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Defekte erkennen

Zeilenkamera-Prüfsystem - interaktiv konfiguriert
Defekte erkennen

Dieser Beitrag stellt ein optisches Prüfsystem für Vermessung und Oberflächenkontrolle eines sicherheitskritischen Bauteils aus der Automobilindustrie vor. Obwohl die Geometrie des Bauteils die Verwendung einer Zeilenkamera erfordert, konnte das Prüfsystem ohne Programmierung mit Hilfe einer frei konfigurierbaren Bildverarbeitungssoftware auf der Basis von Standard-Hardware aufgebaut werden.

Der Automobilbau spielt aufgrund der Sicherheitsanforderungen, seit jeher eine Vorreiterrolle im Bereich der Qualitätskontrolle. Dies gilt ebenso für die Zulieferindustrie, insbesondere da diese heute in zunehmendem Maße vollständige, komplexe Baugruppen bereitstellt, deren Einzelteile auf einwandfreie Qualität und korrekte Montage geprüft werden müssen. Es ist daher kein Zufall, dass digitale Bildverarbeitung hier bereits sehr frühzeitig eingesetzt wurde und sich heute als Standardwerkzeug für die 100%-Kontrolle von Erzeugnissen etabliert hat. Der Einsatzbereich der optischen Qualitätskontrolle hat sich in den letzten Jahren wesentlich erweitert. Diese Entwicklung ist einerseits auf sinkende Kosten bei gleichzeitig steigender Leistungsfähigkeit zurückzuführen, andererseits auf erhebliche Verbesserungen der Bedienerfreundlichkeit. Wie die hier vorgestellte Prüfanlage zeigt, kommen diese Verbesserungen nunmehr auch im Bereich von Zeilenkamera-Anwendungen zum Tragen, die Anwender und Programmierer bislang vor die größten Probleme stellten. Die Anlage wurde von der DS GmbH auf der Basis des Softwarepakets NeuroCheck realisiert, das als Standardwerkzeug für die industrielle Bildverarbeitung weltweit erhältlich ist.

Prüfaufgabe
Bei den Prüfteilen handelt es sich um Ventilkörper für Servolenkungen. Eine Vielzahl von Kriterien entscheidet über die Qualität der Bauteile; entsprechend vielfältig sind die anfallenden Prüfaufgaben. Hier sollen exemplarisch zwei dieser Kriterien und die zugehörigen Prüfungen beschrieben werden:
– In den gedrehten Einstichen befinden sich Bohrungen, durch die das Hydrauliköl zwischen Ventilkörper und Regelbuchse der Servolenkung hindurchfließt. Zur Sicherstellung eines einwandfreien Ölflusses in der Lenkung muss die vorgeschriebene Anzahl von Bohrungen der korrekten Größe an den richtigen Positionen vorhanden sein.
– Die erhabenen Laufflächen zwischen den Einstichen müssen für leichten Lauf des Ventilkörpers absolut glatt sein, zugleich auch den Ölfluss innerhalb der Einstiche abdichten. Daher dürfen diese Laufflächen weder Vertiefungen enthalten, die die Dichtung beeinträchtigen könnten, noch Rauhigkeiten, die die Laufeigenschaften verschlechtern.
Aufbau
Eine vollständige Prüfung der Bauteiloberfläche erfordert aufgrund der zylindrischen Form eine Aufnahme des rotierenden Prüfteils mit einer Zeilenkamera. Zur Erzielung höchstmöglicher Auflösung und Bildqualität wird eine digitale Zeilenkamera eingesetzt.
Die gesamte Auswertung ebenso wie die Kommunikation mit der SPS über digitale Ein- und Ausgänge geschieht mit NeuroCheck auf je einem Industrie-PC pro Linie. Neben der Realisierung des Handshakes zwischen Bildverarbeitungssystem und SPS sowie der Meldung der Prüfergebnisse dienen die Digitalausgänge auch zur Steuerung der Beleuchtung. Es zeigte sich in Vorversuchen, dass sich verschiedene Typen von Oberflächendefekten nur unter verschiedenen Beleuchtungsbedingungen identifizieren lassen. Die Prüfung erfordert daher zwei Bildaufnahmen, zwischen denen die Beleuchtung umgeschaltet werden muss.
Zwischen den verschiedenen Beleuchtungsszenarien wird direkt aus der Auswertesoftware heraus mittels digitaler Ausgänge umgeschaltet. Die Hellfeldbeleuchtung wurde mit einer Flächenleuchte aus Leuchtstoffröhren mit Hochfrequenzvorschaltgeräten realisiert. Zur Vermeidung übermäßigen Verschleißes werden die Röhren nicht geschaltet, sondern durch eine schwenkbare Blende abgedeckt. Für die Dunkelfeldbeleuchtung wurde eine Kaltlichtquelle mit einem Linienprojektor verwendet.
Die Prüfung besteht aus mehreren Teilabschnitten. Zu Beginn werden die beiden Zeilenkamera-Aufnahmen durchgeführt und in der internen Bildablage zur späteren Verarbeitung gespeichert. Vor jeder Aufnahme wird die Beleuchtung über Digitalsignale umgeschaltet. Danach werden die Bohrungen geprüft, dann die Oberflächenfehler unter beiden Beleuchtungen. Außerdem wird noch ein Teilbereich der Oberfläche auf Rattermarken untersucht und die geprägte Schrift gelesen. Alle diese Prüfungen erfolgen ohne eine weitere Bildaufnahme, d. h. nach Ablauf der Startaktionen mit den beiden Bildaufnahmen kann das Teil bereits weitertransportiert und das nächste Teil in der Anlage eingespannt werden. Damit kann ein Großteil der Handlingzeit für die Durchführung der eigentlichen Bildverarbeitungsberechnungen genutzt werden.
Prüfung der Bohrungen
Für die Prüfung der Bohrungen in der Hellfeld-Aufnahme ist exakte Positionierung von großer Wichtigkeit. Die Bohrungen liegen teilweise sehr dicht an den Kanten der Einstiche, die sich schwarz im Bild abzeichnen, so dass die Gefahr einer Verschmelzung zwischen Bohrungen und Kanten besteht. Daher wird zunächst das charakteristische Dreiermuster der Bohrungen zwischen den dunklen Kanten als horizontale Positionsreferenz gesucht. Da sich das Erscheinungsbild dieses Musters je nach Oberflächenqualität verändern kann, werden mehrere Suchmuster verwendet, die in NeuroCheck jederzeit interaktiv ergänzt oder bearbeitet werden können. Man sieht deutlich die Auswirkung leicht unterschiedlicher Oberflächenqualitäten auf die Reflexionseigenschaften. Durch die automatische Optimierung der Muster anhand signifikanter Bereiche kann dennoch eine sichere Detektierung mit Korrelationskoeffizienten deutlich über 0,9 gewährleistet werden.
Anhand der horizontalen Position dieses Musters aus Bohrungen und Kanten werden Suchbereiche positioniert, die gerade innerhalb der schwarzen Kanten verlaufen. Innerhalb dieser Suchbereiche wird nach dunklen Objekten gesucht. Nach Beseitigung kleiner Störobjekte wird geprüft, ob beschädigte, d.h. ausgefranste Bohrlöcher vorhanden sind. Falls nicht, wird geprüft, ob in jedem Einstich die geforderte Anzahl dunkler Objekte der korrekten Größe vorliegt. Schließlich werden die Abstände aufeinanderfolgender Bohrlöcher überprüft.
Prüfung auf Oberflächendefekte
Oben wurde erwähnt, dass die Oberflächenqualität der Laufflächen einerseits durch kleine Lunker, andererseits durch flächenmäßig ausgedehnte Rauhigkeiten, wie beispielsweise Flugrost, beeinträchtigt werden kann. Diese beiden Fehlertypen lassen sich nur unter verschiedenartigen, optimierten Beleuchtungen prüfen.
Prüfung auf kleine Defekte
Kleine, lokal begrenzte Defekte wie Kratzer und Lunker in der Oberfläche treten in der Dunkelfeld-Aufnahme hell hervor. Die unvermeidlichen Mikrodefekte werden durch eine Glättungsfilterung beseitigt.
Danach werden die eigentlichen Defekte mittels eines Kontrastfilters verstärkt und dilatiert. Dadurch vergrößert sich ihre Fläche, so dass sie sicherer detektiert werden können.
In diesem gefilterten Bild können dann kompakte helle Objekte eines bestimmten Größenbereichs als Defekte identifiziert werden.
Prüfung auf ausgedehnte Beeinträchtigungen
Gelegentlich kann es dazu kommen, dass die Laufflächen durch Drehfehler oder Flugrost und andere Verunreinigungen in ihrer Qualität beeinträchtigt werden und nachgearbeitet werden müssen. Diese Fehler können anhand von Dunkelflächen in den Hellfeldaufnahmen identifiziert werden.
In diesem Abschnitt des Prüfprogramms traten zwei Hauptproblemfelder auf: die Untersuchung der sehr schmalen Dichtlaufflächen zwischen den Einstichen mit den Bohrungen und das Vorkommen von Wasserflecken aufgrund der vorherigen Reinigung der Teile.
Zur Prüfung der schmalen Laufflächen wurde eine mehrstufige Positionierung verwendet, die zunächst wie zuvor von dem charakteristischen Bohrungsmuster ausgeht und sich dann weiter an den Kanten der Einstiche orientiert. Die Problematik der Wasserflecken konnte mit Hilfe der flexiblen Merkmalsfilterung in NeuroCheck gelöst werden: Die Wasserflecken haben aufgrund der Trocknung durch Anblasen mit Heißluft eine charakteristische schmale, langgestreckte Form, die sich von den typischen Beschädigungen der Oberfläche deutlich unterscheidet. Anhand verschiedener Formmerkmale wie Dimensionen, Fläche, Kompaktheit, Faserlänge und -breite, können diese Wasserflecken von den relevanten Beschädigungen unterschieden werden.
Ergebnisse
Die Flexibilität der eingesetzten Bildverarbeitungssoftware NeuroCheck war sicherlich der entscheidende Faktor bei der Realisierung dieser Prüfanlage. Bei einem Hersteller derartiger Zulieferteile fallen sehr viele verschiedenartige Prüfaufgaben an, die sich durch Variationen im Teilespektrum auch kurzfristig ändern können. Die Entscheidung für den Einsatz automatisierter Sichtprüfung zieht natürlich neben der eigentlichen Anlageninvestition noch gewisse Kosten nach sich: Personal muss geschult werden, Anlagen müssen gepflegt, umgerüstet, erweitert werden usw. Nur mit einem vielseitig verwendbaren, flexiblen System, das auf leicht austauschbaren Standardkomponenten beruht, sind nachhaltig kostengünstige Lösungen möglich. Diese Vorteile sind im Falle von NeuroCheck einerseits dadurch gegeben, dass es sich um ein frei konfigurierbares System handelt, in dem ohne Programmierung „per Mausklick“ Prüfaufgaben ganz verschiedenen Typs gelöst werden können. Man muss Personal also nur einmal für die Bedienung des Systems schulen, auch wenn Sichtprüfanlagen für Vollständigkeitskontrolle, Maßprüfung und Schrifterkennung benötigt werden. Andererseits ist durch PC und Windows 9x/NT als Hardware- und Betriebssystembasis volle Investitionssicherheit gegeben.
Die Flexibilität des Systems war ebenfalls von großer Wichtigkeit während der Realisierung und Inbetriebnahme des Systems. Typenerweiterungen waren durch die freie Konfigurierbarkeit leicht zu realisieren, ebenso wie die Einbeziehung einer Typunterscheidung anhand der Erkennung einer eingeprägten Teilenummer und die nachträgliche Forderung, auch Rattermarken und den Effekt einer elektrothermischen Härtung eines Flächenabschnittes zu überprüfen. Im Hinblick auf das Teilespektrum und die Fertigungsverfahren dieses Herstellers war es außerdem von großer Bedeutung, dass NeuroCheck die Möglichkeit bietet, Prüfsysteme für Zeilen- und für Flächenkameras – auch im Mix – mit gleichem Komfort zu realisieren.
Die Anlage läuft mittlerweile seit mehreren Monaten im Produktionseinsatz. Die typischen Anlaufprobleme, die dadurch entstehen, dass bestimmte Fehlerarten während der Projektierungsphase noch gar nicht bekannt sind und dass die Ausprägung bestimmter Merkmale – wie die Wasserflecken – je nach Produktionsbedingungen schwanken, konnten sehr schnell unter Kontrolle gebracht werden. Sehr hilfreich waren hierbei die vielfältigen Ausgabemöglichkeiten: Durch die Offline-Auswertung gespeicherter Merkmalswerte und Maße sowie ganzer Kamerabilder über mehrere hundert Prüfdurchläufe konnten geeignete Prüfstrategien und Toleranzwerte sehr bequem ohne Unterbrechung der Produktion optimiert werden.
Insgesamt konnte der Hersteller bereits jetzt eine positive Bilanz des Bildverarbeitungseinsatzes ziehen. Neben den gegenüber manueller Sichtprüfung langfristig deutlich reduzierten Kosten sind hier die Objektivierbarkeit und Reproduzierbarkeit der Ergebnisse zu nennen und die Möglichkeit einer lückenlosen Protokollierung aller Prüfergebnisse.
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