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Firmen sind offen für Remote Audits

DQS-Umfrage
Firmen sind offen für Remote Audits

Die Bereitschaft zu Remote Audits ist groß – bei Unternehmen wie bei Auditoren. Das ist das Ergebnis einer Studie der DQS. Durch die aktuelle Corona-Krise wird sich das Interesse noch weiter erhöhen, glaubt DQS-Experte Frank Graichen. Die Audits aus der Ferne werden das klassische Verfahren aber nicht komplett ersetzen.

„Fernbewertung“ sei ja ein Wortungetüm, sagt Frank Graichen, wenn er nach der Definition von Remote Audits befragt wird. Doch das treffe es ganz gut. Und dann wird er konkreter: „Ein Remote Audit ist das Durchführen von auditierenden Tätigkeiten, ohne vor Ort zu sein, und sich dafür digitaler Medien zu bedienen.“ Das können zum Beispiel Webkonferenzen sein, die den Auditor in die Lage versetzen, sich mit einem Dokumentationssystem zu verbinden oder mit verschiedenen Mitarbeitern in einer Organisation zusammenzuschalten.

Graichen ist Leiter des Auditorenmanagements bei der Deutschen Gesellschaft zur Zertifizierung von Managementsystemen (DQS). Und er gehört zu den Initiatoren einer Studie, für die gut 5000 Kunden und mehr als 500 Auditoren zu Remote Audits befragt wurden.

Eines der Ergebnisse: Beide Gruppen stehen dem Thema sehr offen gegenüber. 58 Prozent der Kunden zeigen eine sehr hohe Bereitschaft, Remote Audits durchzuführen. Bei den Auditoren liegt dieser Wert sogar bei 76 Prozent.

Die Ergebnisse decken sich mit den Beobachtungen, die Graichen gemacht hat. „Wir sehen in den vergangenen zwei bis drei Jahren, dass gerade international aufgestellte Unternehmen ein verstärktes Interesse daran haben, Reisekosten und -zeiten zu reduzieren.“

Dies ist auch der hauptsächliche Nutzen, der mit Remote Audits verbunden wird. Laut DQS-Umfrage sind sich Kunden und Auditoren darin einig, dass der größte Mehrwert dieser Form von Audits darin liegt, die Aufwände für Reisen zu minimieren.

Durch die aktuelle Entwicklung im Zusammenhang mit dem Corona-Virus entstehe eine zusätzliche Dynamik, meint Graichen. „Damit erhöht sich der Druck auf alle Zertifizierungsgesellschaften, sich für dieses Thema zu öffnen.“

Für komplexe Prozesse ungeeignet

Die Umfrage zeigt aber auch: Remote Audits können die klassische Vorgehensweise nicht komplett ersetzen. Sowohl auf Kunden- als auch auf Auditorenseite stufen rund zwei Drittel der Befragten den Wert von Remote Audits nicht gleichwertig mit denen vor Ort ein.

Die meisten der Umfrageteilnehmer halten die Fernbewertung vor allem für komplexe Prozesse, Standortbegehungen und Produktionsabläufe für ungeeignet. Graichen stimmt dem zu. „Wenn man zum Beispiel in einer Produktion beurteilen will, wie die Trennung zwischen fehlerhaften und iO-Teilen ist, dann muss man dafür vor Ort sein.“ Auch Umweltaudits kann er sich nicht als Remote-Variante vorstellen.

Daneben komme es auch darauf an, wie vertraut ein Auditor mit dem jeweiligen Unternehmen ist. „Bei einem Unternehmen ein Audit aus der Ferne durchzuführen, das man vorher nie besucht und dessen Mitarbeiter man noch nicht getroffen hat, halte ich für sehr schwierig“, so Graichen.

Außerdem warnt er vor falschen Vorstellungen bei den Kunden. Zu glauben, dass eine Fernbewertung die Zeit für das Audit verkürze, sei ein Trugschluss. Er vermutet aber, dass viele Unternehmen genau diese Hoffnung hätten.

Doch das Gegenteil sei eher der Fall. Das beginnt laut Graichen schon damit, dass ein Remote Audit mehr Vorbereitung benötigt. „Der Auditor muss zum Beispiel vorab klären, welche Dokumente er einsehen möchte und ob diese elektronisch vorliegen. Generell braucht er einen sehr guten Plan, wie das Audit ablaufen soll.“

Remote Audit kostet mehr Zeit

Auch das Audit selbst kostet mehr Zeit. Aspekte, die in einem 1:1-Gespräch automatisch ablaufen, fehlen im Remote Audit. Dazu zählen Dinge der nonverbalen Kommunikation wie Mimik und Gestik – oder auch der Eindruck, den das Umfeld vermittelt. Solche Aspekte lassen sich selbst bei einer Videokonferenz nicht vollständig abbilden.

„Wir haben Remote Audits in der Praxis getestet und festgestellt, dass diese grundsätzlich langsamer ablaufen, weil der Auditor etwa häufiger nachfragen muss oder auch mal eine Pause braucht, um sich Notizen zu machen.“

Laut Graichen kann der Auditor sogar in Grenzsituationen geraten. Wenn der Kunde etwa der Administrator der Webkonferenz ist, dann übernimmt er quasi auch die Gesprächsführung. Er öffnet die Dokumente, zieht diese über den Bildschirm oder bewegt den Cursor an bestimmte Stellen. Dabei könne der Auditor schon mal die Orientierung verlieren. „Auditoren fallen dann aus einer aktiven, dialogorientierten Rolle heraus. Stattdessen werden sie zu bloßen Konsumenten einer Information“, erklärt Graichen.

Er sieht Remote Audits generell als eine sinnvolle Ergänzung – aber eben nicht als kompletten Ersatz für die klassische Vorgehensweise. Sie seien zum Beispiel für alle Review-Tätigkeiten eine gute Alternative. Auch für das Einsehen von Dokumentationen seien sie geeignet – ebenso wie für die Bewertung von Kennzahlen.

Technik ist vorhanden

Die technischen Voraussetzungen dafür sind in der Regel gegeben. Die meisten Unternehmen nutzen Videochat- oder Videokonferenzsysteme, um Remote Audits zu ermöglichen. Die Themen Datenschutz und -sicherheit spielen dabei eine wichtige Rolle. Die Mehrheit der befragten Kunden (56 Prozent) sieht es als notwendige Voraussetzung, dass das Remote Audit über das eigene Firmennetzwerk stattfindet.

Graichen glaubt, dass sich die Remote-Verfahren als Zusatzwerkzeug für die Auditierung etablieren werden. Die DQS will ihre Auditoren daher auf die künftigen Anforderungen vorbereiten. In den kommenden Monaten sollen diese die neue Methoden trainieren. „Wir werden eine kleine Gruppe von Mitarbeitern als Sparrings-Partner ausbilden. Mit diesen können unsere Auditoren dann Remote Audits unter realen Bedingungen üben.“ ■


Der Autor

Markus Strehlitz

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