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Schnelle Polka für den neuen Blick auf Werkstoffe

Nanostrukturierte Bildsensoren ermöglichen erstmals kostengünstige Polarisationskameras
Schnelle Polka für den neuen Blick auf Werkstoffe

Dem Fraunhofer IIS ist es gelungen, mit einem nanostrukturierten Bildsensor eine Polarisationskamera zu realisieren. Solche Bildsensoren lassen sich mit modernen, Submikron-CMOS-Prozessen im Standard-Prozess-Flow herstellen. Somit entsteht eine Industriekamera ohne mechanisch bewegte Teile und ohne weitere optische Bauelemente. Die Analysemöglichkeiten sind vielfältig und versprechen Einsatzmöglichkeiten in vielen Anwendungsfeldern.

Der Polarisationszustand des Lichts ist für das menschliche Auge nicht sichtbar, beinhaltet aber bei vielen Objekten eine ähnliche Fülle an Information wie die Farbe. Diese Tatsache machen sich viele optische Messverfahren zunutze, bei denen aber in fast allen Fällen zusätzliche Polarisationsfilter vor dem eigentlichen Sensor oder der verwendeten Kamera erforderlich sind.

Will man eine Kamera bauen, die mehrere Polarisationsrichtungen gleichzeitig aufnehmen kann, so muss man das eintreffende Licht entsprechend aufteilen und auf mehrere Kameras mit festen Polfiltern lenken. Eine andere Möglichkeit besteht darin, einen mechanisch rotierenden Polfilter oder eine LCD-Matrix zu verwenden, die elektrisch umschaltbar ist. Alle diese Realisierungsvarianten sind entweder sehr aufwändig oder nicht wirklich echtzeitfähig.
Am Fraunhofer IIS wurden als Alternative die sogenannten Drahtgitterpolarisatoren evaluiert: Diese Hertzschen Gitter bestehen aus parallel angeordneten Drähten und werden seit Langem für Radio- und Mikrowellen eingesetzt, wo die Herstellung von Gittern mit einer Periode im Bereich der Wellenlänge und darunter einfach ist. Die Möglichkeiten moderner Strukturierungstechnologien erlauben inzwischen aber auch die Verwendung dieses Funktionsprinzips bis in den Wellenlängenbereich des sichtbaren Lichtes. Die Idee: Wenn es gelingt, eine solche Strukturierung zu verwenden, um etwa direkt auf einem Bildsensor einen Polarisationsfilter abzuscheiden, dann könnte dadurch ein neuartiger Polarisations-Bildsensor entstehen.
Wenn man darüber hinaus nach dem Vorbild der Bayer-Matrix für Farbsensoren auch noch Polfilter mit unterschiedlicher Orientierung beispielsweise auf den vier Pixeln eines Pixelblocks aufbringt, ist man in der Lage, ortsaufgelöst den Polarisationsvektor für linear polarisiertes Licht vollständig zu bestimmen. Dadurch kann dann in Analogie zum mechanisch gedrehten Polfilter ein Polarisationsbild aufgenommen werden, bei dem der Polfilter elektronisch gedreht werden kann.
Der Vorteil dieses Ansatzes: Schnell bewegte Szenen können mit einem Schuss eingefangen und verarbeitet werden, die Geschwindigkeit ist nur durch den Bildsensor selbst limitiert. Wird ein High-Speed-Sensor verwendet, können zum Beispiel mehr als 1000 Bilder pro Sekunde aufgenommen und Bilder in extremer Zeitlupe wiedergegeben werden. Die Kosten für einen solchen Polarisations-Bildsensor können dann sehr niedrig sein, wenn es gelingt, die Strukturierung der Polfilter in den gleichen Prozess zu integrieren wie die Herstellung der Bildsensoren.
Das Ziel der Arbeiten bestand somit darin, die feinen Gitterstrukturen direkt im Rahmen eines CMOS-Halbleiterprozesses (Complementary Metal Oxide Semiconductor) herzustellen. Moderne CMOS-Prozesse für Bildsensoren bieten kleinste Strukturgrößen in den Metallebenen bis etwa 200 nm. Damit ist die Erzeugung von Subwellenlängenstrukturen im infraroten und sichtbaren Wellenlängenbereich möglich. In jedem CMOS-Prozess sind derartige Metalllagen verfügbar; sie bestehen meist aus Aluminium mit einem leichten Kupferanteil oder ganz aus Kupfer. Sie sind zwar ausschließlich für elektrische Verbindungen auf dem Chip vorgesehen, können aber lateral – unter Einhaltung bestimmter Regeln – auf unterschiedlichste Weise strukturiert werden. Die Definition der Geometrie dieser Strukturen erfolgt dabei im Rahmen des normalen Entwurfsprozesses für integrierte Schaltkreise und erzeugt keine Zusatzkosten bei der späteren Prozessierung.
Die Arbeiten zeigten: Mit den Gitterstrukturen kann die erwünschte polarisationsfilternde Wirkung erreicht werden. Wird ein Array aus Löchern strukturiert, so kann damit eine spektral selektive Wirkung erreicht werden, das heißt man kann damit Farbfilter und im Zusammenspiel mit den Photodioden Farbsensoren realisieren.
Durch die frei wählbare laterale Gestaltung der Metallebene kann also die Filterwirkung in weiten Bereichen angepasst werden. Die dabei möglichen Nanostrukturen reichen von Drahtgitterpolarisatoren über Lochgitter zu komplexeren Formen in einer oder mehreren Ebenen.
Die optische Wirkung der Nanostrukturen wird nach deren Auswahl für verschiedene Parameter der Geometrie simuliert. Hierzu wird am Fraunhofer IIS die sogenannte Finite-Differenzen-Methode im Zeitbereich verwendet, bei der die zeitabhängigen Maxwellgleichungen numerisch gelöst werden.
Wichtiger als die reine Strukturgeometrie sind allerdings die optischen und elektrischen Eigenschaften der Polarisationssensoren. Hierzu wurde die spektrale Empfindlichkeit (in A/W) von Referenzphotodioden und der Photodioden mit unterschiedlich ausgelegten Filterstrukturen gemessen. Durch Quotientenbildung kann daraus die relative spektrale Transmission der Nano-struktur selbst bestimmt werden und mit den theoretischen Betrachtungen und den Simulationsergebnissen verglichen werden.
Die Polarisationsselektivität kann durch den Polarisationskontrast beschrieben werden, das ist das Transmissionsverhältnis von TM- zu TE-polarisiertem Licht. Dieser weist zum Teil Werte von mehr als 100 auf. Dies ist für viele technische Anwendungen mehr als ausreichend.
Das Konzept des integrierten Drahtgitterpolarisators kann nicht nur bei relativ großflächigen Photodioden, sondern auch bei den Pixeln eines CMOS-Bildsensors verwendet werden. Auf diese Weise entsteht ein Polarisationsbildsensor, der ortsaufgelöst den Polarisationszustand des einfallenden Lichtes detektieren kann.
Um das Potenzial des Konzepts zu demonstrieren wurde ein weiterer Testchip mit einer derartigen Anordnung entworfen und gefertigt, wobei die Nanostrukturen wie zuvor direkt im Rahmen des Prozesses entstanden. Für den Testchip wurde eine Auflösung von 560 x 254 Pixel bei einer Pixelgröße von 6 µm gewählt, so dass der Chip noch innerhalb eines Multi-Project-Wafer-Runs beim Halbleiterhersteller UMC gefertigt werden konnte. Sowohl die Pixelgröße als auch die Auflösung sind in Grenzen skalierbar und können an die Anwendung angepasst werden. Die Architektur der Elektronik wurde bereits so ausgelegt, dass eine maximale Auflösung von 4000 x 3000 Pixel relativ einfach zu realisieren wäre.
Die Signalverarbeitung des Bildsensors arbeitet mit korrelierter Doppelabtastung (correlated double sampling, CDS) mit einem differenziellen Datenausgang. Um das Reset-Rauschen zu unterdrücken, wurde eine pinned-pixel-Zelle mit vier Transistoren (4T-Zelle) gewählt. Nach Beleuchtung wird dabei zunächst das Reset-Signal der Floating Diffusion abgetastet. Dann wird die akkumulierte Ladung zum Ausleseknoten transferiert und dieses Signal wird dort abgetastet. Durch Subtraktion der beiden ermittelten Werte kann dann das Reset-Rauschen eliminiert werden. Die Differenz wird anschließend in ein differenzielles Signal umgewandelt und über einen Ausgangspuffer an die restliche Kameraelektronik weitergeleitet. Der Sensor arbeitet mit acht differenziellen Ausgängen mit einem Durchsatz von je 40 MPix/s, pro Ausgang werden 72 Spalteninformationen verarbeitet. Dieses Konzept ermöglicht eine Bildwiederholrate von bis zu 1000 Bildern pro Sekunde, so dass auch sehr schnell ablaufende Vorgänge analysiert werden können. Diese Geschwindigkeit könnte für Teile des Sensors sogar noch gesteigert werden, weil Zeilen und Spalten individuell adressierbar sind. Hier kommt die prinzipbedingt simultane Erfassung der Polarisation voll zum Tragen, was die Kamera deutlich von Systemen unterscheidet, bei denen zum Beispiel rotierende Polarisationsfilter verwendet werden.
Im Rahmen des BMBF-Projekts Nanopolar wurde der Sensor noch weiter untersucht. Insbesondere sollten die Grenzen dieses Ansatzes ausgelotet werden und zum Beispiel die untere Grenze der Pixelgröße untersucht werden. Kleine Pixel sind insbesondere bei Anwendungen mit geringem Platzbedarf von besonderem Interesse. Im Rahmen des Projekts stellte sich schließlich heraus, dass die Pixelgröße nicht zu klein werden darf, weil dann nur noch wenige Gitterperioden auf dem Pixel Platz finden und man dann streng genommen nicht mehr von einem Gitter im klassischen Sinne sprechen kann. Als eine sinnvolle Untergrenze konnte ermittelt werden, dass noch mindestens ca. 10 Gitterperioden auf dem Pixel Platz finden sollten, damit noch ein guter Polarisationseffekt auftritt und auch das Pixel-Übersprechen nicht zu groß wird, das ebenfalls den Polarisationskontrast signifikant verringert.
Mit Hilfe einer speziell entwickelten Kameraplattform kann die Funktionsweise des nanostrukturierten Polarisationsbildsensors schließlich demonstriert werden. Der Polarisationssensor wurde zur Inbetriebnahme und Evaluierung in eine solche Hardwareplattform eingebaut. Diese Plattform enthält Analog-Digitalkonverter, um die analogen Ausgangsignale des Bildsensors zu digitalisieren, sowie ein leistungsfähiges FPGA, das einerseits die Ansteuerung des Bildsensors und andererseits die Verarbeitung der Bilddaten übernimmt.
Ausgehend von der Evaluierungsplattform wurde eine kompakte und leicht zu handhabende Kamera, genannt Polka, entwickelt. Sie besitzt eine GigE Vision Schnittstelle und kann somit problemlos an jeden Rechner angeschlossen werden. Zur Prozessierung und Visualisierung der Bilddaten dient eine spezielle Software mit Bedienoberfläche. Mit dem Gesamtsystem kann polarisiertes Licht ortsaufgelöst anhand eines Livebildes analysiert werden. Dabei hat der Anwender die Wahl zwischen verschiedenen Darstellungen der Polarisationseigenschaften: Neben den Pixelrohdaten können wahlweise auch die Stokesparameter oder der Polarisationsgrad und der Winkel der Polarisation angezeigt werden. Zur Archivierung oder zur weiteren Analyse können die Bilder gespeichert werden. Als Objektivadapter dient ein C-Mount-Gewinde. Zur Befestigung der Kamera sind Gewindebohrungen an der Gehäuseober- und -unterseite vorgesehen.
Mit der Kameraplattform kann – basierend auf nur einer Aufnahme der Polarisationskamera – der Polarisationszustand pixelweise charakterisiert und visualisiert werden. Aufgrund der regelmäßigen, abwechselnden Anordnung der Orientierungen der nanostrukturierten Gitter lässt sich jede Aufnahme der Kamera in vier gleich große Subbilder aufteilen, wobei jedes Subbild nur Pixel einer Orientierung enthält.
Die Polarisationskamera kann in vielen Bereichen der Prüftechnik eingesetzt werden – insbesondere dort, wo es um größere Stückzahlen geht. Denn der Preis der Kamera liegt im Bereich anderer Industriekameras. Weitere Vorteile sind die Robustheit und die Echtzeitfähigkeit der Datenerfassung. Damit lassen sich auch schnelle Vorgänge etwa in Produktionsprozessen überwachen.
Beispielsweise lassen sich mit der Kamera in der Materialprüfung Spannungen in transparenten Werkstücken ermitteln: Wenn mechanische Spannungen in Werkstücken auftreten, erfährt ein dadurch transmittierter Lichtstrahl eine Doppelbrechung, die so genannte Spannungsdoppelbrechung. Diese führt dazu, dass sich die Polarisationsebene ortsabhängig dreht und ein Bild entsteht, das unterschiedliche Polarisationsrichtungen aufweist. Damit lassen sich mechanische Spannungen in durchsichtigen Werkstücken sichtbar machen. In der glasverarbeitenden Industrie lassen sich mit dem Verfahren mechanische Spannungen in Hohl- und Flachglasprodukten sichtbar machen und messen und damit eine Qualitätskontrolle durchführen. Ein anderes Beispiel ist die Inspektion des Faserverlaufs von Karbonfasergeweben für die Leichtbauindustrie.
Fraunhofer IIS, Erlangen www.iis.fraunhofer.de
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