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Alles unter einem Hut

Gesamtdienstleister für die Kalibrierung
Alles unter einem Hut

In Erlangen gibt es seit Anfang Juli ein neues Siemens-Kalibrierlabor für physikalische Messgrößen. Zudem haben die Franken durch den Zusammenschluss mit dem Münchner Firmenlabor ihr Kalibrierspektrum um die mechanischen und elektrischen Messgrößen erweitert. Damit können jetzt 85 Prozent der gesamten am Markt geforderten Messgrößen im Hause abgedeckt werden. Diese Größenordnung sucht ihresgleichen.

Wie die Jungfrau zum Kind kamen die Mitarbeiter des Siemens Kalibrierlaboratoriums Medizinische Technik (MED) in Erlangen zu einem neuen Kalibrierlabor, einem Bereichswechsel und daraus resultierend zu einer neuen Kalibrierphilosophie. Denkanstoß dafür gab eine Zusammenkunft mit dem Geschäftsbereich Anlagenbau und Technische Dienstleistung (ATD), wo man einen gemeinsamen Messeauftritt plante. Zu diesem Zeitpunkt stand der MED bereits ein Umzug bevor. In diesem Zusammenhang führte man die Überlegung gleich weiter und kam zu der Erkenntnis, dass Kalibrierung eine Dienstleistung ist und diese Aufgabe eher der ATD obliegt. Abgesehen von den Organisationsproblemen, die diese logische Schlussfolgerung mit sich brachte, war die Übernahme des Labors durch ATD schnell beschlossen. Der drängende Umzug beschleunigte die Umstrukturierung „Großbetrieb“ untypisch schnell. Die Kürze der Zeit hatte sich allerdings unproportional hervorragend auf die Einrichtung des Labors ausgewirkt. Dieses strahlt nun in einem repräsentativen Glanz, der den Kunden nun die Kernkompetenz offeriert, die die Kalibrierung bei der ATD bekommen hat.

Das ATD-Geschäftsgebiet Technische Dienstleistung (TD), bekannter als Siemens Industriel Services, stellt sich somit auch als Komplettanbieter für die Messtechnik auf. Zu den drei Leistungslinien Logistik & Service des Geschäftszweiges gehören Mietgeschäft, Verkaufs- und Reparaturgeschäft sowie Kalibrierung. „Als Fokus sehen wir die Aufgabe, rund um die Messtechnik alle Dienstleistung auch am externen Markt anbieten zu können. Wir glauben, dass das Spektrum unserer Leistungslinien von kaum einen anderen angeboten wird und wir sind gegenüber unserem Hauptkonkurrenten sehr stark im Industrieservice vertreten“, so Dipl.-Ing. Roland Müller, Leiter Instruments & Tools Service Center.
Auch das Kalibrierlabor war bis Anfang diesen Jahres im alten Bereich überwiegend für den Eigenbedarf tätig. Die ersten Überlegungen in Richtung externen Markt ergaben, dass die firmeninternen A-Labore zur Komplettierung der Messgrößen unter einen Hut gebracht werden müssen. Schnell und unkompliziert haben sich die Erlanger mit den Münchner Kollegen zusammengeschlossen. So können sie jetzt neben den bisherigen physikalischen Messgrößen auch die mechanischen und elektrischen insgesamt zu circa 85 Prozent dem Markt anbieten.
Flächendeckendes Potenzial
Bei Siemens gibt es 100 Kalibrierstellen mit insgesamt 402 Mitarbeitern. Darunter befinden sich vier DKD akkreditierte, sogenannte A-Labors, in denen insgesamt 15 Mitarbeiter beschäftigt sind. Zwei davon wiederum befinden sich in München, eines in Nürnberg und das andere ist das Erlanger Labor. Die fachliche Leitung aller Laboratorien liegt in Erlangen, die Münchner Stellen werden organisatorisch von Erlangen aus geleitet.
Neben den hundert deutschen Laboratorien gibt es weitere in der Türkei, in Belgien, Österreich, in der Slowakei, in Tschechien und Frankreich. Zudem wurden voriges Jahr Labore in Thailand und Saudi Arabien in Betrieb genommen. Momentan werden Außenstellen in Südamerika und Spanien geplant. Auch im Ausland versucht man zunehmend, an den externen Markt zu gehen. Siemens investiert in diese Stellen, liefert die Prüfgeräte mit dem entsprechenden Service und bildet das Personal aus.
Die logische Schlussfolgerung, dass man diese 100 Kalibrierstellen unter einen Hut bringen müsse, konnte man als Zukunftsmusik im Hintergrund des Gespräches hören: „Es ist heute noch schwierig, untereinander zu kommunizieren, denn es wissen jeweils im Hause nur Wenige, dass wir mit der jeweils geringfügigen Anzahl von Mitarbeitern in diesem Sektor der größte Dienstleister in Deutschland sind. Dieses Image am externen Markt zu etablieren, ist noch dreimal schwieriger. Man muss hier optimieren und Synergien finden, um den Kunden schließlich die optimale Dienstleistung anbieten zu können“, so Jens Struck, Leiter des Siemens Kalibrierdienstes.
Alleinstellung in vielen Größen
Die kalibrierfähigen Messgrößen in Erlangen sind durchweg physikalische. Das kommt aus der Historie. Man hatte im Bereich der medizinischen Fertigung, speziell bei der Röntgenröhrenfertigung festgestellt, dass es relativ wenig bis gar keine Anbieter gibt, die beispielsweise sehr hohe Temperaturen, Ultrahochvakuum und Feuchte kalibrieren können. Also hat man versucht, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, um zum einen die eigenen Bedürfnisse abzudecken und zum anderen die Lücke im externen Markt zu schließen.
50 bis 60 Prozent des Equipments in Erlangen dient der Temperaturmesstechnik, die zwischen berührungsloser und kontaktbehafteter Thermometrie unterschieden wird. Bei der kontaktbehafteten Thermometrie können Temperaturen bis 1600 °C gemessen werden. Das Erlanger Labor ist hier das einzigste, das für diese Temperaturspanne im DKD akkreditiert ist. Die berührungslose Temperaturmessung, auch Pyrometrie genannt, umfasst den sehr großen Bereich von -20 bis 2330 °C. Auch hier kann das Labor in Alleinstellung diese Temperaturspanne realisieren. Im Bereich relative Feuchte arbeiten die Franken neben einem Lenzkirchner Mitbewerber im DKD ebenfalls konkurrenzlos. In Lizenz von der Physikalisch Technischen Bundesanstalt (PTB) hat man hier eine Einrichtung nachgebaut, die eine absolute oder relative Feuchte erzeugen und mit sehr hoher Präzision Feuchtemessgeräte messen kann. Im dritten Part Druck hebt sich das Labor abermals von anderen Kalibrierstellen ab: Der Messbereich beginnt bei 700 bar Überdruck und geht bis ins Ultrahochvakuum mit 3 x 10-9 mbar. Im Bereich Hochspannung kann eine Gleichspannung von bis zu 130 kV erzeugt werden. Schließlich besteht die Möglichkeit, Reinräume auf die bestimmten Reinraumklassen zu kontrollieren.
[AS]
Interview mit Jens Struck, Leiter des Siemens Kalibrierdienstes
Was sind die Beweggründe für eine Konzentration der Kalibrierung bei ATD?
! Sinn und Zweck des Zusammenschlusses mit den Münchner Kollegen war, das Produktspektrum der physikalischen, mechanischen und elektrischen Größen zusammenzuführen, um somit einen möglichst hohen Prozentsatz der vom Markt geforderten Größen dem Kunden anbieten zu können. Wir können jetzt circa 85 Prozent der Messgrößen abdecken, der Rest sind sehr exotische Größen wie sie beispielsweise in der Dosimetrie oder Röntgentechnik zu finden sind. Der Bereichswechsel gab uns die Möglichkeit, die Kalibrierung zur Kernkompetenz zu erklären. Wir haben jetzt hier in Erlangen ein neues repräsentatives Labor aufgebaut, wo wir dem Kunden diese Kernkompetenz auch offerieren können.
Beabsichtigen Sie, das Spektrum an Messgrößen eines Tages komplett zu machen und worin heben sich die Siemens-Kalibrierlaboratorien von anderen ab?
!Wir sind an der Dosimetrie interessiert. Hier laufen auch Aktivitäten. Man wird aber heute keinen Anbieter finden, der alle Messgrößen im eigenen Hause kalibrieren kann. Solche Aussagen beruhen dann darauf, dass die fehlenden Messgrößen outgesourct werden. Wir haben hier gegenüber dem Wettbewerb das umfassendste Angebot an Messgrößen, die wir im eigenen Labors kalibrieren können. Provokant ausgedrückt sind wir keine Händler sondern Dienstleister.
Sind alle Größen DKD akkreditiert und wie wird der „Überwacher“ überwacht?
!Mit wenigen Ausnahmen, wo wir noch Werkskalibrierungen vornehmen, sind 95 Prozent der Messgrößen DKD akkreditiert. Bei den verbliebenen 5 Prozent gibt es nur eine geringe Nachfrage. Die Physikalisch Technische Bundesanstalt (PTB) rezertifiziert das komplette Laboratorium alle eineinhalb bis zwei Jahre oder bei Umzügen, wie das gerade vorgestern wieder erfolgreich stattgefunden hat.
Welchen Zeitrahmen muss der Kunde für seine Kalibrierung einplanen?
!Wir können nach Absprache eine 24 h Kalibrierung einschließlich Versand durchführen. Im Normalfall haben wir uns zum Ziel gesetzt, die Kalibrierungen in drei bis maximal fünf Arbeitstagen durchzuführen. Für Notfälle gibt es eine Service-Hotline. Es sind auch Vor-Ort-Kalibrierungen möglich, allerdings nur auf der Ebene einer Werkskalibrierung. Es ist nicht immer ganz einfach, den Kunden zu erklären, dass oftmals Vor-Ort-Kalibrierungen aufgrund gewisser Spielregeln nicht möglich sind. Wenn er eine qualifizierte Kalibrierung wünscht und nicht nur das Papier dafür, kommt er zum Beispiel bei Feuchtemessgeräten nicht umhin, das Gerät ins Labor zu bringen.
Sie sehen sich als Gesamtdienstleister. Was genau verstehen Sie darunter?
!Wir betreuen unsere Kunden umfassend. Das fängt damit an, dass wir die Kalibrier-Zeitintervalle der Messgeräte überwachen und hört auf, wenn ATD die gesamte Verfügbarkeit einer Anlage sicherstellt. Da ist die Kalibrierung dann nur eine Teilaufgabe. Wir arbeiten übrigens auch geräte- und herstellerunabhängig.
Die Kalibrierung wird ja gerne stiefmütterlich behandelt, nimmt doch aber durch die Entwicklung im Qualitätswesen eine immer bedeutendere Rolle ein. Spüren sie das an Ihrer Auftragslage?
!Ja. Besonders in der Automobilindustrie ist die Tendenz zu spüren, dass die qualitätsrelevante Dienstleistung verstärkt outgesourct wird. Und es gibt einen Passus in der QS 9000, dass diese qualitätsrelevanten Dienstleistungen nur in DKD akkreditieren Laboren durchgeführt werden dürfen. Insofern denken wir, dass wir auf dem Markt sehr gute Chancen haben, denn der Kuchen wird mit Sicherheit unter einigen großen Anbietern aufgeteilt werden.
Ist es nun, weil man bei Siemens kalibrieren lässt und dafür eine gewisse Qualität bekommt, auch entsprechend teuer?
!Dieser Ruf hängt wohl jeder großen Firma nach. Natürlich gibt es bestimmte Strukturen hier im Haus, die eine gewisse Preisbildung von vornherein ausschließen. Andererseits müssen wir uns auch wie jeder andere diesem Markt stellen. Unsere Preise spiegeln die Qualität, die wir aufgrund unserer Ausrüstungen bieten können. Die Preise wie auch die Dienstleistungen sind wettbewerbsfähig.
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