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Ausrichtung unklar

Bezugssystem mit zwei Mittelpunkten
Ausrichtung unklar

Lagetoleranzen sind heute aus technischen Zeichnungen nicht mehr wegzudenken. Ihr großer Vorzug besteht darin, die Bezüge, das Bezugssystem und die tolerierten Elemente eindeutig und unmissverständlich in die Zeichnung einzutragen. Grundlage sind die Normen DIN EN ISO 1101, DIN EN ISO 5458 und DIN EN ISO 5459.

Häufig werden Bezugssysteme verwendet, bei denen zunächst eine Ebene als primärer Bezug, ein Mittelpunkt als sekundärer Bezug und ein zweiter Mittelpunkt als tertiärer Bezug definiert werden (Bild 1).

Das Bezugssystem ABC kann für alle Lagetoleranzen verwendet werden: Die Ebene A bestimmt die Hauptrichtung und den Koordinatennullpunkt senkrecht zur Zeichenebene. Der Bezug B bestimmt die zwei Koordinatennullpunkte in der Zeichenebene und der Bezug C die Nebenrichtung, den dritten Winkel in der Zeichenebene.
Die Eintragung erscheint eindeutig, ist es jedoch nicht. Der Bezug C weicht nämlich immer von seiner Sollposition ab (Bild 2).
In welcher Richtung die Abweichung auftritt, hängt von der gewählten Ausrichtung ab. Eine übliche Interpretation der Zeichnung ist, das Bezugssystem relativ zu der Verbindungsgeraden zwischen den beiden Bohrungen auszurichten. Dafür wird zunächst aus den beiden theoretischen Maßen 70 und 100 der theoretische Winkel berechnet und dann das Bezugssystem um diesen Winkel gedreht. Die Abweichung des Bohrungsabstandes von seinem theoretischen Wert wird so entsprechend dem Längenverhältnis der beiden Winkelschenkel auf die beiden Koordinaten aufgeteilt.
Die Zeichnung im Bild 1 gibt jedoch diese Ausrichtung gar nicht vor. Wenn der theoretische Winkel gemeint wäre, müsste er auch in der Zeichnung eingetragen sein (Bild 3). Die Sollposition ist dann mit dem theoretischen Winkel 35° und dem theoretischen Maß 122,066 eindeutig bestimmt.
Das entspricht dem Fall, dass der Bezug C als Langloch mit Orientierung auf den Bezug B ausgeführt ist. In der Funktion werden vom Bezug C nur die beiden Längsseiten des Langloches wirksam, an denen das Gegenstück anliegt. Die beiden Rundungen haben keine Bedeutung, wenn das Langloch lang genug ist. Dann gilt für den Abstand die Allgemeintoleranz für Längenmaße. Alternativ kann eine Positionstoleranz wie im Bild 3 eingetragen werden. Die beiden Längsseiten und die beiden Rundungen des Langloches haben also voneinander unabhängige Funktionen: Erstere gehören zum Bezugssystem, letztere können in ihrer Lage vom Bezugssystem abweichen.
Ist der Bezug C eine Bohrung, ist das Gegenstück zweckmäßig ein Schwertstift, der wie im Bild 3 orientiert ist. Er erfüllt dann dieselbe Funktion wie das Langloch.
Wenn das Bezugssystem nach einem der beiden theoretischen Maße im Bild 1 ausgerichtet wird, weichen die zweite Koordinate und der Winkel von den theoretischen Werten ab. Wegen der kleineren Messunsicherheit wird empfohlen, immer nach dem kleineren theoretischen Maß auszurichten, das an dem längeren Winkelschenkel eingetragen ist, siehe Bild 4. Das Bezugssystem ist hier gegenüber der Ausrichtung nach dem theoretischen Winkel im Bild 2 gedreht. Die horizontale Koordinate weicht jetzt um 0,149 von dem theoretischen Maß 100 ab, und der Winkel beträgt rund 34,95°.
In die Zeichnung wird im Gegensatz zu Bild 1 nur das theoretische Maß 70 eingetragen und das Maß 100 nach DIN 406 Teil 11 wie im Bild 4 als Hilfsmaß in Klammern. Es hat keine Toleranz und auch keine Allgemeintoleranz, da für die Position keine festgelegt sind. Das ist nicht immer befriedigend. Um die Lageabweichung in der horizontalen Koordinate zu begrenzen, muss zusätzlich eine Positionstoleranz eingetragen werden (Bild 5).
Das theoretische Maß 100 gibt wie im Bild 1 die Sollposition der horizontalen Koordinate an. Der Unterschied: Im Bild 5 ist anhand der horizontalen Stellung des Maßpfeiles für den Bohrungsdurchmesser die Toleranzrichtung erkennbar. Im Umkehrschluss ergibt sich, dass das Bezugssystem vorher mit der Mitte des Bezuges C auf das theoretische Maß 70 ausgerichtet werden muss. Die beiden Mittelpunktkoordinaten haben also – wie Bild 3 Radius und Winkel – zwei voneinander unabhängige Funktionen: Das theoretische Maß 70 für den Bezug C gehört zum Bezugssystem. Das theoretische Maß 100 beschreibt die Sollposition der horizontalen Koordinate in diesem Bezugssystem. Die Abweichung wird durch die horizontale Positionstoleranz begrenzt.
Diese Ausrichtung entspricht einem Langloch beziehungsweise einem Schwertstift als Gegenstück mit der Orientierung wie im Bild 5. Werden Maßpfeil und Positionstoleranz um 90° gedreht eingetragen, entspricht das der Ausrichtung nach dem theoretischen Maß 100. Dann weicht die vertikale Bohrungsposition vom theoretischen Maß 70 um +0,213 mm ab, und der Winkel ist rund 35,07°. Diese Ausrichtung wird wegen der höheren Messunsicherheit jedoch nicht empfohlen. ■
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