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Qualitätsmanager müssen offen und flexibel sein

Qualitäts- und Risikomanagement
Qualitätsmanager müssen schnell, offen und flexibel sein

Um für künftige Krisen gewappnet zu sein, braucht es ein Umdenken im Qualitätsmanagement. Die Instrumente für das Risikomanagement müssen genutzt, Risikobewertungen dynamisch angepasst werden. Agilität und Digitalisierung sind gefordert.

Die Krise hat die Unternehmen unerwartet getroffen. So wie das auch für die gesamte Gesellschaft der Fall war. Nun sind die Firmen damit beschäftigt, die Scherben aufzukehren, zu schauen, was noch heil geblieben ist und wie sie sich aufstellen, um die kommende Zeit zu überstehen.

Das Qualitätsmanagement nimmt dabei eine wichtige Rolle ein – besonders weil spätestens seit der Revision der ISO 9001 das Risikomanagement ein elementarer Bestandteil eines QM-Systems ist. Risiken frühzeitig zu erkennen, ist ein wichtiger Faktor für eine erfolgreiche Unternehmensführung. Und diese Fähigkeit ist entscheidend, um für künftige Krisen gewappnet zu sein.

„Seit Jahren befassen wir uns im Qualitätsmanagement und in der Qualitätssicherung mit Risiken und dem Risikomanagement. Jetzt können wir zeigen, was wir können“, sagt Benedikt Sommerhoff, Leiter Innovation,Transformation und Themenmanagement bei der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ).

Die nötigen Instrumente sind vorhanden. Software-Lösungen für das Qualitäts- oder integrierte Management bieten entsprechende Funktionen. Ein EDV-gestütztes Risikomanagement hilft laut Alexander Künzer, sich in dem vielfältigen Geflecht von Wechselwirkungen zurechtzufinden, die das Unternehmensgeschehen beeinflussen und mit Risiken in den verschiedenen Bereichen und in unterschiedlichen Ausmaßen behaftet sind.

Künzer ist Risk Management Officer ISO 31000 und Mitglied der Geschäftsführung beim Software-Anbieter Consense. Sein Unternehmen hat das hauseigene Managementsystem mit einem entsprechenden Modul ausgestattet. Dieses unterstütze eine systematische Risikoanalyse und -bewertung mittels Matrix im Risiko-Assessment sowie das Management von Kontrollen zur Risikobewältigung, berichtet Künzer,

Ein systematisches Risikomanagement sollte ganz oben auf der Agenda von Unternehmenslenkern stehen. Doch dies ist häufig nicht der Fall. „Experten sprechen davon, dass im deutschen Mittelstand hier an vielen Stellen noch Nachholbedarf besteht“, sagt Künzer. Durch eine gelebte Risikokultur und ein elektronisches systematisches und funktionierendes Risikomanagement entstünden einem Unternehmen aber strategische Wettbewerbsvorteile, die im globalen Wettbewerb erfolgsentscheidend sein können.

Risikobewertungen sind zu abstrakt

Das Thema Risiko sei in den Unternehmen schwierig zu adressieren, meint Sommerhoff. „Viele Risikobewertungen, die ich auf Ebene des Qualitätsmanagements gesehen habe, sind sehr abstrakt.“

Damit ein Risikomanagement funktionieren kann, muss es immer wieder in die Hand genommen werden. Sommerhoff fordert daher agile Risikobewertungen und Maßnahmenpläne. Schließlich erleben wir alle gerade, wie schnell sich die Situation immer wieder ändert – im Wochen- oder sogar im Tages-Rhythmus.

Bewertungen, Pläne und Handeln sollten daher ebenso laufend aktualisiert werden. „Was immer wir uns zu einer Pandemie und ihren gesundheitlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Folgen einmal überlegt haben – der Ereignisfall führt uns noch einmal deutlich vor Augen, dass solche Krisenpläne dynamisch gehandhabt werden müssen“, so der DGQ-Experte.

Doch das geschieht in vielen Unternehmen nicht gut genug. Die Instrumente sind zwar da, aber die Risikobewertungen bleiben in den Schubladen liegen. „Sie könnten zwar Woche für Woche hervorgeholt werden“, so Sommerhoff. „Doch das macht niemand. Es wird eher unsystematisch entlang der Risiken gearbeitet.“

Neue Feedbacksysteme und Lernfähigkeit

Bei den Mitarbeitern im Qualitätsmanagement fehlt hierfür das entsprechende Bewusstsein. „Das Mindset ist nicht agil“, sagt Pehl, die als Coach und Unternehmensentwicklerin mit den Schwerpunkten Führung, persönliche Resilienz und wertebasierte Unternehmensentwicklungsprozesse tätig ist. „Sonst wäre es selbstverständlich, dass Menschen immer wieder neu auf Risiken schauen und auch die Art der Risikobewertung agilisiert wird.“

Agilität – dieses Wort fällt häufiger, wenn man mit Experten wie Sommerhoff oder Pehl spricht. Resilienz – also die Fähigkeit, Krisen standhalten zu können – ermöglicht erst, schnell und flexibel handeln zu können, wodurch diese wiederum verstärkt wird. Dafür brauche es Lernfähigkeit im Qualitätsmanagement und neue Feedbacksysteme – für die Kommunikation mit Partnern, Führungskräften oder Kunden.

„Klassische QM- und QS-Mechanismen sind Feedbacksysteme, die auf Kontrolle, Steuerung und Überprüfung beruhen“, so Pehl. Bei den nun geforderten Feedbacksystemen gehe es dagegen um den Austausch von Menschen, um Offenheit und Lernbereitschaft zu erzeugen. Dann könne man auch mit Krisen besser umgehen, weil man offener gegenüber Fehlern ist.

Social Media Analytics liefert Erkenntnisse

„Es gibt in Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung noch immer einen ganz starken Technik- und Sachfokus“, erklärt Sommerhoff. Qualitätsmanager müssten sich nun aber auch Fragen stellen wie zum Beispiel „Wie ist die Stimmung bei den Kunden?“ oder „Welche Qualitätsanforderungen leiten sich aus Stimmungen, Wahrnehmungen und Bedürfnissen ab?“. Darin seien sie bisher nicht besonders gut gewesen, meint Sommerhoff.

Er nennt ein Beispiel: Qualitätsmanager hätten noch nicht erkannt, dass etwa Social Media Analytics ein interessantes Feld für sie sein könnte. Mithilfe entsprechender Software-Werkzeuge lassen sich die Social-Media-Einträge von Kunden und somit deren Meinungen zu Produkten großflächig analysieren. Dies könnte auch wertvolle Erkenntnisse für das Qualitätsmanagement liefern. „Doch die Qualitätsmanager sind weiter auf ihre bisherigen Feedbackquellen sowie die klassischen Anforderungsarten fokussiert.“

Um reaktionsschnell zu sein, braucht es auch ein Umdenken im klassischen Ansatz des Qualitätsmanagements: dem PDCA-Zyklus. Dieser gilt als wichtiges Mittel zu Qualitätsverbesserung und schreibt folgende Reihenfolge vor: Zuerst wird geplant (Plan). Dann wird dies umgesetzt (Do). Anschließend werden die Maßnahmen überprüft (Check). Und letztlich werden diese entsprechend angepasst (Act).

„Die Krise führt jedoch dazu, dass Unternehmen überhaupt keine Planbarkeit mehr haben“, sagt Sommerhoff. Daher müsse der Zyklus nun mit dem D beginnen. Will heißen: Zuerst wird etwas getan. Dann prüft man, was dabei herauskommt. Anschließend werden die Maßnahmen eventuell angepasst. Und zum Schluss lässt sich klären, ob daraus ein Plan entsteht. „Dieses Adaptieren, das Einstellen auf neue Situationen führt auch zu größerer Resilienz“, so Sommerhoff.

Digitale Prozesse sind stabiler

Es gibt noch eine weitere Lehre aus der Krise. Der Trend zur Digitalisierung, der schon vorher existierte, wird durch Corona noch einmal deutlich verstärkt. „Was digitalisiert werden kann, wird auch digitalisiert“, sagt etwa Lutz Krämer, Bereichsleiter Produkte beim CAQ-Anbieter Babtec. Das gelte auch für das Qualitätsmanagement.

„Der Grad der Digitalisierung hängt hier aber nicht allein vom Einsatz moderner Technologie ab“, sagt Krämer. Entscheidend sei es, in den relevanten Handlungsfeldern das Qualitätsmanagement mit den Möglichkeiten der Digitalisierung neu zu denken. „Sind diese aus Sicht des jeweiligen Unternehmens identifiziert, kann Software bei der Umsetzung der Lösung erfolgreich helfen.“

Sommerhoff sagt, dass die aktuelle Situation zeige, wie viel stabiler digitale Geschäftsmodelle und Prozesse in einer weitgehend digitalisierten Welt sind. Seine dringende Empfehlung an die Qualitätsmanager lautet daher, dass diese ihre Prozesse für Qualitätsmanagent und Qualitätssicherung sowie Services deutlich mehr digitalisieren. Bereits vorhandene Lösungen sollten stärker genutzt werden, um Prozesse schneller, vernetzter und leistungsfähiger zu gestalten.

Grundsätzlich ist er der Meinung, „dass wir die Krise aktiv nutzen können, um längst fällige Innovationen in Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung voranzutreiben und bisheriges Vorgehen in Frage zu stellen“. ■


Der Autor

Markus Strehlitz
Redaktion

Quality Engineering



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