Startseite » Allgemein »

Balanced Scorecard

Navigationsinstrument für die Unternehmensstrategie
Balanced Scorecard

In Zeiten des globalen Turbokapitalismus wird der Ruf nach Strategierezepten lauter. Managementautoren und Berater unterbreiten ihre Offerten wie Qualitäts-, Prozess-, Wissensmanagement, Kunden- und Kernkompetenzorientierung, Empowerment, je nachdem, was gerade Mode ist. Diese Konzepte sind zwar wirksam, aber sie könnten noch viel wirksamer sein, wenn man sie in ein strategisches Gesamtkonzept einbinden und sie mit finanzwirtschaftlichen Zielen koppeln würde.

Prof. Dr. Walter Simon, Wirtschaftstrainer und -berater, IPW-Business Training University Bad Nauheim

Hier setzt die Balanced Scorecard (ausgewogene Anzeigentafel) an. Dieses Instrument entstand aus dem Bedürfnis nach einem neuen Kennzahlenverständnis, bei dem neben monetären auch nicht-monetäre Aspekte berücksichtigt werden. Die Wirtschaft suchte nach einem Steuerungssystem, das schnelles und flexibles Handeln ermöglicht, indem strategische Ziele mit Kennzahlen und Maßnahmen verknüpft und kommuniziert werden.
Treibende Faktoren zukünftiger Leistungen
Zur Führung eines Unternehmens in der Zukunft reicht es nicht, finanzielle Größen und Kennzahlen zu nutzen, die sich auf vergangene Leistungen beziehen. Finanzielle Kennzahlen sagen nichts darüber aus, was jetzt getan werden muss. Darum interessiert sich die Balanced Scorecard (BSC) für die treibenden Faktoren zukünftiger Leistungen. Diese Leistungstreiber sind Zahlen, die Bewegung auslösen. Sie sind Voraussetzung für die Ergebnis-Kennzahlen. Bei Ergebniszahlen ohne Nennung der Leistungstreiber bleibt unklar, wie man zu dem Ergebnis kommt. Andererseits geben Leistungstreiber für sich allein stehend keine Auskunft über die Wirkung der Maßnahmen auf das Unternehmensergebnis. Eine gute BSC besteht aus diagnostischen Ergebniszahlen und strategischen Zielzahlen. Aufgrund ihres Anspruchs der Ausgewogenheit zwingt sie den Anwender ein Gleichgewicht zwischen finanziellen und nichtfinanziellen Kennzahlen, kurzfristigen und langfristigen Zielen, Früh- und Spätindikatoren sowie interner und externer Sichtweise herzustellen.
Die BSC bietet dem Management ein Handlungs- und Steuerungsinstrument, mit dem die Unternehmensvision in ein geschlossenes Strategie-, Ziele- und Maßnahmebündel gegossen wird. Damit füllt sie eine Lücke, die in den meisten Managementsystemen klafft, nämlich der Mangel an Systematik zur Realisierung von Strategien. BSC versteht sich in erster Linie als Mechanismus zur Strategieumsetzung, weniger zur Strategieformulierung.
Strategische Hauptrichtungen
Die BSC hat vier strategische Hauptrichtungen: Finanzen, Kunden, Prozesse und Innovationen. Diese vier Richtungen können je nach Unternehmenssituation erweitert oder auch reduziert werden. Zu jeder Strategieperspektive werden maximal 4 bis 7 Haupt- und Nebenziele mit Kennzahlen sowie die dazugehörigen konkreten Maßnahmen beschlossen. Vision, Strategie, Ziele und Maßnahmen sind hier fest miteinander verknüpft. In einer Ursache-Wirkungsbeziehung werden auch die vier Strategiefelder verbunden. BSC geht von einem Kausalzusammenhang zwischen Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit, Kundentreue, Marktanteil sowie wirtschaftlichen Erfolg aus.Beispiel: Will ein Unternehmen seine Kapitalrendite steigern, setzt das eine Reihe von Maßnahmen im Kundenbereich voraus. Diese sind aber an vorgelagerte Aktionen im Bereich der Prozesse gebunden, die sich ihrerseits aus Verbesserungen im Human Resources Bereich ergeben. So entsteht eine kettenähnliche Wenn-Dann-Struktur, die in Ziele und Maßnahmen aufgegliedert ist. Maßnahmen und Zahlen, die nichts darüber aussagen, ob ein Ziel erreicht wird, sind aus dem Kennzahlenprofil zu streichen.
Finanzwirtschaftliche Perspektive
Die finanzwirtschaftlichen Ziele spielen eine Doppelrolle im BSC-Konzept. Sie definieren einerseits die finanzielle Leistung, die von der Unternehmensstrategie erwartet wird. Andererseits dienen sie als Fokus für die Ziele und Kennzahlen aller anderen Scorecard-Perspektiven.
Die finanzwirtschaftlichen Ziele orientieren sich in der Regel an den Interessen der Kapitalgeber. Die wichtigsten Bezugsgrößen sind ROI, Kostensenkung, Unternehmenswert oder Cash Flow, Aktienkurs, Deckungsbeitrag. Mögliche Leistungstreiber wären: Zahlungsausfälle abbauen, Lagerdauer und Bezahlungslänge verkürzen. Finanzielle Kennzahlen für sich allein sagen wenig darüber aus, was jetzt oder in Zukunft für die Wertschöpfung getan werden muss. Unter dem Druck, kurzfristige Finanzleistungen zu erbringen, vernachlässigen viele Unternehmen die Förderung der immateriellen beziehungsweise intellektuellen Vermögenswerte, die zukünftiges Wachstum ermöglichen.
Kundenperspektive
In der Kundenperspektive geht es darum, jene Kunden- und Marktsegmente zu identifizieren, in denen das Unternehmen wettbewerbsfähig sein will. Die Kundenzufriedenheit gilt dabei als Voraussetzung rentabler Beziehungen zu den Geschäftspartnern. Das setzt gute Produkte und Dienstleistungen voraus. Mögliche Kennzahlen sind: Marktanteil, Kundentreue, Kundenakquisition, Kundenzufriedenheit und Kundenrentabilität. Diese entwickeln sich aber nur dann positiv, wenn unter anderem diese Leistungstreiber genutzt werden: Qualität, Service, Image, Geschwindigkeit.
Lern- und Entwicklungs-perspektive
Will ein Unternehmen sein heutiges Leistungsvermögen steigern, muss es sich entwickeln. Dabei orientiert sich BSC an der Idee der lernenden Organisation. Vor allem will BSC die Ideenproduktion an der Basis ankurbeln, weil man dort viel direkter mit internen Prozessen und den Kunden zu tun hat. Die „BSC-Apostel“ sehen in diesen drei Bereichen die treibenden Faktoren: Weiterbildung, IT-Nutzung und Motivation/Empowerment/Zielausrichtung.
Einige der möglichen Kennzahlen im Rahmen dieser Perspektive sind Mitarbeiterzufriedenheit, -treue und -produktivität. Die Leistungstreiber hierzu sind unter anderem Weiterbildung, IT-Nutzung, Verbesserungsvorschläge, Motivation.
Interne Prozessperspektive
Die Prozessperspektive soll kritische Punkte identifizieren, die verbessert werden müssen. Dabei sollten diejenigen Prozesse fokussiert werden, die den größten Einfluss auf die Kundenzufriedenheit und die Zielerreichung haben.
Denkbar ist aber auch, dass völlig neue Prozesse identifiziert werden, die optimale Kundenzufriedenheit erzeugen. Hier geht es um die Verbesserung von Abläufen. BSC will in Anlehnung an das moderne Prozessmanagement den Gesamtprozess optimieren, nicht aber einzelne Abteilungen. Der Gesamtprozess wird unterschieden in 1. Innovationsprozesse, 2. Betriebsprozesse und 3. Kundendienstprozesse.
Mögliche Kennzahlenbereiche sind Materialnutzung, Nacharbeit, Reklamationen, Erfindungen. Die relevanten Leistungstreiber sind unter anderem Abbau von Fehlern und Umsetzungsdauer von Innovationen.
BSC als Navigations-instrument
Die Erarbeitung und Einführung der BSC erfolgt so wie bei Organisationsentwicklungs- beziehungsweise Change-Management-Prozessen üblich, diskussionsaktiv, kooperativ oder partizipativ, um den Unternehmens-IQ voll zu nutzen und Akzeptanz herzustellen.
Es stellt sich abschließend die Frage, ob Strategiemodelle der verschiedenartigsten Provenienz im Zeitalter der Kurzlebigkeit noch brauchbar sind. In einer Zeit, in der die Produktentwicklung und die Produktlebenszyklen kurz und kürzer werden, in der neue Technologien im Stunden- und Tagestakt entstehen, in der Markt- und Ländergrenzen verschwinden, Branchen verschmelzen (z. B. Supermarkt + Tankstelle) und sich Manager schon mit Samuraiprinzipien beschäftigen, können es sich Unternehmen immer weniger leisten, Fünf- bis Zehnjahrespläne mit akribisch genauen Meilensteinen auszustellen. Für die BSC folgt hieraus, sie im Sinne eines Double-Loop-Lernens flexibel anzuwenden. Unternehmen brauchen eine dynamische Strategie, bei der die Feinabstimmung der Reflexe sowie die Suche und der Aufbau temporärer Chancen im Mittelpunkt stehen. BSC kann hierbei helfen, aber nur dann, wenn sie nicht als strategisches Dogma sondern als Navigationsinstrument genutzt wird.
Weitere Informationen A QE 301
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Quality Engineering
Titelbild QUALITY ENGINEERING Control Express 1
Ausgabe
Control Express 1.2024
LESEN
ABO
Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Whitepaper zum Thema QS


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de