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Neue Prüftechnik – damit Hartschaum nicht versagt

Verbundbauteile
Neue Prüftechnik – damit Hartschaum nicht versagt

Multiaxiale Zug- und Druckversuche sind von entscheidender Bedeutung zur Modellierung des Materialverhaltens von harten Schäumen. Für die sichere und kosteneffektive Auslegung von Verbundbauteilen mit Schäumen hat das Fraunhofer LBF nun neue Prüfverfahren und verbesserte Methoden entwickelt.

Für multiaxiale Prüfungen von harten Schäumen fehlt aktuell ein bewährtes Verfahren. Einige Belastungsfälle sind experimentell kaum realisierbar. So sind zum Beispiel plausible Prüfvorschriften für den hydrostatischen Zugversuch nicht bekannt und der äquibiaxiale Zugversuch ist kostspielig in der Durchführung. Um diese Problematik in den Griff zu bekommen, haben die Experten des Fraunhofer-Instituts für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF einen equibiaxialen und einen hydrostatischen Druckversuch aufgebaut. Die Ergebnisse dieser Versuche sind eindeutig und einfach zu interpretieren. Zusammen mit den uniaxialen Zug- und Druckversuchen sowie Torsionsversuchen sorgen diese Versuchsdaten für eine zuverlässige Modellierung und plausible Extrapolationen, die eine Abschätzung der nicht verfügbaren Daten aus dem hydrostatischen Zugversuch ermöglichen.

Die equibiaxiale (gleichmäßige biaxiale) Druckbelastung wird in einer konventionellen Zugprüfmaschine mit einer Kreisscheibe als Probenkörper und einer Blechschleife zum Aufbringen der Lasten realisiert. Die Blechschleife hat an einem Ende ein rechteckiges Loch und am anderen Ende einen Steg. Das vorgebogene Blech ist so geschlossen, dass der Steg durch das Loch geführt wird und so eine Schlaufe entsteht.

Der Probekörper wird mit dieser Schlaufe umwickelt. Im Bereich der Schleifenüberlappung werden dünne vorgebogene Bleche eingelegt. Diese Bleche stützen den konstruktiv geschwächten Bereich des Schleifenlochs und sorgen für eine bessere Verteilung der Belastung. Vor der Prüfung wird der Probekörper mit trockener Druckluft gereinigt, vermessen und gewogen. Die Schleife, die Bleche und die Umfangsfläche des Probekörpers werden mit einem Schmiermittel vorbehandelt, um Reibung zu verringern. Der Aufwand dieser Prüfung ist minimal und vergleichbar mit den Standard-Zugversuchen. Der 2D-Druckversuch stellt eine effektive Methode zur ersten Abschätzung des Materialverhaltens dar. Für eine genaue Modellierung ist jedoch ein hydrostatischer Druckversuch unerlässlich.

Zwei Arten des Materialverhaltens unter hydrostatischem Druck

Forschende am Fraunhofer LBF haben eine neue Methode zur Prüfung des Materialverhaltens unter hydrostatischer Druckbelastung implementiert und auf mehrere offen- und geschlossenporige polymere Hartschäume angewendet. Es sind zwei Arten des Materialverhaltens unter hydrostatischem Druck zu unterscheiden: das Versagen der Zellen und der hydrostatische Kollaps der Gesamtstruktur. Diese Unterschiede sind vor allem in Unterwasseranwendungen von Bedeutung.

Die Probekörper mit und ohne Schutzschicht werden geprüft, um verschiedene Versagensarten zu erhalten. Zur Bestimmung der Festigkeit der Gesamtstruktur wird der Probekörper unter Vakuum in einen Schutzbeutel verpackt. Die gemessenen Unterschiede zwischen den beiden Festigkeiten erreichten bei einigen Schäumen bis zu 6 %.

Der würfelförmige Probekörper hat die Abmessungen 50×50×50 mm3. Die Kanten sind abgerundet, um eine Beschädigung des Schutzbeutels während der Fixierung und der Belastung zu vermeiden. Anschließend werden die Ecken mit Schleifpapier geglättet, um eventuelle Grate zu entfernen. Die Abmessungen des Probekörpers sind durch die Größe des Sichtfensters der Druckkammer und die Abmessungen des gelieferten Materials begrenzt. Vor dem Versuch wird die Probe mit einem statistisch verteilten Schwarz-und-Weiß-Muster gesprenkelt.

Die Deformationen auf der Probenoberfläche werden von einer CCD-Kamera erfasst. Die Dehnungsauswertung der Geometrieänderung in der Platte erfolgt im Post-Processing unter Verwendung der Grauwert-Korrelationssoftware. Diese Auswertung erfolgt bis zum Versagen.

Für eine zuverlässige Modellierung von Materialien, die unter hydrostatischem Druck versagen, ist der hydrostatische Druckversuch zwingend erforderlich. Die Materialeigenschaften aus dieser Prüfung können nicht aus den Daten der Zug-, Druck- und Torsionsprüfung berechnet werden. Mögliche Extrapolationen, wie zum Beispiel auf der Basis des 2D-Druckversuchs, können nur Abschätzungen liefern und sollten für kritische Bauteile nicht angewendet werden. Der hydrostatische Druckversuch liefert die notwendigen Informationen zur Modellierung des elastischen Verhaltens und des Versagens bei mehraxialen Druckbelastungen.

Die Ergebnisse des hydrostatischen Versuchs führen direkt zu den benötigten Parametern im Materialmodell, was das Fitting erheblich vereinfacht. Unter anderem ist der Kompressionsmodul des elastischen Verhaltens ein Ergebnis dieser Versuche. Die Methode erlaubt es somit, Entscheidungen über die Materialwahl für bestimmte Anwendungen zu treffen. Sie erscheint auch für weitere Materialien wie keramische Schäume, Porenbeton, Boden, gesinterte und granulare Materialien vielversprechend.

Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF
Bartningstraße 47
64289 Darmstadt
www.lbf.fraunhofer.de


Bild: Fraunhofer LBF
Bild: Fraunhofer LBF

Dr. Vladimir A. Kolupaev Axel Nierbauer

Mechanik und Simulation, Bereich Kunststoffe
Fraunhofer LBF

www.lbf.fraunhofer.de

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