Viele unserer Kunden haben im Juli 2005 stark schlucken müssen – aufgeschreckt durch einen Artikel, in dem die Zahl der steigenden Zertifizierungen nach DIN EN ISO 9000 in einen Zusammenhang mit den gleichermaßen gestiegenen Rückrufen gebracht wurden. War demnach die ganze Arbeit im Qualitätsmanagement umsonst? Konnte man fast meinen, erst durch das Qualitätsmanagement stiegen die Produkthaftungsrisiken? Wir sind wie unsere Kunden der Meinung: das Gegenteil ist der Fall.
Die oben aufgestellte Behauptung ist vergleichbar mit folgender: Weil mehr Ärzte zugelassen sind, sind mehr Menschen krank.
Qualitätsmanagement insgesamt ist ein wichtiges Instrument zur Reduzierung von Produkthaftungsrisiken. Qualitätsmanagement – Systeme geben Unternehmen erst die Instrumente an die Hand, um Produktrisiken zu erkennen und zu minimieren. Die sich aus einem – gelebten – Qualitätsmanagement – System ergebenden Dokumentationen bieten Hilfestellungen in jedem Produkthaftungsprozess. Sowohl gegenüber der Staatsanwaltschaft als auch in einem Zivilverfahren sind die Unternehmen nämlich gezwungen, entlastendes Material vorzulegen.
Beweislastumkehr
Im Zivilverfahren ist hierfür die von der Rechtsprechung entwickelte Beweislastumkehr verantwortlich:
• Ist eine Person durch ein Produkt verletzt worden, muss das Herstellerunternehmen darlegen und beweisen, dass die Organisation keinen Fehler gemacht hat.
• Ohne umfangreiches, systematisches und gelebtes Qualitätsmanagement ist das nicht möglich.
Grundsätzlich macht also ein gelebtes Qualitätsmanagement – System rechtlich sehr viel Sinn.
Die Verfahrensanweisungen und Arbeitsanweisungen geben in einem Produkthaftungsfall die Möglichkeit, sich vor Gericht zu verteidigen. Solche Dokumentationen sind nun einmal auch Ergebnis eines Qualitätsmanagement-Systems.
Wie ist das nun mit den Produktrückrufen? Treibt ein funktionierendes Qualitätsmanagement – System Unternehmen in immer häufigere Produktrückrufe?
Frühe Fehlerentdeckung verhindert größere Schäden
Dazu muss man sich klar machen, dass ein Rückruf im Ergebnis das mildeste Ergebnis eines Produktfehlers ist. Es hätte ja auch zu einem Produktschaden führen können. Der Rückruf ist also präventiv. Wenn ein Qualitätsmanagement – System also sicherstellt, dass Fehler zu einem frühen Zeitpunkt entdeckt werden und das Produkt noch rechtzeitig zurückgerufen werden kann, ist das ein positives Ergebnis. In früheren Zeiten haben solche Produktfehler zumeist zum Eintritt eines Schadens geführt, dessen sollte man sich klar bewusst sein. Im Übrigen schädigt auch nicht jeder Produktrückruf auf Jahre das Unternehmensimage. Wenn ein Rückruf gut vorbereitet ist, das Unternehmen offen kommuniziert, was passiert, kann es zu gegenteiligen Effekten kommen – Umsätze steigen, die Marke wird bekannter als vorher und positiv wahrgenommen. Dabei kommt es darauf an, wie gut Unternehmen ihr Risikomanagement organisiert haben.
Folgerung
Wer ein funktionierendes Qualitätsmanagement – System hat, kann auch hier einen guten Beitrag leisten. In einem hat der Beitrag des Kollegen, der hier behandelt wird, allerdings Recht: Gute Qualität hat zunächst einmal nichts mit Qualitätsmanagement zu tun – wenn sie nicht gelebt wird.
DER AUTOR
Philipp Reusch, teras Rechtsanwälte, Saarbrücken
Teilen: