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Mit Rennski auf dem Prüfstand

Reichen die Messmethoden des internationalen Skiverbands FIS?
Mit Rennski auf dem Prüfstand

Ausgefallenere Werkstücke hat ein Koordinatenmessgerät wohl selten vermessen: Zwei österreichische Studenten haben mit einer Mitutoyo Crysta-Apex S im Rahmen einer Seminararbeit die Taillierung von Riesenslalom-Rennski überprüft.

Ihre Leidenschaft für die Sache merkt man Mario Lazzeri und Johannes Brunner an. Denn die beiden österreichischen Studenten haben sich für ihre Seminararbeit für ihren Studiengang ein mehr als exotisches Thema ersonnen: Sie vermessen Riesenslalom-Rennski. Sie wollen herausfinden, ob die recht einfache Vermessungsmethode des internationalen Skisportverbands FIS praktikabel ist und realitätsnahe Resultate liefert. Genauer gesagt geht es dabei um das Carving der Skier, sprich die Konkavheit der Skikanten.

Das Reglement des internationalen Skiverbands FIS sieht dabei im Riesenslalom einen mittleren Radius der Rundungen von mindestens 35 m vor. Engere Radien kommen zwar der Dynamik entgegen, bergen jedoch ein erhöhtes Verletzungsrisiko für den Fahrer. Darüber hinaus müssen die Sportgeräte mindestens 1,95 m lang sein. In der abgewickelten Länge werden die Ski von der FIS mit einem Stahl-Maßband, welches mit dem Nullpunkt am Skiende angebracht wird, vermessen.
Von der schmalsten Skistelle ausgehend wird die hintere und vordere Skilänge gemessen. Damit durch die unterschiedlichen Geometrien der Skienden und Skischaufeln der gesamte Taillierungsradius nicht verfälscht wird, werden die hintere Skibreite bei 90 % der hinteren Länge und die vordere Skibreite bei 80 % der vorderen Länge gemessen. Zum Ermitteln der Taillierung wird – an vorgegebenen Messpunkten – mit einem in eine verschiebbare Vorrichtung integrierten Messschieber die Breite des Skis gemessen. Durch eine integrierte Lupe mit Markierungslinie kann die Messposition vom Maßband abgelesen werden. Daraus wird der mittlere Radius der Taillierung errechnet.
Liegt der Taillierungsradius nach der einmaligen Messung unter dem gültigen Limit, muss die Messung mit Berechnung weitere zwei Mal wiederholt werden. Aus den so bestimmten drei Taillierungsradien wird das arithmetische Mittel XR gebildet. Um den Messfehler in den Längen- und Breitenmessungen zu berücksichtigen, wird der Taillierungsradius mit 1,015 XR festgelegt. Dies entspricht einem Messfehler von 1,5 % im Mittelwert. 10,15 XR muss größer oder gleich der gültigen Radiuslimitierung sein.
„Das Messen mit einem Messschieber an verschiedenen Messpunkten birgt ein enormes Fehlerpotenzial“, erläutert Lazzeri. „Wir wollen wissen, ob die Ergebnisse brauchbar und zuverlässig sind oder nicht.“ So war die Idee für die Semesterarbeit für das Seminar „Problemanalyse in der Biomechanik“ am Institut für Sportwissenschaften der Universität Innsbruck bei Univ.-Prof. Mag. Dr. Werner Nachbauer geboren. Die Thematik ist brisant, schließlich kann ein vermeintlich zu kleiner Radius eine Disqualifikation durch die FIS nach sich ziehen.
Nachdem Lazzeri sein halbes Leben lang mit Mitutoyo Handmessmitteln gearbeitet hatte, genügte ein Anruf: Mitutoyo Österreich war mit von der Partie und unterstützte das Vorhaben mit Rat und Tat. In der Eisenacher Niederlassung des japanischen Messtechnikherstellers wurden die Skier vermessen. Gemeinsam mit Mitutoyo-Techniker Friedrich Schinko spannte man die Sportgeräte auf ein Mitutoyo Koordinatenmessgerät vom Typ Crysta-Apex S 9168 mit einem taktil scannenden SP25 Messkopf. Zur Fixierung auf der Granitplatte der Crysta hatten die Österreicher eigens eine Halterung für Skibindungen umfunktioniert, wie sie das Servicepersonal zum Schleifen der Stahlkanten verwendet.
Software zur Datenerfassung und -analyse
Nach einer Vorantastung von oben für jeden einzelnen Messpunkt absolvierte die Crysta-Apex S mit einer Verfahrgeschwindigkeit von 520 mm/s und einem Ziffernschrittwert von 0,1 µm die Kantenantastung mit einem zylindrischen Taster von 4 mm Durchmesser. Mit der Koordinatenmessgeräte-Software Mcosmos haben Lazzeri, Brunner und Schinko die Daten erfasst und analysiert. Denn die Software eignet sich sehr gut für diesen Zweck mit dem geometrischen Messprogramm Geopak mit Makros für das automatische Messen aller Regelgeometrien und dem 2D-Auswertemodul Scanpak.
Jeden einzelnen der Antastpunkte stellt die Software grafisch und mit allen relevanten Daten versehen dar. Aus sämtlichen von der Crysta-Apex S gelieferten Einzeldaten ließen sich zuverlässig nicht nur der Gesamtradius des Ski errechnen, sondern darüber hinaus auch noch Vorspannung des Skis, Schaufelradius, Formabweichungen des Gesamtradius sowie Einzelradien aus jeweils mindestens drei Punkten.
Nach zwei Messtagen und einer akribischen Datenauswertung stand das Urteil der beiden Studenten fest. Hinsichtlich der Taillierung gibt es zwischen den unterschiedlichen Rennskiern gravierende Unterschiede. Im Rahmen der Limitationen durch das Reglement versucht offensichtlich jeder Hersteller, durch seine eigene Bauform das Dynamikverhalten seines Skis zu optimieren. Die Methode der FIS per Messschieber zeigte hinsichtlich eines errechneten mittleren Taillierungsradius keine signifikanten Abweichungen von der Messung mit der Mitutoyo Crysta-Apex S und erfüllt damit ihren Zweck. Aussagen über den Taillierungsverlauf lassen sich damit indes nicht treffen. Dafür wäre die Vermessung per Koordinatenmesstechnik unumgänglich. ■

Der Autor

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Thomas Mendle
Sales & Marketing
Mitutoyo Europe

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