einheit mit zwei Bereichen, der Bauteilqualifizierung auf der einen Seite und der Konformitätsprüfung auf der anderen. „Die räumlichen Gegebenheiten sind optimal, und mein Team besteht aus qualifizierten jungen Leuten, die sehr leistungsbereit sind“, lobt der Leiter Messtechnik. „Wir haben beste Voraussetzungen dafür, ein besonderes messtechnisches Niveau zu erreichen.“

Das Bild des Messraums prägen vor allem sechs Großmessplätze, von denen drei mit optischer Messtechnik und Roboterautomatisierung ausgestattet sind. Sie werden von insgesamt neun Transport-Messplatten, die fahrer- und schienenlos durch die Halle gleiten, mit zu messenden Teilen versorgt. Steiner weist stolz darauf hin, dass hier konzernweit die höchste Konzentration optischer Messtechnik vorhanden ist. Er ergänzt: „Mir sind auch keine anderen Hersteller bekannt, die optische Messtechnik in diesem Umfang und dieser Form bereits umgesetzt haben. Wir sind in der Lage, eine komplette VW Crafter Karosserie innerhalb von gut zwei Stunden komplett zu digitalisieren.“

Durch die große Teilevielfalt müssen die Messplätze sehr flexibel bestückt werden. Daher legte Steinert besonderes Augenmerk auf das Transportsystem: „Ich stellte mir von Anfang an Transportplatten vor, die von meinen Mitarbeitern mit Messvorrichtungen sowie Teilen bestückt und dann zum passenden Messplatz geschickt werden. Den Weg dorthin sollten sie autark fahren können, ohne auf Schienen angewiesen zu sein.“

Nun war ein solchen Ansprüchen genügendes System (noch) nicht am Markt verfügbar. Steinert nahm Kontakt zu einem bewährten Partner auf: Witte Barskamp. Das Unternehmen hatte in den vergangenen Jahren schon mehrere VW-Werke mit Aufnahmetechnik und Lochrasterplatten zum Messen und Transportieren beliefert. „Aus bestehenden Erfahrungen heraus war ich mir sicher, dass Witte in der Lage ist, dieses Projekt in der knappen Zeit bis zum Produktionsbeginn zu stemmen“, argumentiert Steinert.

Auf Basis seiner patentierten Aluminium-Sandwichplatten entwickelte der Spanntechnik-Spezialist aus Bleckede ein Konzept, das bei Volkswagen auf Zustimmung stieß. Geschäftsführer Andreas Witte erklärt: „Unsere Sandwich-Platten bieten eine sehr hohe Präzision und Steifigkeit bei vergleichsweise geringem Gewicht und einer Höhe, die noch als normale Trittstufenhöhe betrachtet wird. Diese Platten können wir bezüglich Größe und Traglast nach Bedarf auslegen und mit erforderlichen Zusatzelementen versehen.“

So entwickelte Witte für den VW Crafter Messraum eine individuell gestaltete horizontale Aluminium-Sandwichplatte mit luftgelagerten Lenkrolleneinheiten und elektrischem Reibradantrieb. Die spezielle Bauform und Dimension der Platten gewährleistet eine Gesamtstruktur, die bei Auflasten bis zu 2500 kg auch beim Absetzen und Anheben in den Mess- und Rüstplätzen verwindungssteif bleibt.

Acht Sandwichplatte in der Größe 400 x 2400 x 8000 mm und eine neunte mit 4500 mm Länge wurden nach derzeitiger VW-Spezifikation entwickelt, gefertigt und nach Września geliefert. Ihr hochpräzises 100er Lochbild ermöglicht die Installation von Messaufnahmen für alle zu messenden Karosserieteile.

Doch das Wesentliche steckt im Inneren des Alu-Sandwichsystems. Neben den Versteifungselementen gelang es den Witte-Konstrukteuren, alle Komponenten der elektronischen Steuerungs- und Antriebs- sowie Sicherheitstechnik, zwei Kompressoren mit wartungsarmem Druckluftspeicher fürs Heben und Senken der Platte und 48V-Akkus einzubauen, die den Reibradantrieb und alle anderen elektrische Komponenten mit Strom versorgen. Geladen werden die Akkus in erster Linie über im Boden eingelassene Stationen in den Messzellen. Steht eine Platte jedoch über längere Zeit an einem der drei Rüstplätze, lässt sich dort ein separates Handladegerät anschließen.

Kompakte Sandwich-Konstruktion
mit leistungsstarkem Innenleben

Rechts und links angeordnete Duplex-Antriebe ermöglichen die geregelte Längsfahrt vorwärts und rückwärts, außerdem die Kurvenfahrt und das Drehen um die Antriebsachse. „Letzteres ist enorm platzsparend“, wirft Steinert ein. „Gerade wenn mehrere Platten gleichzeitig unterwegs sind, geht es manchmal ziemlich eng zu. Da hilft diese Technik ungemein.“ Zur Beweglichkeit der Platte tragen außerdem jeweils acht wartungsfreie Dreh-Rollensätze in Schwerlastbauweise bei, sogenannte Swivel, die pneumatisch synchronisiert in Z-Richtung ein- und ausfahrbar sind.

Die größte Herausforderung stellte das von Steinert gewünschte schienenlose Führungssystem dar, das nach intensiven Beratungen auf Transponderbasis realisiert wurde. Dazu mussten alle Fahrwege zwischen Rüst- und Messplätzen mit codierten Chips markiert werden. Diese etwa 2-Euro-großen Speicherbausteine wurden in den Fußboden eingelassen und mit Farbe überdeckt, so dass sie nicht sichtbar sind. In den Sandwichplatten befindet sich vorne und hinten jeweils eine Antenne, über die sich die Informationen des in nächster Nähe befindlichen Transponderchips auslesen lassen. Zusätzlich sorgt ein integrierter Kreiselkompass für die richtige Orientierung. So weiß die mit einer Siemens-Steuerung ausgestattete Platte stets, wo sie sich befindet und kann autark zu ihrem Zielort fahren.

Der Fahrbetrieb ist jedoch nur zum Teil automatisiert. Es findet keine Fahrt statt, bei der nicht der zuständige Messtechniker über das Bedienterminal an der Stirnseite der Platte das passende Messvolumen beziehungsweise den Rüstplatz auswählt und per Knopfdruck den Fahrbefehl gibt. Messtechnik-Chef Steinert erklärt: „Solange die Fahrbewegungen im Hoheitsbereich meiner Mitarbeiter liegen, sind wir viel flexibler. Wir können Aufträge ganz schnell umorganisieren und die Platten neu rüsten, wenn es erforderlich ist.“

Auch Sicherheitsvorkehrungen sind vorhanden, die sowohl den rechtlichen Vorschriften als auch den VW-Richtlinien entsprechen. So befindet sich an jeder Ecke der Sandwichplatte ein selbstentriegelnder Sicherheit-Laserscanner, der die umlaufenden horizontalen Schutz- und Verfahrbereiche in Bodennähe automatisch überwacht. Erkennen die Scanner ein mögliches Hindernis, reduziert die Platte ihre Geschwindigkeit bis zum Stillstand. Ist das Warnfeld wieder frei, fährt sie automatisch weiter. Für Steinert ist das „eine ideale Lösung. Meine Mitarbeiter bewegen sich trotz der automatisch fahrenden Platten ganz entspannt in der Halle, weil sie wissen, dass das System funktioniert“.

Pünktlich zum Produktionsstart war der Messraum einsatzfähig. Steinert ist begeistert vom Ergebnis: „Das Gesamtsystem mit der optischen Messtechnik ist zukunftsweisend. Es ist ein wichtiger Baustein für die fortschreitende Digitalisierung unserer Produktionswelt. Dass auch in Zukunft nicht alles vollautomatisiert sein wird, zeigt unser teilautomatisiertes Transportsystem. Dadurch, dass unsere Mitarbeiter die Bestückung der Messvolumen verantworten, können wir hochflexibel agieren, und unsere Messmaschinen liefern ohne große Ausfall- oder Wartezeiten permanent Ergebnisse.“ ■


Der Autor

Wolfgang Klingauf

k+k-PR

im Auftrag von

Witte Barskamp

www.witte-barskamp.de


Webhinweis

Wie die Qualitätssicherung im VW Werk in Września einschließlich der Sandwichplatten von Witte Barskamp funktioniert, ist in diesem Video von Zeiss zu sehen: http://hier.pro/qC8vO

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