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Das richtige Maß senkt die Kosten

Normgerechte Produktspezifizierung durch dimensionelle und geometrische Toleranzen
Das richtige Maß senkt die Kosten

Das richtige Maß senkt die Kosten
Bemaßtes und toleriertes Werkstück gemäß Geometrischer Produkt-Spezifizierung Bild: Klein Professor Bernd Klein, beratender Ingenieur, Inhaber des Lehrstuhls für Leichtbau-Konstruktion an der Universität Kassel
Unbemerkt von vielen Unternehmen ist in den vergangenen Jahren die Geometrische Produktspezifizierung (GPS) zur Definition von Werkstückgeometrien und -eigenschaften eingeführt worden. Dies hat zu erheblichen Normenanpassungen und -neuerungen geführt. Die Verantwortlichen in den Firmen müssen sich nun aktiv mit der aktuellen Situation auseinandersetzen.

Eine Produktentwicklung besteht aus kreativen und formalen Phasen, die etwa 70 Prozent der Herstellkosten von vornherein festlegen. Insbesondere bedarf eine wirtschaftliche Fertigung formal richtiger Zeichnungen. Hierzu gehört eine eindeutige Darstellung, die Vergabe von Längenmaßen und Toleranzen sowie die Festlegung von Oberflächengüten. Zeichnungen beinhalten somit das spezielle Produkt-Know-how eines Unternehmens.

Ausgelöst durch die Möglichkeiten des CAD, der CNC-Fertigung und der digitalen Messtechnik wurde das übergeordnete System der Geometrischen Produkt-Spezifizierung (siehe DINV ENV13005 bzw. ISO 17450) geschaffen, welches höchstmögliche Exaktheit in der Geometriebeschreibung verlangt. Gleichzeitig verdeutlicht das GPS-System auch die Stufen der Produktrealisierung und die somit erforderlichen Umsetzungsstufen.
Unabhängigkeitsprinzip gilt überall
Um im Stadium der Realisierung eine Entscheidung über die Qualitätsgerechtheit eines Werkstückes treffen zu können, bedarf es zunächst der Vereinbarung eines Tolerierungsgrundsatzes. Nach dem zu Beginn des Jahres 2012 der nationale deutsche Grundsatz des Hüllprinzips (alte DIN 7167) für ungültig erklärt wurde, gilt national und international das Unabhängigkeitsprinzip (siehe ISO 8015:2011). Dies besagt, dass jede an einem Werkstück angetragene Toleranz unabhängig ist und somit getrennt nachgewiesen werden muss, falls nicht eine besondere Beziehung über eine Materialbedingung (ISO 2692) gewünscht wird. Hiervon betroffen sind Maßtoleranzen und deren zusammen wirken mit Form- und Lagetoleranzen (siehe ISO 1101:2012).
Gleichzeitig wurde der Komplex der Maßtoleranzen mit der ISO-Norm 14405 neu geregelt. Somit muss heute grundsätzlich bei der Werkstücktolerierung in Größenmaße (ISO 14405–1:2011) und in Nicht-Größenmaße (ISO 14405–2:2012) unterschieden werden.
Dies war notwendig, da bisher in der Normung nicht geregelt war, wie und wo ein Maß für einen messtechnischen Nachweis abzugreifen ist. Die meisten Maßangaben können nämlich nicht eindeutig nachgewiesen werden und insofern tatsächlich inter-pretierbar.
Hülle wird extra vereinbart
Nur Größenmaße (Durchmesserangaben, Weiten und Breiten, oder Kegel- beziehungsweise Keilwinkel) dürfen mit Plus-Minus-Toleranzen versehen werden und sind mittels einer Zweipunktmessung nachzuweisen. Hierunter fallen auch Maße die mit einer ISO-Codeangabe (z.B. H7) ausgewiesen sind. Falls eine Passfunktion zu erfüllen ist, muss zusätzlich zum ISO-Code eine Hülle mittels der Zusatzangabe Envelope extra vereinbart werden. Diese ist dann mit einer Lehrung verbunden.
Hiervon abzugrenzen sind Nicht-Größenmaße (lineare oder winklige Mittenabstände, Stufenmaße, Radien und Maße zur Festlegung von unregelmäßigen Profilformen), welche durch geometrische Toleranzen einzugrenzen sind.
15 Toleranzarten
Der Komplex der geometrischen Toleranzen (ISO 1101:2012) ist in 15 Toleranzarten unterteilt, welche die Abweichungen von Geometrieelementen (das heißt von ihrer Form, Richtung, Ort und Lauf) beschreiben. Form- und Lagetoleranzen fallen in die Gruppe der Zufallsabweichungen. Sie sind insofern nicht verhinderbar, sondern treten bei jedem Fertigungsverfahren mehr oder weniger ausgeprägt auf.
Der messtechnische Nachweis hat nach der so genannten Minimumbedingung zu erfolgen. Diese definiert, dass die kleinste erfasste Soll-Ist-Abweichung als Vergleichsnormal heranzuziehen ist. Wenn diese Abweichung größer als die Toleranz ist, die vorgegeben wurde, muss das Werkstück verworfen werden.
Für die Entscheidung ob ein Werkstück letztlich zeichnungsgerecht hergestellt wurde, ist der Zusammenhang zwischen der dimensionellen und geometrischen Toleranz entscheidend. Das zuvor erwähnte Unabhängigkeitsprinzip lässt insofern zu, dass ein Werkstück sein Maximum-Material-Maß einnehmen kann und gleichzeitig noch seine Form- und Lagetoleranz voll ausschöpfen darf. Die maßliche Situation stellt sich insofern anders da, als beim bekannten Hüllprinzip, welches bisher in Deutschland gebräuchlich war.
Falls aus funktionellen Gründen dennoch eine Hülle benötigt wird, lässt sich diese über die ISO 14405–1vereinbaren. Eine Hülle begrenzt hiernach die Abweichungen von der Rundheit oder von zwei gegenüberliegenden parallelen Flächen und ermöglicht somit erst eine Passfunktion.
Um auch hier Einfluss auf die Kosten nehmen zu können, kann sinnvoll noch die Maximum-Material-Bedingung genutzt werden. Diese lässt ein Überschreiten einer Form- und Lagetoleranz zu, um den Betrag der nicht ausgenutzten Maßtoleranz. Die Verantwortlichen in den Unternehmen sollten sich mit der Maß- und Geometrietolerierung auseinandersetzen, da Toleranzen einen weiten Einfluss auf die Funktionalität, Kosten und Qualität haben. In einer Untersuchung wurde festgestellt, dass sich mittels einer toleranzgerechten Werkstückbeschreibung die reinen Fertigungskosten um etwa sieben bis zehn Prozent reduzieren lassen.
AfQ Akademie für Qualitätssicherung, Altdorf www.afq-taw.de
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