Bei der Additiven Fertigung sind hochqualitative, passende Materialien kein Garant für gute Produkte, wenn zum Beispiel die Prozessparameter nicht stimmen. Gleichzeitig aber können schlechte Materialien durch eine gekonnte Auswahl der Prozessparameter sehr gut verarbeitet werden. Entlang der entsprechend einzuhaltenden Prozessschritte gibt es zahlreiche Faktoren, die einen direkten Einfluss auf die Qualität und Reproduzierbarkeit der gefertigten Bauteile haben:
- Daten & Datenhaltung (fertigungsgerechte, verfahren- und materialspezifische Gestaltung und Aufbereitung der 3D-Daten)
- Equipment (Verschleißteile oder Kalibrierung)
- Material (Fließfähigkeit, Degradationsgrad)
- Produktion & Batch (Prozess- oder Prozesssteuerungsparameter)
- Post-Processing (Produktentnahme, Säuberung und Nachbearbeitung)
Welche Faktoren beeinflussen die Qualität additiv gefertigter Bauteile am stärksten? Eine eindeutige Bewertung dieser Faktoren ist nur dann sinnvoll, wenn sie verfahrens-, prozess- und produktklassenspezifisch erfolgt. Dieser Bewertungsprozess kann in folgenden Schritten realisiert werden:
- Identifikation, Risikobewertung und Auswahl wirtschaftlich relevanter qualitätsbeeinflussender Faktoren
- Identifikation und Erfassung geeigneter Messgrößen inklusive messdatenbasierter Kennwertebildung
- statistische Versuchsplanung und -auswertung zur Bestimmung der Korrelation der qualitätsbeeinflussenden Parameter zu den Bauteileigenschaften
Einer der vier Grundsätze der Qualität nach Philip Bayard Crosby definiert die Qualität als Erfüllung von Anforderungen. Allgemein können wir die Anforderungen an die AF-Prozesse beziehungsweise -Produkte über die Genauigkeit, die Oberflächenqualität sowie mechanische und thermische Eigenschaften, Reproduzierbarkeit und verwertbare Prozessstabilität definieren. Apostrophieren wir die Qualität additiv gefertigter Bauteile, dann beziehen wir uns auf zugesicherte, wiederholbare Eigenschaften und Toleranzen, die nur dann erreicht werden können, wenn ein Gleichgewichtzustand der Qualitätseinflussfaktoren eintritt. Ändert sich einer dieser Faktoren, stellt sich die Frage: Wie müssen alle anderen Qualitätseinflussfaktoren angepasst werden, um das „Gleichgewicht“ wiederherzustellen? Mit dem genannten Bewertungsprozess verfügen wir am Ende über dedizierte Kennwerte zur Bewertung der qualitätsbeeinflussenden Faktoren. Die zugehörigen kritischen Kennwerte beziehungsweise Qualitätsdaten werden von einer spezifischen Sensordatenerfassungsplattform geliefert. Der wichtigste Schritt für die Wiederherstellung des „Gleichgewichts“ ist aber die intelligente Qualitätsdatenfusion und Auswertung der akquirierten Qualitätsdaten. Hierfür können Verfahren des Maschinellen Lernens (ML) in Betracht gezogen werden, um automatisch komplexe Zusammenhänge zu erkennen und ein kombiniertes, aussagekräftiges Ergebnis für einen regelnden Eingriff in die Prozess- und Maschinensteuerung zu erzielen. ■
Die Referentin
Dr. Simina Fulga-Beising
Senior Scientist,
Abteilung Bild- und Signalverarbeitung, Fraunhofer IPA
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