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Kamera als Elfmeter-Killer

Vision-System macht Roboter-Torwart unbezwingbar
Kamera als Elfmeter-Killer

Kamera als Elfmeter-Killer
Zwei Farb-Flächenkameras dienen dem Robokeeper als Augen Bild: 4attention
Zahlreiche Fußballstars wie Messi oder Neymar haben bereits versucht, diesen Torhüter beim Strafstoß zu bezwingen – und in der Regel verloren. Dank einem leistungsfähigem Bildverarbeitungssystem ist der Robokeeper der vermutlich schnellste Torwart der Welt.

Ein Pfiff und der Schiedsrichter deutet auf den Elfmeterpunkt – schon in unzähligen Fußballbegegnungen war diese Situation spielentscheidend und nichts für schwache Nerven. Der Robokeeper, eine Entwicklung des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik (IML) in Dortmund, hat keine Nerven und geht dennoch in den meisten Fällen als Sieger vom Platz, wenn Fußballer aller Leistungsniveaus versuchen, das Runde an ihm vorbei ins Eckige zu befördern.

Die selbstgewählten Randbedingungen des 2005 gestarteten Projekts unterscheiden sich etwas von denen eines realen Fußballspiels: Der Schütze tritt aus rund 9 statt aus 11 Metern an und das Tor misst 2,0 x 4,0 Meter. Gehütet wird es von dem Robokeeper, einem technischen System, das für höchste Anforderungen ausgelegt ist.

„Ziel der Entwicklung war es, die Bälle auch dann noch sicher zu halten, wenn sie mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h flach in die rechte oder linke untere Torecke geschossen werden“, erläutert Thomas Albrecht, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Fraunhofer IML und Projektleiter der Robokeeper-Entwicklung. „Das entspricht der maximalen Entfernung für den Torwart, der beim Schuss aufrecht in der Tormitte steht. Die reine Flugzeit des Balles beträgt bei dieser Geschwindigkeit ca. 360 ms beziehungsweise etwas mehr, da der Ball nicht unendlich schnell von 0 auf 100 km/h beschleunigt werden kann. In dieser Zeit muss die voraussichtliche Flugbahn und der Eintreffpunkt des Balls in der Torebene extrapoliert werden und die komplette Bewegung des Torwarts inklusive aller Beschleunigungs- und Abbremsvorgänge des Motors abgeschlossen sein, um einen Treffer zu verhindern.“

Die Genauigkeitsanforderungen liegen dabei laut Albrecht im Bereich einiger Zentimeter, da es nicht entscheidend ist, dass die Torwartfigur den Ball mittig hält: „Der Robokeeper muss den Ball nur so treffen, dass er abgewehrt wird und nicht im Tor landet.“

Schnelle Bildverarbeitung

Um diese Rahmenbedingungen erfüllen zu können, setzten die Entwickler des Fraunhofer IML auf ein schnelles Bildverarbeitungssystem, das dem Robokeeper quasi als Augen dient. Zwei Farb-Flächenkameras vom Typ Prosilica GC655C von Allied Vision mit Gigabit-Ethernet-Schnittstelle und einer Auflösung von 659 x 493 Bildpunkten sind dabei seitlich oberhalb des Tores angebracht, nehmen den Ball, der sich farblich von der Umgebung abheben muss, ins Visier und verfolgen dessen Flugbahn.

Sie liefern jeweils bis zu 90 Bilder pro Sekunde, die im Anschluss von einer vom Fraunhofer IML entwickelten Bildverarbeitungssoftware auf einem Dual-Core-Prozessor-System von Kontron ausgewertet werden. Nach der Auswertung von drei aufeinanderfolgenden Bildern, in denen eine Bewegung des Balls in Richtung Tor erkannt wird, werden die ersten Daten zur Motorsteuerung übermittelt, die für die Bewegung des Robokeepers verantwortlich ist und den Torhüter korrekt positioniert.

Auf Basis dieser Berechnungen und mit Hilfe eines Hochleistungsmotors benötigt der Robokeeper nur rund 300 ms und somit eine kürzere Zeitspanne als selbst ein hart getretener Ball, um die errechnete Abwehrposition zu erreichen. Er beschleunigt dabei etwa 20 Mal schneller als ein Formel-1-Rennwagen – und hat damit das Potenzial, selbst erfahrene Profikicker zur Verzweiflung zu treiben.

Damit der Spielspaß dennoch nicht zu kurz kommt, lässt sich das System auf sieben verschiedene Schwierigkeitsstufen einstellen und passt sich so dem Leistungsniveau der Spieler an. Jeder Teilnehmer hat auf diese Weise eine reelle Chance, den Robokeeper zu bezwingen.

„Die wesentlichen Herausforderungen liegen vor allem darin, dass bei einem Aufbau des Systems im Außenbereich das Sonnenlicht und damit die Beleuchtungsstärke der Szene kurzfristig sowie im Tagesverlauf erheblich variiert“, beschreibt Timm Ulrich, einer der Gründer und Geschäftsführer der Sportmarketingagentur 4attention, einen entscheidenden Faktor. Gelöst wurde dieser Punkt mit Kamerasystemen, die mit einer automatischen Blendensteuerung und einer videosignalgesteuerten Motorblende ausgestattet sind. Die eingesetzten Objektive vom Typ CVO GAT23516AC der Firma Goyo Optical sind mit einer Brennweite von 3,5 mm weitwinklig genug, um eine korrekte Ballerkennung vom Abschuss bis zum Tor zu gewährleisten. Die Kombination aus diesem Objektiv und den Prosilica-Kameras war mitausschlaggebend für den Erfolg des gesamten Systems.

Das für diese Anwendung perfekte Bildverarbeitungs-Setup bestehend aus den beiden Kameras, den zugehörigen motorisierten Objektiven und den Kabeln bezog das Fraunhofer IML von den Bildverarbeitungsexperten von Stemmer Imaging. „Zunächst wurden in diesem System Kameras eines Wettbewerbers mit Firewire-Schnittstelle eingesetzt“, erinnert sich Ulrich. „Diese haben sich im rauen On-the-Road-Betrieb jedoch aufgrund von mechanischen und EMV-Problemen nicht bewährt. Eine Marktrecherche zu Gigabit-Kameras mit Motorblendenansteuerung hat dann zu den Produkten von Stemmer Imaging geführt, die sich im aktuellen Aufbau bestens bewährt haben.“

Weltweit unterwegs

Seit 2007 ist die Kölner Sportmarketingagentur 4attention mit dem Robokeeper kommerziell unterwegs und vermietet die derzeit 36 Maschinen weltweit zum Beispiel für Rahmenprogramme von Sportveranstaltungen. Auch während der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 können Fans ihr Glück auf dem Roten Platz in Moskau versuchen. Verfügbar sind neben dem beschriebenen System auch eine verkleinerte Version mit einer verkürzten Schussdistanz und verringerter Torgröße sowie Varianten für Hockey, Eishockey und Handball.

Die Herausforderungen bei diesen Systemen unterschieden sich dabei vom Robokeeper, erklärt Ulrich: „Beim Handball sind die Wurfentfernung und die Ballgeschwindigkeit geringer und der Ball etwas kleiner, doch insgesamt sind die Bedingungen mit denen des Fußball-Systems vergleichbar. Bei der Hockey-Variante sind die Anforderungen etwas härter, da der Ball deutlich kleiner ist. Als deutlich schwieriger für das Bildverarbeitungssystem hat sich jedoch die Eishockey-Variante erwiesen, da der Puck kleiner und schneller als ein Fuß- oder Handball ist und zudem keine Kugelform hat. Während des Fluges hat ein Puck außerdem in der Regel keine stabile Fluglage, sondern rotiert in der Luft. Aus Sicht der Kameras variiert das Zielobjekt somit ständig und weist unterschiedliche Größen auf.“

Erfolgreich gelöst haben die Entwickler des Fraunhofer IML diese erhöhten Anforderungen für das Eishockey-System mit höher auflösenden Kameras mit größerer Bildrate, die ebenfalls von Stemmer Imaging geliefert wurden. Statt der Prosilica GC655C werden hier zwei Gigabit-Ethernet-Kameras des Typs GC780C eingesetzt, die eine etwas höhere Auflösung von 782 x 582 Pixel zur Verfügung stellen und mit dem gleichen Objektiv arbeiten. Gäbe es eine Weltmeisterschaft im Penaltyschießen, so wäre das Robokeeper-System sicher die härteste Herausforderung für die Sportler in den genannten Sportarten. ■


Der Autor

Peter Stiefenhöfer

Inhaber

PS Marcom Services

im Auftrag von

Stemmer Imaging

www.stemmer-imaging.com

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