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Komplex und zeitkritisch

Funktionsvielfalt von Embedded Software erschwert die Qualitätskontrolle
Komplex und zeitkritisch

Die Qualität von Software ist ein wichtiger Faktor – nicht nur für den Erfolg eines Produkts wie einem Fahrzeug, sondern auch für die Sicherheit des Nutzers. Am Beispiel Auto werden aber auch die besonderen Herausforderungen deutlich, die mit dem Testen der integrierten Software verbunden sind. Dienstleister bieten dafür Unterstützung an.

Informationstechnologie spielt eine große Rolle in unserem beruflichen und privaten Leben. Und ihre Bedeutung nimmt stetig zu. Die Digitalisierung verändert die Unternehmen. Zunehmend mehr Dinge kommunizieren miteinander. 30 Milliarden, 50 Milliarden oder sogar 212 Milliarden – das sind die Zahlen, die Experten auf die Frage nennen, wie viele Objekte bis zum Jahr 2020 weltweit miteinander vernetzt sein werden.

Gesteuert wird diese Kommunikation über Software, die in Maschinen oder andere Gegenstände integriert ist. Je stärker die Bedeutung der Software zunimmt, umso wichtiger wird auch die Absicherung ihrer Qualität. Das zeigt sich besonders gut bei der IT im Auto. Und dort werden auch die Herausforderungen besonders deutlich, die mit der Qualitätssicherung von eingebetteten Systemen verbunden sind.
Auch im Fahrzeug wächst der Anteil von Software kontinuierlich. Häufig wird das Auto schon als Smartphone oder Computer auf Rädern bezeichnet. Faktoren wie etwa Motorleistung treten als Verkaufsargument in den Hintergrund. Wichtig ist dagegen zum Beispiel, wie sich das Fahrzeug mit dem eigenen Tablet-Computer verbinden lässt oder welche Online-Services zur Verfügung stehen.
Software-Qualität kann somit über Erfolg oder Misserfolg in der Automobilindustrie entscheiden. Und während Bugs im Textverarbeitungsprogramm den Nutzer nur Nerven kosten, können fehlerhafte Funktionen im Bordcomputer im schlimmsten Fall die Gesundheit der Fahrzeuginsassen gefährden.
Verschiedene Entwicklungszeiten
Unterschiede zu herkömmlicher IT zeigen sich auch, wenn es um das Testen der Embedded Software geht. Die Entwicklungszeit eines neuen Fahrzeugs beträgt mittlerweile drei bis vier Jahre. Die Innovationszyklen von Softwareprodukten bestimmter Kategorien wie zum Beispiel einer App sind dagegen deutlich kürzer.
Somit ist die Version eines Softwareproduktes beziehungsweise das Produkt selbst relativ schnell wieder veraltet und muss mit einem Update auf den aktuellen Stand gebracht werden. „Die Funktion eines Infotainmentsystems ist aber so abzusichern, dass diese auch noch in 10 oder 15 Jahren problemlos genutzt werden kann“, sagt Ulrich Vellmer, Head of Industrial Services and Solutions beim IT-Dienstleister SQS.
Gleichzeitig ist der Druck höher, die Software-Tests in der vorgegebenen Zeit abzuschließen. „Die Einführung eines SAP-Moduls im Unternehmen lässt sich notfalls verschieben“, erklärt Julian Reichert, der beim Dienstleister Sulzer ein Testcenter für einen OEM leitet. Die Software für ein Fahrzeug müsse dagegen zum vereinbarten Fertigungstermin bereit stehen.
Eine Herausforderung ist auch die Komplexität. Ein Mobile-Online-Service etwa spricht viele verschiedene Systeme im Fahrzeug an. Hinzu kommt die verschlüsselte Kommunikation mit der IT-Infrastruktur des Automobilherstellers. Daten werden zum Fahrzeug geliefert und fließen von diesem umgekehrt zum OEM oder involvierten Daten-Providern, wo sie verarbeitet werden.
Der Grad der Vernetzung ist hoch. „Und mit jedem neuen Modell, jeder neuen Modellvariante und jedem neuen Service wird die Situation komplexer“, meint Vellmer.
Aufgrund ständig wachsender Vernetzung und zunehmender Funktionalität sowie den zeitlichen Restriktionen müsse ein risiko-basierter Ansatz für den Test herangezogen werden, ergänzt durch eine sehr hohe Abdeckung mit automatisierten Tests, so Vellmer. Will heißen: Einige Funktionen, die nicht sicherheitskritisch sind, werden bei der Prüfung ausgelassen.
Mit der Verzahnung von IT-Systemen und Embedded-Systemen ergeben sich weitere Herausforderungen. So müssen diese Systeme unter anderem. den hohen Anforderungen hinsichtlich Safety und Security genügen.
Außerdem muss gewährleistet sein, dass die Software über einen Zeitraum von 15 Jahren immer einsatzbereit ist. „Bestimmte Services oder Funktionen müssen hochverfügbar sein“, sagt Björn Loch, der bei SQS für den Bereich Mobile-Online-Services tätig ist.
Auslagern hat Vorteile
Dienstleister wie SQS, Sulzer oder Berner & Mattner stellen den Automotive-Unternehmen Testcenter zur Verfügung, um die Qualitätssicherung der Software zu übernehmen. Das Auslagern hat einige Vorteile. Aufgrund der Komplexität ist es nach Meinung von Reichert für die Firmen, die die Software entwickeln, nicht immer einfach, noch den nötigen Überblick zu behalten.
„Es ist ein immenser Aufwand, um an die Informationen zu gelangen, die für das Testen notwendig sind“, so der Experte. Schließlich seien meistens viele verschiedene Komponenten involviert. „Das ist wie ein Puzzle, das zusammengesetzt werden muss“, meint Reichert.
Überblick ist auch wichtig, wenn es um die Prüfung von End-to-End-Prozessen geht – ob zum Beispiel ein Service durchgängig vom Backend-System bis ins Fahrzeug ohne Fehler verfügbar ist. „Dabei sind viele verschiedene Abteilungen in dem Automotive-Unternehmen involviert. Es gibt unterschiedliche Verantwortlichkeiten“, erläutert Reichert. Da sei es von Vorteil, wenn ein Dienstleister die gesamte Kette von außen betrachten könne.
Hersteller gerieten beim Software-Testing außerdem an ihre Grenzen, glaubt Günter Schneider, Leiter Kompetenzfeld Test bei Sulzer. „Testumgebungen einzurichten, erfordert umfangreiche Ressourcen aus Hard- und Software, Betriebssystemen, Schnittstellen, Datenbeständen und den neuesten Werkzeugen“, erläutert Schneider. Auch das technische Know-how ist seiner Meinung nach entscheidend. „Sonst werden falsche Methoden ausgewählt oder Tests zum falschen Zeitpunkt automatisiert.“
Wie beim Testen vorgegangen wird, erklärt Schneider beispielhaft an einer App. Dabei ließe sich grundsätzlich zwischen zwei Aspekten des Testens unterscheiden: funktional und nicht-funktional. Bei einer App zum Diktieren von SMS etwa prüfen funktionale Tests zum Beispiel, ob der eingesprochene Text auch auf dem Handy ankommt. Nicht-funktionale Tests prüfen laut Schneider das User-Handling und ob der Dienst jederzeit zuverlässig arbeitet.
Fehler lassen sich im Rahmen eines Defect-Management-Prozesses dokumentieren und an die ursprünglichen App-Entwickler zurückspielen. Ist die Beanstandung behoben, wird erneut geprüft. Regressionstests stellen sicher, dass die Anwendung nun fehlerfrei arbeitet.
Neben den Funktionen wird von den Dienstleistern aber auch der Software-Code selbst überprüft. Michael Schmidt bei Berner & Mattner nennt das Management der Code-Qualität als eine der Aufgaben, die sein Unternehmen übernimmt. Daneben zählt er Prozessanalyse, Testanalyse und operative Qualitätssicherung zu den Kernbereichen des Angebots. Schmidt ist Leiter des Competence Centers für Software-Qualität bei Berner & Mattner.
Bei der Entwicklung von Software hat sich mittlerweile nicht nur im Automotive-Bereich das agile Vorgehenskonzept etabliert. Die Testing-Dienstleister unterstützen diese Methode und können die jeweilige Software so quasi stückchenweise einer Prüfung unterziehen.
Häufig werden die Experten aber erst relativ spät hinzugezogen. „Der Bedarf für Qualitätsanalysen manifestiert sich häufig in Dringlichkeitsanfragen, bei denen Fehlerursachen in komplexen Systemen schnell gefunden werden müssen, da sich Probleme um oder nach dem Serienanlauf eines Produkts einstellen“ berichtet Schmidt. Der Competence Center agiere dann quasi als Taskforce.
Grundsätzlich erleichtert es laut Reichardt jedoch die Arbeit, wenn die Testing-Experten schon frühzeitig in den Software-Entwicklungsprozess eingebunden werden. Dann könnten zum Beispiel Schnittstellenbeschreibungen schon so definiert werden, dass sich die späteren Tests einfacher durchführen lassen. ■
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