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Sinnvoll, wirksam und machbar

Neue ISO 45001:2018 für modernen Arbeits- und Gesundheitsschutz
Sinnvoll, wirksam und machbar

Ein wesentlicher Bestandteil des Unternehmenserfolgs ist eine sichere und gesunde Arbeitsumgebung. Die im März 2018 erschienene ISO 45001:2018 könnte zum weltweiten Standard für Arbeits- und Gesundheitsschutzmanagementsysteme werden. Was spricht dafür – und was bedeutet das für die Umsetzung?

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat die Kriterien an einen menschengerechten Arbeitsplatz wie folgt formuliert: „Die Art und Weise, wie eine Gesellschaft die Arbeit und die Arbeitsbedingungen organisiert, sollte eine Quelle der Gesundheit und nicht der Krankheit sein.“ Ein Arbeitsplatz ist dann ergonomisch gestaltet, wenn er keine Gesundheitsgefahren und arbeitsbedingte Erkrankungen verursacht sowie ein angenehmes Arbeiten ermöglicht.

Nun sollte und darf man annehmen, dass dieser grundlegenden Definition in allen industrialisierten Ländern grundsätzlich entsprochen wird. Allerdings können schon geringste Abweichungen von dieser Forderung nicht nur zu erheblichen Individualschäden von MitarbeiterInnen führen, sondern auch das Unternehmen selbst und zum Beispiel seinen Ruf als attraktiver Arbeitgeber „verletzen“.

Es dürfte hinlänglich bekannt sein: In der heute etablierten Nomenklatur des Qualitätsmanagements gibt es dafür einen Begriff – der sich durch die „High-Level-Structure“ aller neueren ISO-Normen von Qualitätsprozessen zieht. Einfach gesprochen: Jede Möglichkeit einer Abweichung von existierenden Regeln wird als „Risiko“ betrachtet. Und jedes potenzielle Risiko muss im Rahmen des Risiko-Managements ex ante erkannt, bewertet und minimiert werden.

Diese Denkweise galt weitestgehend schon bei der derzeit gebräuchlichen Occupational Health- and Safety Assessment Serie OHSAS 18001. Die nun an den Start gegangene ISO 45001:2018 verdichtet diese Denkweise – und wird deshalb in Kürze auch als DIN EN ISO 45001 zum weltweit gültigen Standard für die Anforderungen an Arbeits- und Gesundheitsschutzmanagementsysteme werden. Ihr Ziel es ist, das Risiko von Verletzungen, Unfällen und arbeitsbedingten Erkrankungen in Unternehmen sichtbar zu reduzieren. Geeignete Methoden und Instrumente müssen dazu auf allen Ebenen eines Unternehmens angewendet und genutzt werden.

Wichtig zu wissen: In Zukunft sollen nicht nur eigene Mitarbeiter, sondern auch andere Personen, die unter der Verantwortung und Zuständigkeit des Unternehmens tätig sind, besser geschützt werden (Normbegriff „Beschäftigte“ oder „worker“). Hier gibt es zwei gute Nachrichten: Für Unternehmen, die bereits eine Zertifizierung nach OHSAS 18001 erworben haben, wird die Umstellung auf die ISO 45001 vergleichsweise einfach sein. Das gilt auch für Unternehmen, die ihr Qualitätssystem auf das Arbeits- und Gesundheitsmanagement ausdehnen wollen und schon über eine oder mehrere Zertifizierungen der DIN EN ISO-Reihe verfügen: Die ISO 45001 wird aufgrund der High Level Structure ebenfalls relativ einfach einzuführen sein. Die wesentlichen Punkte sind hier vor allem die Unterstützungsprozesse

  • „Ressourcen“ (7.1.) – also die Planung der für den Arbeits- und Gesundheitsschutz notwendigen Mittel,
  • „Kompetenz“ (7.2.) – also die Befähigung von MitarbeiterInnen, die Regeln für Arbeitssicherheit und Gesundheit zu verstehen und anzuwenden,
  • „Bewusstsein“ (7.3.) – also die Aufmerksamkeit für die Vorteile einer aktiven Besetzung des Themas durch alle Stakeholder im Unternehmen
  • Kommunikation (7.4.) – also das konsequente interne und externe Marketing (die „Werbung“) für und mit den Vorteilen des neuen Systems

Warum sich der Aufwand auf jeden Fall lohnt…

Was darüber hinaus für die Einführung spricht, ist das Ergebnis einer Auswertung diverser einschlägiger Studien in einem Forschungsbericht der Internationalen Vereinigung für Soziale Sicherheit (IVSS): Ein wirksames, in die Unternehmensabläufe eingeführtes Arbeits- und Gesundheitsschutzmanagementsystem rechnet sich – für alle Beteiligten. Laut der genannten Auswertung lag der durchschnittliche „Return on Prevention“ bei 2,2. Das bedeutet, dass ein Unternehmen für jeden im Arbeitsschutz eingesetzten Euro 2,20 Euro zurückerhält.

Auch wenn eine exakte Quantifizierung schwierig ist, können insbesondere Verbesserungen des Unternehmensimage, sinkender Krankenstand, Fortschritte in der Unternehmenskultur und in der gestiegenen Mitarbeiterzufriedenheit und -Motivation festgestellt werden.

Soviel also in groben Zügen zu den Gründen, die für die Einführung des neuen Systems sprechen. Nun mag sich der eine oder die andere insbesondere im Hinblick auf die Punkte Bewusstsein und Kommunikation schon die Frage gestellt haben: Wie erklärt man das am besten, um für das „neue System“ eine möglichst hohe Akzeptanz zu erreichen? Hierzu eignet sich nach unserer Erfahrung auch die Einbettung des Vorgangs in die Geschichte der industriellen Arbeit.

Historische Meilensteine des Arbeitsschutzes
sind die Basis für die neue Norm

Bereits unter Bismarck wurden in Deutschland gesetzliche Grundsteine für die ersten Arbeitsschutzverpflichtungen gelegt, und zwar im Rahmen der großen sozialen Gesetze von 1878–1890, in denen die Krankheits-, Unfall- und Altersansprüche der Arbeiter und auch die Gesetze über Arbeitsschutz und Kinderarbeit geregelt wurden (Bismarck und das deutsche Gemüt von Dr. Hermann von Bezzel). Die preußische Gewerbeordnung, die später zur Grundlage der Gewerbeordnung des Deut-schen Reichs wurde, verpflichtete die Arbeitgeber, Maßnahmen zum Schutz ihrer Arbeiter zu ergreifen. Es entstand der Begriff des „Arbeiterschutzes“.

1884 wurde unter Bismarck das Unfallversicherungsgesetz verabschiedet, das auch zur Gründung der Berufsgenossenschaften führte. 1924 erfolgte in Berlin die Einrichtung der Klinik für Berufskrankheiten. Sie wurde 1933 zum Universitätsinstitut ausgebaut.

Im Brockhaus wird auf den Beginn des Internationalen Arbeiterschutzes verwiesen, der seine Wurzeln 1890 in der Internationalen Arbeiterkonferenz in Berlin hatte. Ein weiterer Meilenstein findet sich auch bereits 1899 in der Gründung der Internationalen Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz in Basel.

Die Verpflichtung des Unternehmers zu Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz resultiert aus der Reichsversicherungsordnung und ist heute im Sozialgesetzbuch VII (SGB VII) festgeschrieben.

Unterschiedliche Entwicklung der Normen in Europa

In den jeweiligen Mitgliedsstaaten der EU existieren unterschiedliche Arbeitsschutzstandards. Zur Verbesserung des Arbeitsschutzes und Vermeidung der Konkurrenzsituationen zwischen den Mitgliedsstaaten infolge der Ausnutzung wirtschaftlicher Standortvorteile auf Kosten des Arbeitsschutzes verabschiedete 1989 der Rat der EG die sogenannte Rahmenrichtlinie für Arbeitsschutz (89/391 EWG vom 12. Juni 1989). Die Rahmenrichtlinie definierte Mindestanforderungen und deckte die wesentlichen Risiken im Bereich der Arbeitsumwelt für den Sicherheits- und Gesundheitsschutz sowie die Arbeitshygiene ab.

Europäische Richtlinien sind rechtsverbindlich und müssen von allen Mitgliedstaaten innerhalb einer festgelegten Frist in einzelstaatliches Recht umgesetzt werden. In europäischen Richtlinien sind Mindestanforderungen und Grundprinzipien, zum Beispiel zur Prävention und zur Gefährdungsbeurteilung, und die Pflichten von Arbeitgebern und Arbeitnehmern festgehalten.

In den 1990er Jahren wurden die ersten Managementsysteme zu Arbeitssicherheit- und Gesundheitsschutz entwickelt und eingeführt, nach denen die Unternehmen eine Zertifizierung beantragen konnten.

Das Normative SCC-Regelwerk (Sicherheits Certifikat Contraktoren) ist ein zertifizierbares Arbeitsschutzmanagementsystem. Es wurde in der Petrochemie für Unternehmen entwickelt, die als Kontraktoren tätig werden wollen und vereinigt Belange aus (Arbeits-)Sicherheit, Gesundheits- und Umweltschutz (SGU).

Im Jahr 1999 wurde der britische Standard BS OHSAS 18001 (Occupational Health and Safety Assessment Series) veröffentlicht – und entwickelte sich in der Folgezeit zum einzigen Arbeitsschutzmanagementsystem (AMS) mit übergreifender internationaler Bedeutung und für das Gesundheitsmanagement von Unternehmen aller Branchen.

Die OHSAS 18001 ermöglichte schon eine systematische, kontinuierliche Verbesserung in der Arbeits- und Anlagensicherheit durch umfassende Prävention und trug zudem wesentlich zum Unternehmenserfolg bei.

ISO 45001:2018 birgt viele Chancen

Das Fazit lautet daher: Die Zertizierung nach ISO 45001:2018 ist effektiv und effizient. Denn die neue Norm legt die Anforderungen an Arbeits- und Gesundheitsschutzmanagementsysteme (A&GS) fest und beschreibt deren Integration in den betrieblichen Alltag.

Die Norm bietet die Chance, Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit zu verbessern, die Gesundheitsrisiken der Beschäftigten zu reduzieren, und dank der Zertifizierung bei Kunden, Lieferanten, Behörden oder Investoren den Nachweis erbringen, dass sicher und gesund gearbeitet wird und das Unternehmen sich an die gesetzlichen Vorschriften hält.

Die neue Norm gilt nicht nur für festangestellte Beschäftigte, sondern auch für Subunternehmer oder freie Mitarbeiter. Das heißt, das Arbeits- und Gesundheitsschutzmanagementsysteme (A&GS) muss sicherstellen, dass zum Beispiel auch die Reinigungsfirma, die abends die Büros putzt, in die Arbeitsschutzmaßnahmen eingebunden wird.

Die neue ISO 45001:2018 basiert auf dem Plan-Do-Check-Act-Modell (PDCA) und orientiert sich an der sogenannten „High Level Structure“ (HLS). Hierdurch wurden Abschnittsfolge, Basistext und gemeinsame Terminologie der Norm vereinheitlicht, um die Integration in bestehende Managementsysteme wie zum Beispiel ISO 9001 oder ISO 14001 zu erleichtern.

Die ISO 45001:2018 soll den wachsenden Ansprüchen in den Betrieben gerecht werden. Sie ersetzt den bisherigen britischen Standard BS OHSAS 18001:2007. Unternehmen, die ihr Arbeitsschutz-Management-System nach dem alten Standard zertifiziert haben, wird für die Umstellung eine Übergangsfrist von drei Jahren bis zum 11. März 2021 eingeräumt.

Weitere Vorteile einer Zertifizierung durch TÜV Proficert sind:

  • Internationale Anerkennung des Arbeits- und Gesundheitsschutzmanagementsystems
  • Einfache Integration in ein bestehendes Managementsystem dank High Level Structure
  • Management von Arbeits- und Gesundheitsschutz Risiken und Chancen
  • Steigerung der Rechtssicherheit durch regelmäßige Bewertungen („Einhaltung der Verpflichtungen”)
  • Kontinuierliche Verbesserung der eingeleiteten Prozesse
  • Verankerung von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz im Bewusstsein der Mitarbeiter und des Managements als auch bei externen Anbietern
  • Sichere und gesunde Arbeitsplätze
  • Imagegewinn als sicheres und vorsorgendes Unternehmen

Auch wenn mit der ISO 45001:2018 eine ganz neue Norm entsteht – ihre Grundlagen sind zu einem großen Teil bereits in der BS OHSAS 18001 vorhanden und formuliert. Für Unternehmen, die schon ein Arbeits- und Gesundheitsschutzmanagementsystem nach dem bisherigen Standard implementiert haben und engagiert in ihrem Firmenalltag leben, dürfte der Umstieg auf die ISO 45001:2018 daher leicht sein. Dennoch wird die ISO 45001:2018 neue Impulse für den Arbeits- und Gesundheitsschutz in Unternehmen geben können. Die British Standards Institution hat angekündigt, den Standard OHSAS 18001 drei Jahre nach der Veröffentlichung der ISO 45001 zurückzuziehen. Damit wird in naher Zukunft die ISO 45001:2018 der maßgebliche Standard für Arbeits- und Gesundheitsschutz-Managementsysteme. ■


Der Autor

Michael Genschka

Auditor Bereich
Managementsysteme

TÜV Hessen

www.tuev-hessen.de


173 Jahre Arbeitssicherheit

  • 1845 Preußische Gewerbeordnung
  • 1871 Reichsgewerbeordnung
  • 1878 Bismarcks soziale Gesetze
  • 1884 Unfallversicherungsgesetz
  • 1885 Gründung der Berufsgenossenschaften
  • 1899 Gründung der Internationalen Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz
  • 1913 Reichsversicherungsverordnung
  • 1968 Gesetz über technische Arbeitsmittel regelt Sicherheitsstandards
  • 1989 Rahmenrichtlinie für Arbeitsschutz (89/391 EWG)
  • 1996 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Unfallversicherung)
  • BS 8800:1996 (Basis der OHSAS 18001)
  • 2018 ISO 45001:2018

Warum Arbeitsschutz wichtig ist

Die Zahl der Arbeitsunfälle ist von knapp drei Millionen im Jahr 1960 auf gut 950.000 in 2016 gesunken – und das, obwohl die Beschäftigtenzahl heute viel höher ist als damals. Dies ist zweifellos eine erfreuliche Entwicklung. Dennoch sind knapp eine Million Arbeitsunfälle immer noch eine unerträglich hohe Zahl. Nach Schätzungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) fielen 2016 etwa 675 Millionen Erwerbstage durch Arbeitsunfähigkeit aus. Dies führte zu einem Produktionsausfall anhand der Lohnkosten von 75 Milliarden Euro. Durch Verlust an Arbeitsproduktivität gingen der deutschen Volkswirtschaft damit rund 133 Milliarden Euro an Bruttowertschöpfung verloren. ■



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