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Das Werkzeug unter Kontrolle

Digitale Transformation in der Qualitätssicherung
Das Werkzeug unter Kontrolle

Das Werkzeug unter Kontrolle
Bei der Auswertung der Messdaten des Streulichtsensors, in diesem Fall von Oposurf, zeigten sich bei der Folienherstellung regelmäßig wiederkehrende Muster, die als „wellenförmig“ interpretiert werden können. Die Ursache dafür lag im Werkzeug Bilder: Micronise
Durch den Einsatz von fertigungsintegrierter Messtechnik mit Zugriff auf die Messdaten über eine gemeinsame elektronische „Werkzeug-Datenbank“ lassen sich fehlerhafte Werkzeuge schon vor der Inbetriebnahme erkennen und zur Nachbesserung ausschleusen.

Im Zuge der digitalen Transformation wird die Qualitätssicherung sukkzessive durch eine fertigungsbegleitende bis hin zu einer in die Produktion integrierte Qualitätskontrolle ersetzt. Insbesondere berührungslose Messsysteme und die industrielle Bildverarbeitung spielen hier eine maßgebliche Rolle, um Materialeigenschaften und -zustand inline zu prüfen und prozesssicher zu dokumentieren.

Das folgende Projektbeispiel zeigt, wie man mit der Auswahl geeigneter Messtechnik, vor allem aber durch einen definierten, digitalisierten Qualitätsprozess, erhebliche Vorteile nebst Einsparungen für Zulieferer, Maschinenhersteller und Endkunde erreichen kann: Der Endkunde, ein Produzent von Metallfolien, reklamiert, dass auf dem Endprodukt teilweise „wellenförmige“ Strukturen auftreten, für die es zunächst keine Erklärung im Zusammenhang mit dem bestehenden Produktionsprozess gibt. Die Vermutung ist, dass dafür Defekte auf der hochglanzverchromten Oberfläche des zugehörigen Werkzeugs verantwortlich sind.

Das Werkzeug bezieht der Maschinenhersteller von einem Zulieferer. Die wesentlichen Probleme beim Auftreten solcher Fehler sind neben dem produzierten Ausschuss die hohen Kosten für den Tausch des Werkzeugs und die lange Stillstandszeit der Maschine. Bereits bei der Inbetriebnahme können schon im Anlaufprozess durch die Produktion von mangelhaften Folien Kosten in Höhe von mehreren zehntausend Euro entstehen. Hinzu kommen die Kosten für den Austausch des Werkzeugs, sodass ein Betrag zwischen 50.000 und 80.000 Euro zusammen kommt.

Ziel des Projekts war es, diese Kosten durch eine möglichst frühzeitige Qualitätskontrolle des Werkzeuges zu vermeiden und den zugehörigen Prozess für alle Beteiligten vom Werkzeugmacher über den Maschinenhersteller bis hin zum Fertiger zu optimieren.

Im ersten Projektschritt, der Analyse, wurde die Werkzeugoberfläche beim Maschinenhersteller mit verschiedenen optischen Sensoren analysiert, die speziell zur Oberflächenanalyse und dem Messen von 3D-Strukturen eingesetzt werden – unter anderem konfokal, Streulicht, Weißlichtinterferometrie. Bei der Auswertung der Messdaten des Streulichtsensors zeigten sich regelmäßig wiederkehrende Muster, die als „wellenförmig“ interpretiert werden können. Bei weiteren Tests mit einem „Gutteil“ und einem „Schlechtteil“ wurde deutlich, dass nicht die verchromte Oberfläche die störenden Strukturen erzeugt, sondern offenbar der Untergrund, auf den die Hochglanzverchromung aufgetragen wurde, nicht ebenmäßig genug ist.

Im zweiten Projektschritt wurde ein
Konzept entwickelt, um folgende Ziele zu erreichen:

  • Vermeidung der Auslieferung fehlerhafter Werkzeuge seitens des Maschinenherstellers an seine Endkunden durch eine dezidierte Wareneingangskontrolle.
  • Implementierung einer Datenbank mit Zugriff auch für den Werkzeughersteller (Zulieferer), um online eine Überprüfung und Nachverfolgungsmöglichkeit aller Werkzeuge zu ermöglichen.
  • Zukünftige Überwachung des Herstellungsprozesses mittels geeigneter Messtechnik, um Werkzeuge entsprechend ihrer Qualitätsmerkmale projektbezogen (den Anforderungen des jeweiligen Endkunden entsprechend) zuordnen zu können.

Im dritten Projektschritt erfolgte die Implementierung: Für die Wareneingangskontrolle wurde ein Messsystem mit zwei Streulichtsensoren definert. Die Sensoren übermitteln die Messergebnisse in eine „Werkzeugdatenbank“. Alle Werkzeuge werden nun einer 100-Prozent-Kontrolle unterzogen und die relevanten Oberflächenparameter in der Datenbank gespeichert. „Schlechtteile“ können so, noch bevor sie in die Maschine eingebaut werden, erkannt und dann an den Zulieferer zurückgeschickt werden. Über die Prüfung im Wareneingang kann auch ein Vorher-Nachher-Vergleich erfolgen.

Im vierten Projektschritt erfolgte die Vernetzung: Um den Prozess weiter zu optimieren, konnte auch der Zulieferer vom Maschinenhersteller überzeugt werden, ein Messsystem zu installieren, welches in die Fertigungsmaschine integriert wird. So kann die Qualität der Werkzeugoberfläche schon während oder kurz nach dem Fertigungsprozess kontrolliert werden. Die Messdaten dieser Qualitätskontrolle sind dem jeweiligen Werkzeug über einen QR-Code zugeordnet und können online auch vom Maschinenhersteller eingesehen und gegebenenfalls mit den Daten aus der Wareneingangskontrolle verglichen werden. Damit lassen sich Werkzeuge mit unterschiedlichen Qualitätsstufen unmittelbar für entsprechende Endkundenprojekte zuordnen, welches zudem eine kürzere Lieferzeit erlaubt.

Fehler an Werkzeugen werden schon
vor der Inbetriebnahme erkannt

Durch den Einsatz einer fertigungsintegrierten Messtechnik mit Zugriff auf die Messdaten über eine gemeinsame elektronische „Werkzeug-Datenbank“ werden fehlerhafte Werkzeuge schon vor der Inbetriebnahme erkannt und zur Nachbesserung ausgeschleust. Für den Maschinenhersteller und den Endkunden sind dies erhebliche finanzielle und zeitliche Einsparungen. Zusätzlich kann die Zufriedenheit des Endkunden gesteigert werden, da die Folienqualität durch Auswahl des entsprechenden Werkzeugs exakt definiert und damit eine gleichbleibende Fertigungsqualität gewährleistet werden kann. Wird auch dem Endkunden Zugriff auf die Datenbank gewährt, wäre es ihm möglich, sich frühzeitig für ihn geeignete Werkzeuge zu reservieren, um die Stillstandszeit der Anlage beim Tausch der Werkzeuge zu minimieren.

Die Erfahrung zeigt, dass fertigungsnahe beziehungsweise -integrierte Messtechnik zur Qualitätssicherung häufig kundenspezifisch konzipiert werden muss. Oft ist am Anfang des Projektes noch nicht einmal offensichtlich, wo im Prozess das Qualitätsproblem entsteht und wie man regulierend eingreifen kann. Erst in enger Zusammenarbeit zwischen Fertigungsspezialisten, Messtechnikern, Zulieferern und Kunden entsteht ein Verständnis für den Gesamtprozess und ein Konzept für eine Qualitätskontrolle, welche die individuellen Anforderungen erfüllt. ■


Der Autor

Michael Klausnitzer

Geschäftsführer

Micronise

www.micronise.com


Seminar

Die Technische Akademie Wuppertal bietet ab November 2018 unter der Leitung von Michael Klausnitzer, Micronise, das Seminar „Optische Messverfahren und Industrielle Bildverarbeitung in der Qualitätssicherung – Automatisierungsmöglichkeiten und Integration in qualitätsrelevante Prozesse“ an.

Näheres unter www.taw.de/afq

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