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Trends der Qualitätssicherung

Umfrage zur Qualitätssicherung von morgen
Messtechnik wird in der digitalen Fabrik zunehmend intelligent

Die Rolle der Messtechnik wandelt sich in der digitalen Fabrik. Die Lösungen müssen wandelbar, intelligent und bis hin zur Individualfertigung flexibel einsetzbar sein. Außerdem sollten sie hochgradig automatisierbar und von Produktionsexperten bedienbar sein. Dies ist das Ergebnis unser Umfrage unter Branchenexperten.

„Das Ziel der digitalen Fabrik ist die Vernetzung von Maschinen, Menschen, Werkzeugen und Ressourcen. Daher liegen die Schlüsselanforderungen an die Qualitätssicherung klar auf der Hand: Das ist zum Ersten die Vernetzung zwischen Messtechnik, Maschinen und IT Systemen und zum Zweiten die Automatisierung von Messprozessen, um entsprechend Daten zur Verfügung stellen zu können“, sagt Christian Janko, Geschäftsführer von Bruker Alicona. „Wenn die Messtechnik nur eine dieser zwei Kernforderungen nicht erfüllen kann, ist sie für die digitale Fabrik nicht geeignet. Für Messtechnik-anbieter wird es demnach nicht länger ausreichen, Messgeräte zu entwickeln, die einfach nur genau messen können.“

„Die Rolle der Messtechnik wird sich nicht ändern in der digitalen Fabrik. Die Messtechnik selber jedoch wird anders sein – zielgerichtet, flexibel, vernetzt und vor allen Dingen auch mit der direkten Rolle für die Korrektur der Parameter, um die Fertigung in kleineren Toleranzen zu halten“, zeigt sich Dr. Wolfram Kleuver, Geschäftsführer von Dr. Heinrich Schneider Messtechnik, überzeugt. Prof. Dr. Heiko Wenzel-Schinzer, Chief Digital Officer bei Wenzel, widerspricht dem: „Qualitätssicherung und Messtechnik werden in der digitalen Fabrik wahrscheinlich noch wichtiger werden als zuvor. „Die Reduktion der Losgrößen, die Individualisierung von Produkten und die Verwendung innovativer Fertigungsverfahren wie die additive Fertigung stellen neue Herausforderungen an die Messtechnik, da das Prüfen von Stichproben oftmals nicht mehr reicht. Die Messtechnik ist zudem hervorragend geeignet, um neben der Produktprüfung und -einhaltung von Toleranzgrenzen auch die Prozessstabilität zu sichern.“

Diese neue Rolle der Mess- und Prüftechnik für die Produktionsprozesse in der digitalen Fabrik sehen auch noch andere Experten: „Zeitersparnis und Wirtschaftlichkeit sind immer häufiger grundlegende Anforderungen an die Qualitätssicherung“, betont Wolfgang Zeller, Geschäftsführer von Mitutoyo Deutschland. „Momentan beobachten wir eine hohe Nachfrage nach Messsystemen die einen hohen Durchsatz an Werkstücken realisieren können. Die Tendenz geht in der Großproduktion klar zu 100-prozentiger Qualitätssicherung. Die produktionsnahe oder Inline Messtechnik muss eine lückenlose Prüfung im Takt der Fertigung garantieren, es muss also mindestens so schnell gemessen werden, dass der Produktionsfluss nicht verzögert wird.“

„Wir sind überzeugt, das der Bedeutung von Technologie zur Prozess- und Qualitätssicherung in einer digitalen Fabrik ein Schlüsselrolle zukommt“, betont auch Dr. Jochen Peter, Mitglied des Vorstands der Zeiss Gruppe und Leiter der Sparte Industrial Quality & Research. „Es kann keine digitalen Prozess- und Qualitätslösungen ohne integrierte Sensorik geben. Die kontinuierliche Erfassung von Prozess- und Qualitätsdaten ist sozusagen die Kerninformation, um die Realität mit der virtuellen Welt und Planungsannahmen zu verbinden. Nur so entsteht die Möglichkeit einer Soll-Ist Optimierung.“

Messtechnik ermöglicht
den digitalten Zwilling eines Bauteils

Die Zukunft gehört laut Peter automatisch lernenden Systemen: „Diese Systeme müssen mit realen Daten trainiert und so weiterentwickelt werden. In einer weiteren Ausbaustufe werden selbstoptimierende System entstehen. Aber auch auf dieser Ausbaustufe kann die Dokumentation der finalen Qualität nur über moderne Qualitätstechnik erstellt werden. Digitale Zwillinge von Bauteilen sind überhaupt nur mit Qualitätssicherungstechnik zu optimieren.“

Als ein elementares Technologieelement für die Qualitätssicherung in der Fabrik der Zukunft sieht der Zeiss-Manager die konsequente Digitalisierung durch adaptierte Sensorik: „Die Erfassung von Bauteilmerkmalen wird zukünftig nur durch die optimale Integration von Multisensorik möglich sein. Die Erfassung von Umfeldparametern zur Ergänzung von Messergebnissen wird dabei eine unabdingbare Erweiterung der Messtechnik. Die Erfassung von Prozessparametern wird die Basis von Datenkorrelation und die automatische Beherrschung von Prozessen und Prognosen.“

Sensorik beziehungsweise automatisierte und künftig sogar autonome Sensorverbünde sieht auch Michael Sackewitz, Koordinator der Fraunhofer-Allianz Vision, als Schlüsselelement: „Die Zukunft der industriellen Qualitätssicherung werden intelligente Bildverarbeitungssysteme und optische Mess- und Prüftechnik mitbestimmen, die weit komplexere Aufgaben erfüllen, als das automatisierte Erfassen ausgewählter Inspektionsdaten an isolierten Überwachungspunkten. Als unverzichtbare Komponenten des Qualitätsmanagements werden solche Systeme künftig, gewissermaßen als die Sinnesorgane einer durchgängig vernetzten Produktion, nahezu in Echtzeit massenhaft Material-, Produkt- und Prozessdaten zur Verfügung stellen und auswerten.“

Die Leistungsfähigkeit und der Spektralbereich der eingesetzten Sensoren werden nach Einschätzung von Sackewitz immer größer und die Kombination unterschiedlicher Sensortypen vielfältiger. Unverkennbar sei auch das Heranrücken der Messtechnik weiter an den Herstellungsprozess: „Die Sensoren sind künftig näher an der Messgröße. Ist ja klar: Qualitätsabweichungen lassen sich nur so schritthaltend mit der Produktion bereits bei ihrer Entstehung erkennen und möglichst frühzeitig korrigieren. Für viele Anwendungen wird daher versucht, bereits nahe am Sensor eine objektive Bewertung der Qualität und des Informationsgehalts der Daten durchzuführen und dieses Ergebnis umgehend zu verwerten.“ Vor diesem Hintergrund gewinnen nach Meinung des Fraunhofer-Managers unter anderem kleine, integrierte Bildverarbeitungssysteme an Bedeutung, die direkt aus Maschinen oder Geräten heraus intelligent mitarbeiten, Embedded Vision also. „Anders ausgedrückt, sind das flexible All-in-one-Lösungen, die mit kognitiver Sensorik, moderner Algorithmik, integriertem Rechner und Betriebssystem ausgestattet sind – und das alles innerhalb eines Gehäuses.“

Neben Sackewitz betonen auch andere Experten die Bedeutung von optischen Sensoren und Computertomographie (CT): „Die Technik wird schneller und sie wird vor allen Dingen berührungslos sein. Wir geben den optischen Verfahren neben der bisherigen Bildverarbeitung den Vorzug“, sagt Schneider-Messtechnik-Geschäftsführer Kleuver. „Durch berührungslose 3D-Scan-Geräte, mit denen Teile oder Geräte direkt im Fertigungsbereich effizient gescannt werden können, kann der Herstellungsprozess verbessert und gleichzeitig die Produktionskosten und die Vorlaufzeit minimiert werden“, so Daniel Brown, Director Product Management bei Creaform. „Nur sehr viele Messpunkte beschreiben die modernen Werkstücke ausreichend komplett. Optische Sensortechnik und Röntgentomografie (CT) sind hierbei in vielen Fällen gegenüber den herkömmlichen Tastern im Vorteil“, sagt Dr. Ralf Christoph, Inhaber und Geschäftsführer von Werth Messtechnik. „Die Computertomografie erlaubt zudem das vollständige Messen nahezu beliebig komplexer Geometrien in kurzer Zeit.“

Unter den Experten besteht Einigkeit darin, dass mit zunehmender Sensorik immer mehr Daten in der digitalen Fabrik entstehen, die ausgewertet und korreliert werden müssen. Dies wirft neue Herausforderungen auf. „Ging es in der Vergangenheit vor allem darum, die relevanten Schmerzpunkte eines Bauteils für die Weiterverarbeitung zu identifizieren, können nunmehr zunächst gigantische Datenmengen erhoben und dann beliebig verarbeitet werden“, erklärt Wenzel-Schinzer. „Die Kunst ist es bald nicht mehr, Punkte zu finden und zu messen, sondern aus den gemessenen, riesigen Datenmengen die richtigen, relevanten Parameter zu finden und vor allem zu interpretieren.“

Diese Einschätzung teilt Eike Frühbrodt, Vice President Produkt- und Projektmanagement bei Yxlon International: „Die fortschreitende Digitalisierung der Produktion bedeutet, dass Informationen aus der Mess- und Prüftechnik zu Produkten und Herstellungsprozessen schnell zur Verfügung stehen und in Echtzeit ausgewertet werden können. Die Produktions- und Qualitätssicherungssysteme kommunizieren miteinander. Big Data und Machine Learning erlauben es, Unmengen an Daten auszuwerten und Rückschlüsse für die Produktion daraus zu ziehen. Qualitätssicherungssysteme werden zum Sensor der Produktion, sie sind der Input in den Regelkreisen und ergänzen oder ersetzen den Menschen.“

Steigende Bedeutung von maschinellem Lernen
und künstlicher Intelligenz

Maschinelles Lernen (ML) beziehungsweise künstliche Intelligenz werden in der Branche derzeit heißt gehandelt: „Wir sehen diese Technologien als ‚Findemaschine’ für den Messtechniker. Identifiziert und selektiert die Technik Ausreißer und mögliche Probleme, kann sich der Messtechniker auf die Analyse, Interpretation und Rückkopplung konzentrieren“, so Wenzel-Schinzer.

„Mit klassischen Algorithmen der Bildverarbeitung oder mit ML werden Abweichungen vom Standard ermittelt oder auch Änderungen in der Beschaffenheit des Teils über einen längeren Zeitraum erkannt. Kombiniert man diese Informationen mit anderen Sensordaten aus der Produktion, wie etwa Informationen zu Temperatur oder Druck, lassen sich Produktionsprozesse unverzüglich korrigieren“, so die Meinung von Yxlon Vice President Frühbrodt. Auch Zeiss-Manager Peter sieht ML als essentiellen Bestandteil für die Qualitätssicherung in der digitalen Fabrik: „Mit realen- und Planungsdaten trainierte Machine Learning Systeme werden den Verwendungsentscheid von der humanen Entscheidungsinstanz zu einer hochautomatisierten, selbstlernenden automatischen Instanz transferieren. Erste vielversprechende Praxisbeispiele finden sich heute schon bei der Defekterkennung an Bauteilen.“

Fraunhofer-Manager Sackewitz sieht durch maschinelles Lernen sogar einen „massiven Umbruch“. Sie leite eine neue Ära der Qualitätssicherung ein. „ML-gestützte Systeme werden unter anderem wesentlich leichter zu bedienen sein. Das System wird dem Anwender viele Arbeitsschritte abnehmen und beispielsweise bei den richtigen Einstellungen unterstützten und sich auch selbstständig an veränderte Bedingungen ohne Interaktion des Anwenders anpassen.“

Intelligente Prüfassistenten entlasten
den menschlichen Bediener

Künftige QS-Systeme hätten damit die Fähigkeit zur Selbstkonfiguration bereits implementiert und würden autonom und selbstlernend arbeiten, ohne dass jede Anwendungsvariante fallspezifisch vorgegeben werden muss. Sackewitz: „Gerade für hochvariante Aufgaben und bei schwierigen Entscheidungslagen werden intelligente Prüfassistenten den menschlichen Bediener so von der Komplexität moderner Produktionssysteme entlasten.“

Zeiss-Manager Peter wirft auch die Frage auf, wer in den Anwenderunternehmen die komplexe Technik beherrschen kann: „Die Anforderungen an die Personen und Infrastrukturen steigen. Die Komplexität, um Systeme zu entwerfen, zu etablieren und zu nutzen wird deutlich höher. Die Beherrschung von digitalen System wird damit zur Schlüsselkompetenz im Fertigungswettbewerb.“ Kleuver, Heinrich Schneider Messtechnik, ist davon überzeugt, dass das Know-how immer stärker bei den Herstellern liegen wird: „Messtechnisch geschultes Personal wird einen immer geringeren Stellenwert haben. Vordefinierte Messpunkte aus den CAD-Daten werden automatisch geladen und die Messpunkte werden gegen die theoretischen Werte der Merkmale verglichen. Die Korrekturen für die Fertigung werden sofort abgeleitet. Das nächste Teil kommt schon korrigiert aus dem Fertigungsprozess raus.“

Dies sieht auch Wenzel-Schinzer: „Die Messtechnik wird in der Anwendung einfacher. Die Anwender in der Fertigung sind keine Experten der Messtechnik. Daher wird immer mehr Wert auf einfache Bedienbarkeit und Verständlichkeit der Ergebnisse gelegt. Für die Nutzer in der Fertigung sind neue Oberflächen- und Bedienkonzepte gefordert.“ ■


Die Autorin

Sabine Koll

Redaktion

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