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PTB arbeitet an Bewertungsmethoden für KI

Künstliche Intelligenz
PTB arbeitet an Bewertungsmethoden für KI

Künstliche Intelligenz (KI) hat in der Fertigungsmesstechnik Einzug gehalten. Doch sind die mittels KI erzielten Ergebnisse auch zuverlässig, präzise und rückführbar? Antworten darauf will die Physikalisch-Technische Bundesanstalt geben, indem sie Bewertungsmethoden für KI entwickelt und Referenzdatensätze bereitstellt.

» Sabine Koll

Akkus mit festen Elektrolyten, sogenannte Festkörperbatterien, versprechen rund 30 % mehr Reichweite und doppelt so schnelles Laden etwa für Elektroautos. Doch was genau geschieht während der Lade/Entladeprozesse? Dem ist das Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) für Materialien und Energie auf der Spur – und zwar mit der Röntgen-Tomographie. Sie ermöglicht es, direkt in eine Batterie hineinzuschauen und ihr während des Entladens und Beladens zuzuschauen. „Wenn etwa das Lithium beim Laden und Entladen zwischen Anode und Kathode hin und her wandert, dehnt sich möglicherweise das Lithium-Speichermaterial aus oder es finden chemische Umwandlungsprozesse statt“, erklärt Dr. Ingo Manke, Tomographieexperte am HBZ. Die dreidimensionale Abbildung dieser strukturellen Veränderungen kann Schwachstellen hinsichtlich Leistung und Haltbarkeit deutlich machen, zum Beispiel Alterungsprozesse.

Die Röntgen-Tomographie kann diese Strukturveränderungen abbilden und ist daher auch in der Batterieforschung zu einer unverzichtbaren Messtechnik geworden. Die Auswertung tomographischer Messungen ist allerdings sehr zeitaufwändig, da die erzeugten Datenmengen sehr groß sind und komplexe 3D-Algorithmen erfordern. Daher will das HZB große Teile der 3D-Auswertungen mit Hilfe von Verfahren der Künstlichen Intelligenz (KI) beziehungsweise des maschinellen Lernens vollautomatisieren. Unterstützt wird dies durch einen Hochleistungsrechner, mit dem Digitale Zwillinge der realen Batterien im Computer erzeugt werden können.

KI hilft in der Messtechnik, große Datenmengen zu reduzieren

Die Reduktion großer Datenmengen in der industriellen Computer-Topografie sei ein typisches Beispiel für den Einsatz von KI – nicht nur in der Entwicklung neuer Produkte, sondern auch in der Fertigungsmesstechnik, sagen die Experten der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB). Der Einsatz von KI-Verfahren biete nach ihrer Einschätzung auch für die Messtechnik erhebliche Potentiale, die es gezielt auszuschöpfen gelte, schreibt die PTB in ihrer „KI-Strategie“.

Das an Euramet, der europäischen Vereinigung nationaler Metrologieinstitute, angedockte European Metrology Network for Mathematics and Statistics hat mit einer Umfrage unter 13 nationalen Metrologieinstituten herausgefunden, dass KI vor allem in folgenden Einsatzbereichen der Messtechnik seine Vorteile ausspielen kann: Verbesserung der Datenauswertung, neue Messmöglichkeiten, virtuelle Messgeräte, Umgang mit großen Datenmengen (Big Data), Entstehen neuer Technologiebereiche im Zuge der digitalen Transformation sowie neue Dienstleistungen.

Die verbesserte Datenanalyse durch Einsatz von KI beinhaltet nach Einschätzung der PTB sowohl die Automatisierung der Auswertungsprozesse als auch erweiterte Methoden der Regression und Klassifizierung sowie die Optimierung von Inline-Messtechnik. „In vielen Bereichen kann KI-gestützte Datenauswertung eine Beschleunigung und damit eine Kostenreduktion in der Nachverarbeitung von Messergebnissen bewirken“, so das Strategiepapier der PTB. „Zudem erschließt der Einsatz von KI einen neuen Umgang mit der zunehmenden Menge an Messdaten sowohl von Einzelmessgeräten als auch von verteilten Sensornetzwerken.“

An Anwendungsmöglichkeiten von KI in der industriellen Messtechnik mangelt es also nicht. Doch stellt sich für viele Anwender die Frage, ob die KI in Messgeräten und Sensoren zuverlässig arbeitet. „Da KI-Anwendungen oft auf besonders großen Datenmengen und dem Einsatz hochkomplexer Modelle beruhen, ist es für Anwender in der Praxis schwierig zu überprüfen, inwiefern die zugesicherten Eigenschaften erfüllt werden“, sagt Professor Stefan Wrobel, Leiter des Fraunhofer IAIS im Whitepaper „Vertrauenswürdiger Einsatz von Künstlicher Intelligenz“. „Eine Zertifizierung von KI-Anwendungen, die auf einer sachkundigen und neutralen Prüfung beruht, kann hier Vertrauen und Akzeptanz schaffen – sowohl bei Unternehmen als auch bei Nutzern und gesellschaftlichen Akteuren.“ In dem Whitepaper des Fraunhofer IAIS wird eine durch akkreditierte Prüfer operativ durchführbare Zertifizierung für KI-Anwendungen diskutiert. Demzufolge soll ein Zertifikat für KI einen gewissen Qualitätsstandard bescheinigen sowie dabei helfen, KI-Anwendungen überprüfbar rechtskonform zu gestalten und KI-Anwendungen vergleichbar machen.

„Zwei Schlüsselfaktoren sind notwendig, damit ein Machine-Learning-System zuverlässig in der Industrie einsetzbar ist: Erstens die Zertifizierung und zweitens Transparenz“, betont Mohamed El-Shamouty vom Fraunhofer IPA, einer der Autoren des Whitepapers „Zuverlässige KI“. Demnach bedeutet Transparenz, dass die Beschaffung der Daten, die zum Aufbau des Machine-Learning-Systems verwendet werden, das System selbst und das Geschäftsmodell dahinter nicht nur für die Entwickler, sondern auch für die Nutzenden transparent gehalten werden sollten. „Dies ist relevant, wenn bei Zwischenfällen die Gründe für eine unerwartete Verhaltensweise der KI dargelegt werden müssen“, so El-Shamouty. Zertifizierung heißt, dass das KI-System von einer entsprechenden Zertifizierungsstelle zertifiziert sein sollte. El-Shamouty: „Der Zertifizierungsprozess findet während der Entwicklungsphase des Produkts statt, in der eine Zertifizierungsstelle wie zum Beispiel der TÜV Süd oder die Dekra, sicherstellt, dass das Produkt die festgelegten High-Level-Anforderungen erfüllt.“

Die PTB, an der Spitze der metrologischen Hierarchie stehend und eine der wesentlichen Säulen der (digitalen) Qualitätsinfrastruktur Deutschlands, ist nach eigenen Angaben bereits heute aufgefordert, ihren gesetzlichen Aufgaben auch für Messgeräte mit KI-Anteilen gerecht zu werden, indem sie entsprechende Kompetenzen kontinuierlich aufbaut und sich auch in der Normung mit ihrem Domänenwissen aktiv einbringt.

„Die PTB verfolgt als Ziel die Entwicklung geeigneter Metriken zur Beurteilung der KI-Leistungsfähigkeit, die auch Robustheit, Erklärbarkeit und Vorhersagesicherheit einschließt. Eine wichtige Komponente stellt hierbei die physikalische Modellierung beziehungsweise Simulation des Messsystems dar, auf deren Basis Referenzdaten erzeugt werden können. Denn der Weg zur Sicherstellung der Rückführbarkeit von Messgeräten, die KI nutzen, geht über geeignete Referenzdaten“, erklärt das Institut auf Anfrage von Quality Engineering. So befasst sich die PTB im gesetzlichen Messwesen zum Beispiel bereits mit weltweit harmonisierten Software-Anforderungen an KI aus Perspektive der Software- und Datensicherheit.

KI-Auswertealgorithmen können von der PTB zertifiziert werden

Außerdem will die PTB künftig Referenzdaten für die Validierung von KI-gestützten Methoden und Algorithmen im Fertigungsumfeld zertifizieren. Dafür steht in Braunschweig das sogenannte Tracim-System zur Verfügung, mit dem heute bereits metrologische Auswertealgorithmen zertifiziert werden können. Hersteller von Auswertesoftware, kooperierende Metrologieinstitute oder auch Kalibrierlaboratorien können damit schon heute ihre Software etwa aus dem Bereich der Koordinatenmesstechnik – Einpassverfahren für Regelgeometrien – validieren lassen. „Es ist geplant, Referenzdaten für einen Prototyp einer KI-Anwendung im Fertigungsumfeld in der Tracim-Umgebung zu implementieren“, bestätigt die PTB. „Anwender, die einen solchen Softwaretest für die Prototyp-KI-Anwendung durchführen lassen und den Test bestehen, erhalten ein PTB-Zertifikat als Nachweis für die erfolgte Software-Validierung.“ Im Zuge einer solchen Validierung müsste die Funktionalität der KI mittels repräsentativer Referenzdatensätze getestet und ihre Robustheit – gegebenenfalls ergänzt durch eine Softwareprüfung zur Absicherung gegenüber Manipulation – sichergestellt werden.

Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB)
Bundesallee 100
38116 Braunschweig
Tel. +495315920
www.ptb.de


Standardisierung und Regulierung von KI

Der Artificial Intelligence Act, der Rechtsrahmen der EU für KI, spricht der Standardisierung eine Schlüsselrolle zu. Auf nationaler Ebene werden die Fragen der Normung, Prüfbarkeit und Auditierbarkeit federführend von DIN und DKE adressiert. Vor zwei Jahren haben sie die Deutsche Normungsroadmap Künstliche Intelligenz (KI) veröffentlicht. Ziel der Roadmap ist die frühzeitige Entwicklung eines Handlungsrahmens für die Normung und Standardisierung, der die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft unterstützt. Kern- und Querschnittsthemen der Normungsroadmap KI sind wesentliche Grundlagen, Ethik/Responsible AI, Qualität, Konformitätsbewertung und Zertifizierung, IT-Sicherheit, Industrielle Automation, Mobilität und Logistik sowie KI in der Medizin.

Für Ende 2022 ist nun die zweite Ausgabe angekündigt. Sie wird die Ergebnisse der ersten Ausgabe der Roadmap fortschreiben und weiterentwickeln. Dabei setzt sie auch neue Schwerpunkte und wird Handlungsempfehlungen für die Themenbereiche Sozio-technische Systeme, Finanzdienstleistungen und Umwelt/Energie formulieren.

Der Link zur ersten Ausgabe: http://hier.pro/qML5h

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