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Last oder Chance?

Herausforderungen der Medical Device Regulation für das Qualitätsmanagement
Last oder Chance?

Last oder Chance?
Die MDR erfordert von Medizinprodukteherstellern einen deutlich höheren Verwaltungsaufwand Bild: Rawf8/Fotolia
Die neue EU-Medizinprodukte-Verordnung (Medical Device Regulation, kurz MDR) bereitet den Medizinprodukteherstellern weiterhin große Kopfzerbrechen. Viele Fragen klären sich nach und nach – doch nicht immer zum Vorteil der Hersteller. Vor allem die Qualitätssicherung steht vor großen Herausforderungen.

„Eingeführt mit dem Ziel, die Patientensicherheit zu erhöhen, zeigt die MDR in ihrer jetzigen Form gravierende negative Effekte“, sagt Professor Theodor Doll, Leiter des Fraunhofer-Leistungszentrums Translationale Medizintechnik. „Die Folgen sind aufkommende Unsicherheit der Patientenversorgung mit bestehenden Produkten, da diese teilweise aufgrund erneuter klinischer Bewertungen wieder vom Markt genommen werden, und die bereits eingetretene Innovationshemmung aufgrund zu hoher Eintrittshürden in der EU.“

Nach Ansicht des Branchenverbands BVMed ist die Übergangsfrist bis zum 26. Mai 2020 angesichts der umfangreichen neuen Anforderungen an die Benannten Stellen, an die klinische Bewertung von Medizinprodukten, durch neue Pläne- und Berichtspflichten und das neue EUDAMED- /UDI-Datenbanksystem allerdings zu knapp bemessen. Der neue EU-Rechtsrahmen werde nämlich nicht, wie anfänglich von der Kommission in Aussicht gestellt, zur Vereinfachung des Inverkehrbringens von Medizinprodukten im EU-Binnenmarkt führen, sondern diesen Prozess eher verkomplizieren, so der Verband. Die MDR enthalte beispielsweise – verglichen mit der bisherigen Richtlinie (MDD) – über 100 Artikel mehr. Die Zahl der Anhänge steigt von 12 auf nunmehr 16. Die MDR wird außerdem durch 32 neue durchführende und weitere 11 delegierte Rechtsakte ergänzt, deren Erarbeitung noch bevorsteht.

Eine gemeinsame Marktbefragung von Deloitte, dem Beratungshaus MDR Competence und dem Fraunhofer-Leistungszentrum vom Herbst 2018 zeichnet ein – für viele erschreckendes – Bild zur Stimmung und Einschätzung absehbarer Konsequenzen der MDR. Demnach fühlten sich im Herbst nur 15 % der befragten Hersteller ausreichend über die Umsetzung der MDR informiert. 40 % der Firmen kündigen bereits auf dem Markt befindliche Medizinprodukte auf. 50 % sind der Meinung, dass sie Produkte oder Produktlinien aufgrund der erhöhten Anforderungen einstellen müssen. Über 40 % erwarten eine signifikante Preissteigerung ihrer Produkte durch die MDR. 70% der Firmen sind verunsichert, ob die sie bislang betreuenden Benannten Stellen sie auch fristenwahrend weiter betreuen werden.

Und 65 % der Firmen sind gezwungen, Entwicklungsressourcen in die Regulatorik zu verlagern – auf Kosten der Innovationstätigkeit. Doch nicht nur die Mitarbeiter im Bereich Regualtory Affairs sehen sich gewaltig unter Druck, wie eine Studie von KPMG und der Regulatory Affairs Professionals Society (Raps), vom Oktober zeigt. Demnach stehen auch Qualitätsmanagementverantwortliche bei Medizinprodukteherstellern vor großen Herausforderungen.Doch was ist neu? Die DGQ macht darauf aufmerksam, dass zukünftig eine Expertengruppe in den Zertifizierungsprozess involviert werden soll, wenn Mängel bei Hochrisiko-Medizinprodukten vorliegen. Außerdem müssen im Rahmen der „Post-Market-Surveillance“ klinische Daten auch nach der Markteinführung gesammelt, dokumentiert und ausgewertet werden. Jedes Medizinprodukt erhält künftig eine Produktidentifizierungsnummer (UDI). Hinzu kommt laut DGQ, dass eine einheitliche Informationssammlung über umlaufende Medizinprodukte die neue Datenbank Eudamed garantieren soll.

Auch seien die Wirtschaftsakteure stärker in der Pflicht. So haben beispielsweise die Behörden bisher wenig Erfahrung mit der neu geregelten Marktüberwachung. Sie müssen nun stichprobenartig Kontrollen von Produkten und Unterlagen durchführen und die betroffenen Wirtschaftsakteure in die Pflicht nehmen. Die Behörden sind dann dafür zuständig, die Beseitigung der Mängel konsequent zu kontrollieren. Darüber hinaus müssen sie alle beteiligten Stellen informieren und auch Einwendeverfahren verwalten.

„Bis auf den höheren Verwaltungsaufwand ändert sich aber nicht viel, da das geltende Recht bereits viele Punkte abdeckt“, stellt die DGQ klar. „Die Wirtschaftsakteure werden jedoch stärker in die Pflicht genommen, was wiederum neue Ansatzpunkte zur Marktüberwachung durch Behörden ermöglicht.“

Auch die Rolle der „verantwortlichen Person“ gewinnt an Bedeutung in der MDR. „Kleinere Tücken betreffen beispielsweise die Zukunft des Sicherheitsbeauftragten. Denn die MDR sieht eine ‚verantwortliche Person‘ zur Einhaltung der Regulierungsvorschriften vor“, so die DGQ. Der Verantwortungsbereich der verantwortlichen Person sei umfassender als der des Sicherheitsbeauftragten. Außerdem sei deren die Qualifikation spezifischer definiert: „Während der Sicherheitsbeauftragte eher über Sachkenntnis verfügen muss, zeichnet die verantwortliche Person eine Fachkenntnis aus.“

Die Rolle der verantwortlichen Person sei auch deutlich hervorgehobener als die des Sicherheitsbeauftragten, da sie mehr Entscheidungsbefugnisse hat. Je nach Unternehmensgröße dürfen Unternehmen die verantwortliche Person extern benennen. Unklar ist auch für die DGQ, „was das für den bisherigen Sicherheitsbeauftragten bedeutet: Löst die verantwortliche Person den Sicherheitsbeauftragten in Zukunft ab?“

Insgesamt aber sieht die DGQ die MDR als Chance, die Sicherheit der Medizinprodukte zu erhöhen: „Der Grundgedanke der MDR, die Patientensicherheit zu erhöhen und ein europäisches System auf den Weg zu bringen, ist auf jeden Fall positiv. Denn eine Vereinheitlichung und der Versuch, Mängel besser identifizieren zu können, kann unangenehmen Skandalen vorbeugen.“ ■


Die Autorin

Sabine Koll

Redaktion

Quality Engineering


Die Qualitätssicherung findet die MDR besonders herausfordernd

Die MDR stellt nach einer weltweiten Studie von KPMG und der Regulatory Affairs Professionals Society viele Unternehmensbereiche bei Medizinprodukteherstellern vor große Herausforderungen. Die Qualitätssicherung gehört auf alle Fälle dazu.

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