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Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung
Ohne Managementsystem wird es schwierig

Ab dem Geschäftsjahr 2024 sind viele Mittelständler in der EU zu einem Nachhaltigkeitsbericht verpflichtet. Doch dafür braucht es eine strategische Basis – mit einem entsprechenden Managementsystem. Doch was bietet sich an?

» Sabine Koll

Für Christoph Stürmer, Partner bei der Unternehmensberatung Vindelici Advisors, ist es das Ende von „Pi mal grüner Daumen“: Er spricht von der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), welche die EU auf den Weg gebracht hat. Sie verpflichtet sehr viel mehr Unternehmen als bislang zur standardisierten Nachhaltigkeitsberichterstattung. Das Europäische Parlament spricht zwar von großen Unternehmen, doch tatsächlich sind auch Mittelständler im Scope der Richtlinie. Betroffen sind nämlich Unternehmen, die im Regelfall an zwei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen zwei der drei folgenden Kriterien überschreiten:

  • 20 Mio. Euro Bilanzsumme
  • 40 Mio. Euro Umsatzerlöse
  • im Jahresdurchschnitt 250 Arbeitnehmer.

Die Berichtspflichten starten dabei mit dem Geschäftsjahr 2024. Im Nachhaltigkeitsbericht müssen Unternehmen laut der CSRD künftig auf der Grundlage gemeinsamer Standards über ihre Auswirkungen auf die Umwelt, die Menschenrechte, die Sozialstandards und die Arbeitsethik berichten. Anders als bisher wird das einzig zulässige Berichtsformat der Lagebericht sein, in dem auch die Ertragslage oder die Finanzlage zum abgelaufenen Geschäftsjahr dargestellt wird. Hier wird der Nachhaltigkeitsbericht einen eigenen Abschnitt bilden. Diese Informationen müssen zudem von unabhängigen Stellen geprüft und zudem zertifiziert werden. Aktuell (Stand Ende August) liegt der endgültige Richtlinientext noch nicht vor, sowohl das Europäische Parlament als auch der Rat müssen den Text noch förmlich verabschieden. Doch wird dies noch in diesem Jahr der Fall sein.

15.000 Unternehmen in Deutschland sind betroffen

Dadurch wird sich die Zahl der Unternehmen, die Nachhaltigkeitsberichte veröffentlichen, schlagartig erhöhen: Sind es bislang laut Umweltbundesamt gerade einmal 500 Unternehmen in Deutschland, dürften es künftig rund 15.000 und europaweit knapp 50.000 sein.

Was Vindelici Advisors als „Pi mal grüner Daumen“ umschreibt, konkretisiert Pascal Durand, der die CSRD-Verhandlungen für das Europäische Parlament führte, so: „Heute sind die Informationen über die Auswirkungen eines Unternehmens auf die Umwelt, die Menschenrechte und die Arbeitsethik lückenhaft, unzuverlässig und leicht zu missbrauchen. Einige Unternehmen berichten nicht, andere berichten über das, was sie wollen.“ Um Glaubwürdigkeit und Vergleichbarkeit herzustellen, sind einheitliche Standards vorgesehen. Diese werden derzeit von der „European Financial Reporting Advisory Group” (EFRAG) vorbereitet; die Entwürfe der EFRAG konnten bis Anfang August öffentlich kommentiert werden. Ziel ist es, den finalen Vorschlag bis November an die Kommission zu übermitteln.

„In der betrieblichen Praxis wird die CSR-Richtlinie mit ihren vielen bis aufs Kleinste ausformulierten Vorgaben die meisten mittelständischen Betriebe überfordern“, schimpft Sarah Brückner, Abteilungsleiterin Umwelt und Nachhaltigkeit beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) in einem Kommentar im Online-Magazin Table Europe. Selbst für Unternehmen mit langjähriger Erfahrung in der Anwendung internationaler ESG-Berichtsstandards werde die Umsetzung mit großen Herausforderungen einhergehen. „Erschwerend kommt hinzu, dass diese Daten für die gesamte Wertschöpfungskette erhoben werden sollen“, so Brückner weiter. „Die Lieferkette umfasst bei vielen Unternehmen Tausende von Lieferanten. Für die große Zahl mittelständischer Unternehmen, die erstmals unter die CSR-Berichtspflicht fallen, werden die Anforderungen in dieser Form nicht umsetzbar sein. Weder haben sie die Expertise, noch werden sie am Markt die Experten dafür finden.“ Der VDMA fordert daher, „die CSR-Berichtsanforderungen zu entschlacken.“

Vindelici-Partner Stürmer sieht das Thema differenzierter: So seien heute ohnehin schon viele Betriebe in Sachen Nachhaltigkeitsreporting gefordert: „Kleinere Unternehmen, die etwa für die Automobilindustrie oder die Medizintechnik arbeiten, sind schon jetzt unmittelbar betroffen. Sie erhalten von großen OEMs und Tier-1-Unternehmen umfangreiche Fragenkataloge zum Thema Nachhaltigkeit. Wir befürchten, dass Unternehmen, die nicht in der Lage sind, diese Fragen ausreichend zu beantworten, künftig nicht mehr an Ausschreibungen kommen. Dies ist kein böser Wille, sondern nicht zu umgehen, weil die großen Unternehmen diese Informationen brauchen, da sie über ihre eigenen Lieferketten Rechenschaft ablegen müssen.“

Nachhaltigkeit ist mehr als CO2-Reduzierung

Dennoch bestätigt der Berater: „Die CSRD stellt alle direkt und indirekt betroffenen Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen. Viele Unternehmen sehen die CSRD-Anforderungen als eine Art Fortsetzung der technischen Anforderungen zur CO2– und Schadstoffreduzierung. Wir glauben aber, dass die neuen Regelungen zur integrierten Nachhaltigkeits-Berichterstattung eine ganz andere Qualität haben. Die Berichterstattungspflichten sind tiefgreifend und erfordern eine gründliche nachhaltigkeitsstrategische Ausrichtung sowie die Schaffung klarer Reporting- und Governance-Strukturen.“

Chance für Mittelständler, sich besser aufzustellen

Nach Meinung von Stürmer birgt die CSRD allerdings auch die Möglichkeit zur Verbesserung: „Nachhaltigkeitsberichterstattung, wie sie jetzt gefordert wird, ist auch ein strategisches Thema. Hier geht es um die Ausrichtung der Unternehmen und eine große Chance für mittelständische Unternehmen, sich langfristig besser aufzustellen.“ Vindelici Advisors empfiehlt betroffenen Unternehmen, „vollständig integrierte Strukturen aufzubauen“. Separate und konkurrierende Verantwortungen – zum Beispiel Umwelt-, Qualitäts-, Personal- oder Rechtsabteilung – seien nicht effizient.

Doch wie lassen sich diese integrierten Strukturen erzielen? Experten raten auch in diesem Fall dazu, die einschlägigen Managementsysteme nach ISO im Unternehmen aufzubauen – falls nicht schon geschehen. „Was Nachhaltigkeit ist, ist allerdings nirgendwo definiert“, betont Professor Jan Uwe Lieback, Geschäftsführer der GUT Certifizierungsgesellschaft für Managementsysteme (Gutcert). Er sieht als Basis für ein strategisches Nachhaltigkeitsmanagement – und somit letztlich auch für einen Nachhaltigkeitsbericht – die Norm ISO 14001 Umweltmanagement, nach der sich Unternehmen zertifizieren lassen können.

Darüber hinaus geht EMAS (Eco-Management and Audit Scheme), dessen integraler Bestandteil die Anforderungen der ISO 14001 sind. Darüber hinaus setzt das Umweltmanagement-Gütesiegel der EU, das ebenfalls zertifizierbar ist, zusätzliche Schwerpunkte zur Unterstützung von Organisationen, die ihre Umweltleistung kontinuierlich verbessern wollen. „EMAS gilt durch seine Veröffentlichungspflicht weltweit als eines der anspruchsvollsten Systeme für nachhaltiges Umweltmanagement“, sagt Lieback. EMAS-Teilnehmer verbessern kontinuierlich ihre Umweltleistung mithilfe eines standardisierten Managementsystems, das mindestens dem der jeweils aktuellen Fassung der internationalen Norm ISO 14001 entspricht und berichten darüber in einer öffentlichen Umwelterklärung nach festgelegten Standards.“

Und schließlich gibt es die ISO 26000 – Guidance on Social Responsibility für das Nachhaltigkeitsmanagement. Doch ist sie nicht zertifizierbar; sie dient Unternehmen und Organisationen vielmehr als freiwilliger Leitfaden, um gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen und diese schließlich im internationalen Umfeld vergleichbar machen.

Ein integriertes System
als solide Basis

Der große Vorteil der ISO 14001:2015 in Bezug auf integrierter Strukturen ist, dass sie auf Grundlage der sogenannten High Level Structure aufgebaut ist. „Mit der einheitlichen Struktur und dort in Kapitel 2 einheitlich definierten normübergreifenden Begriffen, schafft die High Level Structure eine solide Basis für die Integration verschiedener Managementsysteme zu einem umfassenden Integrierten Managementsystem (IMS). In dieses IMS können auch weitere Bereiche der Organisation einfließen und darüber gesteuert werden – bis hin zum Finanzwesen“, betont Gutcert-Geschäftsführer Lieback. Die Berliner Prüfgesellschaft hat kürzlich einen Leitfaden zum Aufbau eines Umweltmanagement nach ISO 14001 mit Erweiterungsmöglichkeit zum Nachhaltigkeitsmanagement veröffentlicht.

Nach diesem Leitfaden steht das Commitment und die Verantwortung der Unternehmensführung an erster Stelle. Damit sollte klar sein, dass Umwelt- oder Nachhaltigkeitsmanagement eben weit mehr ist als das Zusammentragen technischer Details. „Am Beginn des Aufbaus eines Umweltmanagements steht das klare Bekenntnis des Top-Managements zum ehrlichen Erfassen der aktuellen Umweltleistung und deren kontinuierlicher Verbesserung“, heißt es in der Leitlinie. Und weiter: „Die Unternehmensführung trägt Verantwortung dafür, dass das Umweltmanagementsystem den festgelegten Anforderungen entspricht.“ Dazu gehört zum Beispiel, dass auf der Basis des Gesamtkontextes eine Strategie für die nächsten Jahre festgelegt und in einer Umweltpolitik ausformuliert wird, ein Anwendungsrahmen für das Umweltmanagementsystem fixiert ist, in dem Chancen und Risiken, die sich aus dem Kontext ergeben, erfasst werden. Auch gehe es zum Beispiel darum, dass neue Verfahren und Produkte im Hinblick auf die Umweltziele ausgelegt und entwickelt werden.

Gutcert geht im Hinblick auf ein Integriertes Managementsystem noch weiter: „Werden Qualitätsmanagement (ISO 9001), Arbeitsschutzmanagement (ISO 45001/SGA-MS) und Umweltmanagement (ISO 14001) in einem Unternehmen implementiert, decken sie bereits den Großteil eines Nachhaltigkeitsmanagements in Anlehnung an ISO 26001 ab. Mit Integration mehrerer Managementsysteme sinken neben dem internen Aufwand auch die externen Auditzeiten – und damit Kosten.“ Bisher ist die Anwendung von Umweltmanagementsystemen freiwillig. Das Umweltbundesamt prüft allerdings derzeit, wie die Anforderungen an ein verpflichtendes Umweltmanagement in Unternehmen aussehen könnten.

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In einer seit Frühjahr 2022 freigeschalteten Datenbank der Geschäftsstelle des Umweltgutachterausschusses finden sich passende Softwarelösungen für das betriebliches Klima-, Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagement, um die Herausforderungen nachhaltiger Unternehmensführung mit digitaler Unterstützung bestmöglich zu meistern. In der Datenbank gibt es derzeit mehr als 130 Einträge. Sie adressieren verschiedene Themen vom klassischen Umwelt-, Energie-, Abfall- und Ressourcenmanagement bis hin zu Nachhaltigkeitsthemen in der Lieferkette, wie Arbeitnehmer- und Menschenrechte oder Risikomanagement – ob Prozess-, Aufgaben-, Daten- und Dokumentenmanagement, Rechtskataster oder Auditmanagement.

http://hier.pro/sngne


Webhinweis

Der Umweltgutachterausschuss des Bundesumweltministeriums hat kürzlich acht Videotutorials veröffentlicht, in denen Anwender aus der Praxis schrittweise erzählen, wie der Einstieg in das EU-Öko-Audit nach EMAS (Eco-Management and Audit Scheme) gelingt, und was es dabei zu beachten gibt:

http://hier.pro/rMcrO

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