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Aus den Augen, aus dem Sinn?

ISO-Zertifizierung im Alltag
Aus den Augen, aus dem Sinn?

Was geschieht eigentlich im Tagesgeschäft nach einer ISO-Zertifizierung? Wird nach dem Motto „aus den Augen, aus dem Sinn“ verfahren, als hätte es nie eine Zertifizierung gegeben? Oder wird Qualitätsmanagement als Unternehmenskultur aufgefasst und permanent weiterentwickelt?

Thomas Arndt, Direktor der GP General Parcel Logistics GmbH, verantw. für Marketing, IT, Recht, Finanzen,

In den letzten Jahren sind viele Anbieter von logistischen Dienstleistungen dem allgemeinen Zertifizierungstrend gefolgt und haben sich auf eigene Initiative oder auf Druck von außen (vom Kunden), nach DIN ISO 9001 oder DIN ISO 9002 zertifizieren lassen. Dies ist in den meisten Fällen unter erheblichen Anstrengungen und viel Zeitaufwand umgesetzt worden.
Die Dauer der Umsetzung eines solchen Projektes ist schwer zu bemessen, da es stark vom gesetzten Startpunkt abhängt: Bei Einführung der Qualitätssicherung oder erst bei dem Entschluss, Qualitätsmanagement (QM) nach DIN ISO zu betreiben und sich zertifizieren zu lassen. Nimmt man die Einführung von QM als Maßstab, dauert die Umsetzung des Projektes ISO-Zertifizierung mehrere Monate, je nach Größe des Unternehmens und der Komplexität der angebotenen Dienstleistung auch ein oder mehrere Jahr(e).
Wie bei jedem Projekt wird auch bei der Umsetzung der ISO-Zertifizierung ein Punkt gesetzt, an dem das Projekt abgeschlossen ist. Verständlicherweise ist dies im Fall der ISO-Zertifizierung die Ausstellung des Zertifikates durch den akkreditierten Zertifizierer. Doch was folgt danach? Erst jetzt beginnt die eigentliche Qualitätssicherung. Sie muss aus dem Projektstadium in den sogenannten Alltag, das Tagesgeschäft, überführt werden.
Je nach Struktur der Unternehmen bestehen unterschiedliche Schwierigkeiten bei der Umsetzung des QM-Projektes in den QM-Alltag. Während bei Kooperationen beispielsweise Qualitätsaudits und ein strenges Leistungsbeurteilungswesen als existentiell für die Zusammenarbeit und Weiterentwicklung des Systems betrachtet werden, müssen die kontinuierlichen internen Qualitätsaudits bei anderen Unternehmen als erste Schwierigkeit aufrecht erhalten werden. Andererseits ist es bei Kooperationen generell schwierig, QM unter verstärkter Einbeziehung der Mitarbeiter vor Ort zu betreiben, da neben der rein reisetechnischen Problematik noch die Tatsache berücksichtigt werden muss, dass die einzelnen Mitarbeiter letztendlich doch für unterschiedliche Unternehmen arbeiten.
Weiterentwicklung muss folgen
Eine weitere Problematik muss in dem Erhalt des Zertifikates selbst gesehen werden. Mit seiner Übergabe kann jedes Unternehmen einen Erfolg für sich und die Mitarbeiter verbuchen. Dies führt automatisch zu einer gewissen Zufriedenheit: „Wir haben es geschafft. Das Ziel ist erreicht.“ Aus diesem Stadium der Zufriedenheit muss man sich schnellstens weiterentwickeln, um nicht den Anschluss zu verpassen.
Die Beteiligten müssen erkennen, dass mit der Zertifizierung lediglich die erste Stufe erklommen ist. Die zweite Stufe benötigt jedoch nicht weniger Energie als die erste. Zwei Möglichkeiten bieten sich an: Zum einen kann man das Erreichte als Basis für kontinuierliche Weiterentwicklung nutzen, zum anderen lediglich die notwendigen Anpassungen vornehmen.
Alljährlich wiederkehrende Überwachungsaudits der Zertifizierer geben schnell Aufschluss darüber, wie QM betrieben wird. Fällt die Bewertung der Normelemente jedes Jahr gleich aus, bedeutet dies meist, dass Systemänderungen als solche zwar sauber dokumentiert werden und das QM-System entsprechend angepasst wird, es jedoch an einer aktiven Weiterentwicklung fehlt, bei der das QM die Basis beziehungsweise den Antrieb darstellt.
Erkennt man bei den jährlichen Überwachungsaudits eine positive Entwicklung, betreibt das Unternehmen QM, um Systemverbesserungen einzuleiten, sich weiterzuentwickeln und Änderungen frühzeitig einzuleiten, um der Konkurrenz vorauszueilen.
Qualitätsaudits als treibender Entwicklungsfaktor
Wie aber kann eine Weiterentwicklung des Systems als solches erreicht und QM gleichzeitig im Alltag etabliert werden? Wie bereits angesprochen, ist die naheliegende Lösung, das QM zum treibenden Faktor bei Weiterentwicklung zu machen. Dies kann auf zwei Ebenen passieren: auf der sehr strukturierten und festgelegten Ebene der internen Qualitätsaudits, und auf der Ebene der eher unstrukturierten Mitarbeiterkontakte.
Bei jedem internen Audit kommt es zu einer abschließenden Beurteilung. Diese hält sowohl die positiven Bereiche als auch die Schwachstellen fest. Im Anschluss daran werden Maßnahmen abgestimmt, die in einem gewissen Zeitrahmen umgesetzt werden müssen. Ziel ist es, die Schwachstellen zu beheben und die real erbrachte Qualität wieder an die in den QM-Dokumentationen fixierte anzupassen. Beschränkt sich der Prozess darauf, betreibt das Unternehmen genau die oben dargestellte Anpassung an den selbst gesetzten Standard, aber keine aktive Weiterentwicklung.
In diesem Moment kommt es in einem großen Maße auf die internen Auditoren und deren Know-how an. Ihnen obliegt die Verantwortung, bloße Anpassung in Weiterentwicklung umzuwandeln. Sie sollten erkennen können, in welchen Bereichen neue Entwicklungen zu einer Verbesserung der Gesamtqualität führen können. Sie sollten auch einschätzen können, in welchen Bereichen neue Abläufe entwickelt werden müssen, um die Gesamtqualität bei steigenden Mengen oder sich ändernden Anforderungen langfristig zu sichern. Werden Entwicklungsgebiete bei den internen Audits gesichtet, muss der verantwortliche Auditor selbständig reagieren. Er muss die Problematik beschreiben und entsprechende grundsätzliche Entwicklungsvorschläge oder -ideen an die entsprechenden Gremien des Unternehmens weiterleiten.
Dies führt zu einer engen Zusammenarbeit von QM und operativen Einheiten, da der Auditor bereits bei der Beschreibung des Umfangs der festgestellten Problematik massiv auf die Unterstützung und Information der operativen Einheiten angewiesen ist. Die oft bestehende Hemmschwelle dieser beiden Bereiche muss durchbrochen werden. Es ist grundlegend wichtig, dass das QM von der Operative nicht als Kontrollorgan angesehen wird, sondern sich das QM die Funktion eines kontinuierlichen Consultings im eigenen Unternehmen erarbeitet. Größtes Kompliment an einen QM von der Operative ist, wenn ein internes QM-Audit als das billigste und trotzdem beste Consulting betrachtet wird.
Mitarbeiterkontakte als treibender Entwicklungsfaktor
Neben der Fähigkeit der internen Auditoren, die Abläufe des Unternehmens auf der technischen Ebene zu verstehen, zu analysieren, zu bewerten und weiterzuentwickeln, müssen sie auch die Fähigkeit entwickeln, mit den betroffenen Mitarbeitern entsprechend umzugehen. Dies bedeutet, nicht nur zu erklären, warum ein Audit notwendig und sinnvoll ist, sondern immer mehr im Gespräch mit den Mitarbeitern deren Potentiale zu nutzen. Wer, wenn nicht der Mitarbeiter vor Ort, weiß am besten, wo Verbesserungen notwendig sind, wo bestehende Prozeduren an ihre Grenzen stoßen und wo sich Anforderungen ändern, die in operative Abläufe umgesetzt werden müssen.
Leider geben die betroffenen Mitarbeiter diese durchaus sinnvollen Beobachtungen und Ideen oftmals nicht an die Vorgesetzten weiter. Die Gründe hierfür sind vielfältig und liegen oft in der Kultur des Unternehmens begründet. Großunternehmen kreieren komplizierte Bonussysteme für Vorschläge von Neuentwicklungen und Verbesserungen, um diesen Zustand zu verbessern.
Der Auditor kann diesen Mangel an Unternehmenskultur kompensieren, wenn er das entsprechende Auftreten an den Tag legt. Zwei entscheidende Vorteile sind dabei auf seiner Seite. Die Mitarbeiter sehen ihn einerseits als neutrale Person, andererseits als jemand, der sich intensiv für ihre Tätigkeit und Arbeitsweise interessiert. Gewinnt der Auditor erst einmal das Vertrauen der Mitarbeiter, werden sie ihm schnell von ihren Erfahrungen, Bedenken, Frust, und so weiter berichten.
Aus der Vielzahl von Hinweisen und Ideen muss der Auditor nun die wichtigen und sinnvollen herausarbeiten und an die entsprechenden Stellen im Unternehmen weiterleiten. Damit treibt er die Entwicklungen voran und startet neue Projekte. Der Auditor darf dabei nicht vergessen, die Mitarbeiter über den Entwicklungszustand ihrer Ideen auf dem Laufenden zu halten.
Abschließend ist festzustellen: QM kann eine sinnvolle Prüfeinheit, im Idealfall sogar der Motor für Weiterentwicklungen eines Unternehmens sein. Es kann sich dadurch langfristig erfolgreich am Markt etablieren und den notwendigen qualitativen Vorsprung vor der Konkurrenz erarbeiten. Die Ausschöpfung aller Potentiale des QM hängt jedoch entscheidend von den verantwortlichen Persönlichkeiten sowie der Art und Weise, wie QM im Unternehmen verstanden wird, ab.
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